Das Auslandsgeschäft brummt. Aber der Erfolg steht auf wackeligen Füßen. Denn die Einreisebeschränkungen nach China treffen Firmen bis in den Odenwald.
ERBACH/SÜDHESSEN. Endlich geht es wieder aufwärts mit der Wirtschaft in Südhessen – wenn es auch nur ein kleines Plus ist. Dahinter stehen vor allem die starke Industrie und das brummende Auslandsgeschäft, so das Ergebnis der jüngsten Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) Darmstadt Rhein Main Neckar. Von drei in Südhessen hergestellten Produkten werden im Schnitt zwei im Ausland verkauft. Derzeit ist die Nachfrage vor allem in den USA und in China hoch, wo die Wirtschaft schnell wieder auf die Beine gekommen ist. Doch das Geschäft steht offenbar auf wackeligen Füßen.
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Zum einen hätten sich die weltweit stockenden Lieferketten auch in Fernost niedergeschlagen, sodass China vermehrt Überlegungen anstelle, bestimmte Produktionszweige im Inland aufzurüsten. Das berichtet IHK-Präsident Matthias Martiné und bezog sich auf Angaben der Außenhandelskammern. Zum anderen zeigten sich bereits negative Auswirkungen, weil Geschäftsreisen derzeit nur unter scharfen Auflagen möglich seien. Gerade in China sei persönlicher Kontakt wichtig, um Beziehungen aufrechtzuerhalten und neue Aufträge an Land zu ziehen. Wenn das Netzwerk immer löchriger werde, schade das auch der Wirtschaft in der Region.
Das zeigt sich etwa bei der Erbatech GmbH in Erbach, einem Maschinenbauer mit 130 Mitarbeitern und einem Umsatz von über 20 Millionen Euro. Die Maschinen aus dem Odenwald werden für die Nassveredelung von Stoffen genutzt, etwa Bleichen, Färben, Waschen oder Imprägnieren. „China ist einer unserer bedeutendsten Märkte“, sagt Chef Ulrich von Christen. Selbst in der Pandemie habe man viele Maschinen dorthin verkauft, zahlreiche Projekte seien für die kommenden Monate geplant.
Um korrekten Aufbau und Inbetriebnahme sicherzustellen, müssten Mitarbeiter aber vor Ort sein. Erbatech drohe „ein beträchtlicher wirtschaftlicher Schaden“, wenn dies nicht oder zeitlich verzögert möglich sei. „Die Aufträge können sonst nicht ordnungsgemäß abgeschlossen werden, Schlusszahlungen bleiben offen.“ Schlimmstenfalls könnten Schäden entstehen, die weitere Kosten verursachen. Sogar die Reputation als Lieferant von hochwertigen Maschinen stehe auf dem Spiel, so von Christen.
Der Branchenverband VDMA spricht von einem „Flickenteppich“, weil es unterschiedliche Vorgaben seitens der chinesischen Behörden gebe. Zum Teil stünden die Bedingungen mit dem Abflug noch nicht fest. Vor allem Mittelständler könnten die Auflagen kaum noch erfüllen. Jedes vierte Mitgliedsunternehmen habe bereits wirtschaftlichen Schaden erlitten. Der VDMA fordert deshalb pragmatische Lösungen, damit Fachkräfte mit negativem Test oder überstandener Corona-Erkrankung unmittelbar zu ihren Kunden weiterreisen können.
Die IHK Darmstadt und die südhessischen Unternehmerverbände unterstützen das. „Wir fordern die schnelle Einführung eines fälschungssicheren elektronischen Impfnachweises, damit Geschäftsreisen wieder leichter möglich und sicher planbar sind“, sagt Dirk Widuch, Geschäftsführer der Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände (VhU) für Darmstadt und Südhessen. Wer vollständig geimpft sei, solle schon vor dem Erreichen einer allgemeinen Herdenimmunität wieder weitgehend so leben und reisen dürfen wie vor der Pandemie.
Das wäre auch im Sinne von Firmen wie Erbatech, damit sie weiterhin vom Aufschwung in Fernost profitieren können.
Von Anja Ingelmann