Sternekoch überzeugt Binger Weinexpertin mit britischen Wurzeln
Die Liebe hat Alison Fleming nach Deutschland geführt. Die 62-jährige Weinexpertin aus Großbritannien, die für die Binger Kellerei Reh-Kendermann arbeitet, war schon immer eine Freundin klarer Entscheidungen. Nach dem Brexit-Beschluss gab sie daher auch ihren britischen Pass zurück und wurde Deutsche.
Von Christine Tscherner
Rund eine Million Flaschen der Kellerei Reh-Kendermann tragen die Handschrift von Alison Flemming.Foto: Christine Tscherner
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BINGEN - „Ich liebe es, mitten in Europa zu leben.“ Alison Flemming, geborene Britin, hat mit dem Brexit die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen. Ein Statement, ganz eindeutig. Die 62-jährige Export-Chefin und Prokuristin von Reh-Kendermann ist ein Fan klarer Entscheidungen. Rund eine Million Flaschen der größten deutschen Export-Kellerei tragen ihre Handschrift, rund die Hälfte davon neuseeländischer Sauvignon Blanc.
Flemmings Geschäft ist hoch international, nationale Wirtschaftsgrenzen gestrig und in ihren Augen der Ausstieg der Briten fatal. Vor 17 Jahren wechselte Alison Flemming zur großen Binger Kellerei. „Auslöser für den Schritt nach Deutschland war mein Mann.“ Ziemlich romantisch klingt die Story: Eine Studienfreundin lud Alison und ihren heutigen Mann als Geburtstagsgeschenk zu einem Kochkurs ein. Beide lebten getrennt, die Szene wirkte ziemlich arrangiert. Doch die englische Wein-Expertin und der Frankfurter Sternekoch überraschten sich mit breiten gemeinsamen Interessen. „Ich hatte gerade ein Haus gekauft und einen supertollen neuen Job. Keine Perspektive“, dachte sie. Bei einem Weihnachtsessen im Freundeskreis wurde aus Sympathie echter Funkenschlag. Die beiden versuchten ein Paarleben über Ländergrenzen hinweg. Mehr gemeinsame Zeit wurde nach einem Jahr Pendlerflüge der Beschluss. Wer zieht zu wem? Alison hatte in Deutschland studiert, war für berufliche Aufstiege und schon als Kind mit der Familie oft umgezogen. Nur wie einen spannenden Job auf hohem Niveau in der Weinbranche finden? „Ich kannte zufällig eine Mitarbeiterin von Reh-Kendermann.“ Die studierte Sprachen- und Europa-Wissenschaftlerin hatte die Qualifikation zum Master of Wine seit zwei Jahren in der Tasche. Dieser Master ist ein akademischer Grad, den weltweit nur 370 Menschen und gerade einmal zehn in Deutschland führen dürfen. Ihr Dissertationsthema beschäftigte sich mit Rhein-Riesling. So eine Fachfrau mit viele Jahren Berufserfahrung ließen die Binger nicht von der Angel. Klar, dass Alison Flemming zuständig ist für den wichtigen britischen Markt der Kellerei; Großbritannien macht ein Drittel des Weinexports aus. Die Reh-Kendermann-Kreation „Black Tower“ zählt zu den weltweit erfolgreichsten Export-Weinen aus Deutschland.
„Ich lebe über meinen Gaumen“, sagt Alison Flemming. Zusammen mit den Winemakern des Hauses über Cuvees zu entscheiden, das bereite ihr Spaß. Preisverhandlungen mit ihren Landsleuten gehören dagegen nicht gerade in die Spaßkategorie, aber zur Führungsaufgabe.
Alison Flemming lebt mit ihrem Mann in Viernheim in einer umgebauten Tabakscheune. Eine Stunde dauert der Arbeitsweg nach Bingen über Autobahnen. „Zum ersten Mal im Leben fühle ich Wurzeln.“ Sie schätzt sehr das Mittendrin-Gefühl: „Du hast so unterschiedliche europäische Regionen und Weinanbaugebiete mit dem Auto in Reichweite, genial.“