Bis 2030 sind es gerade noch 13 Jahre. Eine Zeitspanne, in der auf dem Markt der Pflegeimmobilien viel passieren muss. Denn auch wenn die Szenarien für den Bedarf an...
MAINZ/WIESBADEN/DARMSTADT. Bis 2030 sind es gerade noch 13 Jahre. Eine Zeitspanne, in der auf dem Markt der Pflegeimmobilien viel passieren muss. Denn auch wenn die Szenarien für den Bedarf an Pflegeeinrichtungen je nach Erhebung variieren mögen, die Grundaussage ist immer identisch: Die Zahl der Pflegebedürftigen steigt rasant.
So prognostiziert das Beratungsunternehmen Georg Consulting in seinem Pflegeheimreport, dass im Vergleich zu heute knapp 300 000 zusätzliche vollstationäre Plätze in Pflegeheimen gebraucht werden. Diese Zahl gelte allerdings nur, wenn die Quote der pflegebedürftigen Menschen, die in Heimen versorgt werden, nicht weiter steige. Bei einem Szenario mit einer um fünf Prozent höheren Heimquote sind eine halbe Million zusätzliche neue Plätze nötig.
Auch hierzulande muss also kräftig investiert werden: In Hessen werden demnach 2030 mindestens 20 000 weitere Plätze benötigt (bei höherer Heimquote gut 36 000 Plätze), in Rheinland-Pfalz gut 13 000 (höhere Heimquote: knapp 23 000). Geht man von den derzeitigen Heimgrößen mit durchschnittlich 63 Bewohnern aus, wird die Herausforderung konkret greifbar: In den beiden Bundesländern müssen in den nächsten 13 Jahren mehr als 520 neue Pflegeheime (317 in Hessen, 206 in Rheinland-Pfalz) entstehen, würde die höhere Heimquote relevant, wären es sogar mehr als 930.
Und Jan Linsin vom Immobiliendienstleister CBRE warnt davor, nur an den Neubau zu denken: „Wir gehen davon aus, dass nicht nur Hundertausende Plätze in Deutschland neu geschaffen, sondern zusätzlich noch rund 240 000 Plätze in bestehenden Einrichtungen ersetzt werden müssen.“ Linsin nennt auch die nötige Summe: 55 Milliarden Euro.
Wo soll das Geld herkommen? Wer hat überhaupt Interesse, in Pflegeimmobilien zu investieren – von Pflegeheimen über betreutes Wohnen bis hin zu Luxusvarianten, die dem All-Inclusive-Hotel samt Kultur- und Sportprogramm gleichen? Einer, der den Markt und seine Möglichkeiten, aber auch dessen Grenzen bestens kennt, ist Jens Nagel, der Geschäftsführer der Hemsö GmbH. Das Unternehmen, in dem viel Geld aus schwedischen Pensionsfonds steckt, besitzt, entwickelt und verwaltet Sozialimmobilien in Schweden, Finnland und Deutschland.
Allein im Rhein-Main-Gebiet gehören Hemsö inzwischen zwölf Pflegeheime: „Die öffentliche Hand investiert zunehmend geringere Summen in den Erhalt und den Neubau von Pflegeeinrichtungen und ist nicht in der Lage, notwendige Investitionen zu stemmen“, begründet Nagel die Entwicklung, dass private Investoren immer stärker in den Fokus rücken. Der Rückzug des Staates beschränke sich aber nur auf das Finanzielle: „Private Investoren werden durch politische Regulierungen eher blockiert als unterstützt“, kritisiert der Hemsö-Geschäftsführer und verweist beispielsweise auf Baden-Württemberg, wo es von September 2019 an in Pflegeheimen und Behinderteneinrichtungen im Wesentlichen nur noch Einzelzimmer geben dürfe.
„Größere Einrichtungen müssen nicht nachteilig sein“
Auch die Größe werde auf maximal 100 Plätze beschränkt: „Größere Einrichtungen, die sich auf mehrere Gebäudekomplexe verteilen, müssen aber gar nicht zum Nachteil für die Bewohner sein, weil beispielsweise ein besseres Freizeitangebot gemacht werden kann oder man sich Servicebereiche teilt“, gibt Nagel zu bedenken – und: „Solche Beschränkungen begrenzen die Lust auf neue Investitionen.“
Dass beim Thema Neu- und Umbau von Pflegeheimen auf dem Markt äußerste Zurückhaltung herrscht, verdeutlicht Nagel mit Zahlen aus dem eigenen Unternehmen: Von 500 Millionen investiertem Kapital flossen lediglich 50 Millionen Euro in dieses Segment: „90 Prozent sind Eigentümerwechsel“, sagt Nagel. Damit werden in der Branche zwar große Summen bewegt, aber das Angebot für die Kunden verbessert sich nicht. Aus deren Sicht hält der Hemsö-Geschäftsführer ein ausreichendes Angebot aber für unerlässlich: „Wenn es zu einem Mangel an Pflegebetten und Serviceangeboten kommt, wird sich die Qualität verschlechtern, weil man sich der Konkurrenz nicht mehr stellen muss“, warnt er.
Wenn es um Wohnen im Alter geht, lenkt der Geschäftsführer der Terragon Investment GmbH den Blick noch auf ein anderes Segment: „Kommt es nicht zeitnah zu einem Umdenken, stehen wir bald vor einer Unterversorgung auch bei betreutem Wohnen und Wohnen mit Service“, sagt Michael Held. Er mahnt, als Bauherr früh an später zu denken – auch bei Mietwohnungen: „Barrierefreiheit ist keine Frage der Kosten, sondern der Konzeption. Bei einer richtigen Planung müssen beim Neubau nur rund 1,3 Prozent an Mehrkosten einkalkuliert werden.“ Es gibt allerdings noch viel zu tun: In Hessen verfügen beispielsweise nur elf Prozent der Seniorenhaushalte über einen altersgerechten Aufzug, in Rheinland-Pfalz sind es 18 Prozent.