
Tausende Beschäftigte der Opel-Werke müssen wohl vorerst ihren Job in dreckiger Arbeitskleidung machen. Die Gründe liegen bei Stellantis. Warum die Mitarbeiter sauer sind.
Rüsselsheim. Für Opel-Arbeitskleidung gibt es eine spezielle Webseite. Auf „opel-workware.com“ sind Arbeitsjacken, Mäntel, Latz- und normale Hosen und noch vieles mehr zu finden. Versehen mit dem berühmten Opel-Blitz. Wer bei Opel in der Produktion und in produktionsnahen Bereichen arbeitet oder sich in den betreffenden Bereichen in der Ausbildung befindet, muss solche spezielle Arbeitskleidung tragen, allein am Stammsitz Rüsselsheim sind es Tausende Mitarbeiter. Auch zum Schutz.
Schon diese Woche wird schmutzige Arbeitskleidung nicht mehr gewaschen
Ist die Arbeitskleidung dreckig, wird sie eingesammelt und von einem externen Unternehmen gewaschen beziehungsweise intensiv gereinigt. Denn Verunreinigungen etwa mit Öl sind nicht ohne Weiteres zu beseitigen. Bislang war das jedenfalls so. Doch die Opelaner, die am Dienstag in Rüsselsheim zur Arbeit kamen, staunten nicht schlecht. Denn sie fanden einen Zettel vor, dessen Inhalt sich im Unternehmen in Windeseile verbreitete – und große Fragezeichen hinterließ. Denn Stand jetzt muss die betreffende Belegschaft ihren Job künftig in schmutziger Arbeitskleidung machen. Sofern nicht noch schnell etwas geschieht.
„Wir möchten Sie heute über einen Lieferstopp unserer Dienstleistung ‘Textilmietservice’ für Ihren Standort informieren“, heißt es in dem Schreiben. Und weiter: „Wir werden Ihren Standort in der Kalenderwoche 23 letztmalig mit sauberer Kleidung beliefern, aber keine Schmutzwäsche mehr abholen. Ebenfalls wird das Servicebüro ab sofort geschlossen.“ Heißt: Bereits aber dieser Woche wird keine Wäsche mehr zur Reinigung abgeholt, die Arbeitskleidung bleibt also schmutzig.
Der Grund: Stellantis zahlt offenbar nicht
Der Grund liegt offenbar bei der Opel-Mutter Stellantis. Man habe „nach mehr als einem Jahr intensiver Bemühungen und Gesprächen mit unseren zentralen Ansprechpartnern im Stellantis-Konzern bis heute keine Klärung unserer offenen Posten erzielen können“, heißt es in der Mitarbeiter-Information weiter. Demnach belaufen sich die Außenstände „auf einen Betrag in Höhe unseres halben Jahresumsatzes mit Opel“. Das Unternehmen bedauert „es sehr, dass wir zu dieser Maßnahme greifen müssen, sehen derzeitig aber keine andere Möglichkeit, um auf die Dringlichkeit der Zahlungen hinzuweisen“. Sobald die Zahlungen erfolgt seien, „werden wir die Dienstleistung selbstverständlich umgehend wieder aufnehmen“, schließen die Ausführungen.
Warum es nicht reicht, die Arbeitskleidung zu Hause zu waschen
Stellantis reagierte mit einer internen Mitteilung an die Mitarbeiter, die dieser Redaktion vorliegt. Sie gibt im Wesentlichen den Inhalt des Schreibens des Dienstleisters wider. Spricht jedoch von „Schwierigkeiten“ mit dem Unternehmen und fügt hinzu, dass „die Arbeitskleidung bei Bedarf leider selbst gewaschen werden muss“. Man hoffe jedoch auf eine zeitnahe Klärung. „Frechheit“, „unmöglich“, „was soll das?“, lauten Reaktionen in Mitarbeiterkreisen. „Die Arbeitskleidung kriegst du zu Hause nicht richtig sauber. Da sind häufig dicke Ölflecken oder Fett drauf“, sagt ein Beschäftigter. Aus der Mitteilung geht außerdem hervor, dass offenbar nicht nur Werksbeschäftigte in Rüsselsheim, sondern auch in Eisenach und Kaiserslautern betroffen sind. Denn es heißt, dass Bardusch „deutschlandweit“ den Service einstelle.
Wäsche-Spezialist Bardusch setzt Stellantis die Pistole auf die Brust
Bei dem Unternehmen, das Stellantis die Pistole auf die Brust setzt, handelt es sich nach Informationen dieser Redaktion um die Bardusch GmbH & Co. KG. Ein traditionsreiches Familienunternehmen aus Ettlingen in Baden-Württemberg, das laut Wikipedia auf die Wäsche, Vermietung, Reparatur und Herstellung von Berufsbekleidung und Schutzkleidung sowie die Vermietung steriler Krankenhaus-Textilen und Spezialkleidung für den Reinraumbereich spezialisiert ist. Wie aus Opel-Mitarbeiterkreisen zu erfahren ist, wird in Rüsselsheim die schmutzige Arbeitskleidung in Containern gesammelt, die die Aufschrift „Bardusch“ tragen.
Die Geschichte des Unternehmens startete bereits 1871, als Caroline Bardusch damit begann, die Uniformen preußischer Offizieranwärter der Ettlinger Militärschule mit Wasser aus der Alb zu waschen. Innerhalb kurzer Zeit zählte sie laut Wikipedia auch Privatleute, Gaststätten und Hotels zu ihren Kunden. Nach dem Zweiten Weltkrieg konzentrierte sich die Familie Bardusch auf die Pflege und Vermietung von Berufsbekleidung.
Stellantis und Bardusch wollen die Vorgänge nicht kommentieren
Aus dem Ein-Frau-Unternehmen ist ein europaweit tätiger Dienstleister geworden. Mit 3750 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von knapp 315 Millionen Euro (2021). Bardusch ist in seiner Branche zwar ein bedeutendes Unternehmen, im Vergleich zu Stellantis aber klein. Der Opel-Mutterkonzern, zu dem insgesamt 14 Automarken gehören, kam 2022 auf einen Nettoumsatz von rund 180 Milliarden Euro und zählt weltweit gut 272.000 Mitarbeiter. Weder Bardusch noch Stellantis wollten gegenüber dieser Redaktion die Vorgänge kommentieren.