Wer seinen Diesel über Kredit oder Leasing finanziert hat, kann diesen Experten zufolge mit dem „Widerrufsjoker” loswerden. Meist ohne großen Wertverlust. Die Chancen stehen gut.
WIESBADEN/MAINZ. Von der Möglichkeit, den VW-Konzern auf Schadenersatz zu verklagen, haben die Halter von Diesel-Modellen mit Betrugssoftware, die in den verschiedenen Marken des Konzerns verbaut wurde, noch recht wenig Gebrauch gemacht. „Nur knapp 20 Prozent aller vom Dieselskandal betroffenen Eigentürmer haben sich bislang ernsthaft über das Thema Schadenersatz Gedanken gemacht“, sagt Rechtsanwalt Joachim Cäsar-Preller, Chef der gleichnamigen Kanzlei, die in diesem Bereich sehr aktiv ist.
VW-Halter, die hier noch etwas reißen wollen, müssen sich sputen, denn am 31. Dezember verjähren alle Schadenersatzansprüche gegenüber dem VW-Konzern. Aber es gibt nach Angaben von Experten noch eine weitere Möglichkeit, sich seines Diesels zu entledigen – auch für Fahrer anderer Hersteller. Zumindest für jene, die ihr Auto per Kredit oder Leasing finanziert haben. Die Rede ist vom „Widerrufsjoker“.
Dieser Joker bezieht sich auf Formfehler in den Widerrufsbelehrungen in Darlehensverträgen. Liegen entsprechende Fehler vor, kann ein Darlehensvertrag auch viele Jahre nach Abschluss noch widerrufen werden. Geht der Widerruf durch, muss im Falle von Autokrediten laut Stiftung Warentest die betreffende Bank die bisher gezahlten Raten sowie die Anzahlung erstatten und das Auto zurücknehmen.
Die Chancen stehen für Autohalter nach Expertensicht gut. „In den allermeisten Kreditverträgen sind die Widerrufsbelehrungen fehlerhaft“, sagt Roland Klaus, Gründer der Interessengemeinschaft (IG) Widerruf. Verträge ab dem 11. Juni 2010 seien dabei dem Vernehmen nach besonders Erfolg versprechend, heißt es beim Verbraucherportal Finanztip. Denn ab diesem Datum mussten die Banken neue gesetzliche Regelungen beachten.
„Ewiges Widerrufsrecht“ wegen Fehler in Belehrungen
Den Angaben zufolge gibt es bereits eine Reihe von Urteilen, die für die Kläger positiv ausgegangen sind. Möglich macht dieses Vorgehen das „ewige Widerrufsrecht“. Fehlen im Vertrag die erforderlichen Pflichtangaben, beginnt die 14-tägige Widerrufsfrist nicht zu laufen. Wer den Schritt gehen will, muss dafür nicht tief in die Tasche greifen. Zunächst muss geprüft werden, ob die Widerrufsbelehrungen im Kreditvertrag fehlerhaft sind. Viele Kanzleien wie Cäsar-Preller bieten das kostenlos und unverbindlich an. Gleiches gilt für die IG Widerruf, die mit Fachanwälten kooperiert. Anschließend hoffen die Kanzleien auf ein Mandat. Mittlerweile hat die Interessengemeinschaft nach eigenen Angaben mehrere Tausend Kfz-Finanzierungen geprüft und vertritt knapp 1000 Verbraucher beim Widerruf.
Wer diesen vor Gericht durchsetzen will und über eine Rechtsschutzversicherung verfügt, ist kostenmäßig auf der sicheren Seite. „Wer noch keine hat, kann eine Rechtsschutzversicherung sogar noch abschließen, bevor der Widerruf erklärt wird“, sagt Klaus. Fachanwalt Cäsar-Preller betont allerdings, dass man zuvor klären müsse, ob die Versicherung den Widerruf von Darlehensverträgen nicht ausschließe. „Manche Rechtsschutzversicherungen haben überdies eine Wartezeit von drei Monaten, bis man aktiv werden kann“, so Cäsar-Preller.
Wird ein Widerruf ausgesprochen, kommt es im Falle von VW laut Klaus in der Regel nicht zur Gerichtsverhandlung: „Wir haben für die meisten Kreditverträge für Diesel aus der VW-Gruppe vernünftige Vergleiche abschließen können.“ Zwar müsse der Halter eine moderate Entschädigung für die Dauer der Nutzung des Autos zahlen. „Die ist aber wesentlich geringer als der Wertverlust“, so Klaus. Auch bei anderen Herstellern stellt er eine „steigende Vergleichsbereitschaft der Banken“ fest.
Die Entschädigung wird meist auch dann fällig, wenn das Gericht ein aus Haltersicht positives Urteil spricht. „Bislang wird für ein Auto eine Lebensdauer von 250 000 Kilometer unterstellt“, so Klaus. Bei 50 000 Kilometern zahle man 20 Prozent des Neupreises an die Bank.