Kuemmerling soll Bodenheim verlassen und nach Wiesbaden verlagert werden
Seit 1963 kommt der Kräuterlikör Kuemmerling aus Bodenheim bei Mainz. Die Straße, in der der Standort liegt, trägt den Namen des Likörs. Nun will der Mutterkonzern Henkell & Co. die Produktion in Bodenheim schließen und sie komplett nach Wiesbaden verlagern.
Von Ralf Heidenreich und Kathrin Damwitz
Kümmerling in Bodenheim. Foto: Archiv
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BODENHEIM - Seit 1963 kommt der Kräuterlikör Kuemmerling aus Bodenheim bei Mainz. Die Straße, in der der Standort liegt, trägt den Namen des Likörs. Nun will der Mutterkonzern Henkell & Co. die Produktion in Bodenheim schließen und sie komplett nach Wiesbaden verlagern.
Entsprechende Informationen dieser Zeitung bestätigte Henkell am Montag. „Die Henkell & Co.-Gruppe möchte im Frühjahr 2018 ihre Spirituosenproduktion von Bodenheim in ihr Wiesbadener Stammhaus integrieren. Hierüber wurden die Mitarbeiter informiert“, teilte der Sekt- und Spirituosenhersteller mit.
Verlagerung noch im Stadium der Prüfung
Der Konzern betonte zwar, dass sich die Verlagerung noch im Stadium der Prüfung befinde; eine Entscheidung gebe es noch nicht. In Unternehmens- und Arbeitnehmervertreterkreisen geht man allerdings davon aus, dass die Planung auch umgesetzt wird. Die insgesamt 57 Bodenheimer Mitarbeiter sollen laut Henkell „komplett nach Wiesbaden übernommen“ werden. Ende der 1990er Jahre waren am Standort noch rund 170 Mitarbeiter beschäftigt.
Wechselvolle Geschichte
Die Geschichte des Kräuterlikörs Kümmerling reicht bis zurück ins Jahr 1921. Seinerzeit begann Hugo Kuemmerling in Thüringen mit der Entwicklung eines Kräuterlikörs. Die Rezeptur kreierte Kuemmerling 1938, das Familienunternehmen gründete er 1945. Vier Jahre später wurde die Produktion nach Coburg in Bayern verlagert, 1963 schließlich nach Bodenheim bei Mainz. Zwischenzeitlich hatte Hugo Kuemmerlings Schwiegersohn Johannes Persch Marke und Unternehmen groß und bekannt gemacht. 2001 verkaufte die Familie die Kuemmerling GmbH an den Spirituosenkonzern Allied Domecq. Als sich dann Pernod-Ricard 2005 Allied Domecq einverleibte, wurde das Bodenheimer Unternehmen abgespalten und ging an den US-Konzern Fortune Brands. 2010 übernahm schließlich die Wiesbadener Henkell & Co. Sektkellerei KG Kuemmerling.
Die Oetker-Tochter begründete den geplanten Schritt mit der „Sicherung einer weiterhin erfolgreichen Zukunft des Unternehmens“. Der Standort Wiesbaden böte beste Voraussetzungen für die Integration der Spirituosenproduktion und wäre zudem logistisch ideal gelegen.
Hintergrund sind den Angaben zufolge freie Kapazitäten in Bodenheim sowie in der Spirituosenproduktion in Wiesbaden. Am rheinhessischen Standort wird nämlich nicht nur Kuemmerling abgefüllt, sondern auch Wodka Gorbatschow sowie günstigere Handelsmarken. Während Kuemmerling und Gorbatschow gut laufen, hat sich Henkell nach Angaben eines Sprechers dazu entschlossen, die Produktion der margenschwachen Handelsmarken zurückzufahren. Da auch in der Wiesbaden Spirituosenherstellung freie Kapazitäten bestünden, prüfe man nun die Zusammenführung der Produktion am Henkell-Stammsitz.
Gewerkschaft NGG: "Schlechter Scherz"
Als Guido Noll, bei der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) für die Region Darmstadt/Mainz zuständig, von den Henkell-Plänen zur Kuemmerling-Verlagerung erfuhr, hielt er das zunächst für „einen schlechten Scherz“. Der Standort verfüge über „relativ neue Abfüllanlagen und eine top Technik“, Absatzprobleme habe Bodenheim nicht, so Noll. Wodka Gorbatschow steigerte den Absatz 2016 nach Angaben von Henkell um acht Prozent auf 17,1 Millionen Flaschen und baute damit die „klare Marktführerschaft aus“. Kuemmerling wiederum war 2015 „mit 80 Millionen Miniaturflaschen die meistverkaufte Spirituose im Kleinflaschensegment“.
Laut Noll ist es nicht sicher, ob tatsächlich die komplette Bodenheimer Belegschaft nach Wiesbaden übernommen werden kann. Interessenausgleich und Sozialplan seien in Arbeit. Henkell-Sprecher Jan Rock betonte, dass „die nachhaltige Sicherung der Arbeitsplätze für uns bei allen Überlegungen höchste Priorität“ habe. In enger Kooperation mit dem Betriebsrat arbeite man „an einem bestmöglichen Übergang für alle Beteiligten“.