Der Klimawandel führt häufiger zu extremen Wetterereignissen. Was das für die Versicherungskunden bedeutet, erläutert Norbert Rollinger im Interview.
WIESBADEN. Extreme Unwetter, höhere Baupreise – womit Versicherungskunden rechnen müssen, erläutert R+V-Vorstandschef Norbert Rollinger.
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Herr Rollinger, was bedeutet der Klimawandel für Versicherungen? Unwetter nehmen zu, die Schadenlast wird deutlich steigen. Derzeit sind in Deutschland noch 99 Prozent aller Gebäude versicherbar. Der Anstieg der Temperaturen wird die Versicherbarkeit aber weiter erschweren. Wir tun weltweit zu wenig, um den Klimawandel zu stoppen. Die Natur schlägt jetzt zurück.
Was bedeutet das für die Beiträge? Da braut sich etwas zusammen. Extreme Wetterereignisse treten häufiger auf. Neben dem Anstieg des Baupreisindexes sehen wir aktuell zudem noch höhere Rückversicherungskosten. Es drohen deutliche Preissteigerungen.
Was muss geschehen? Der Staat muss sich entscheiden, ob er mehr in die Prävention und Klimafolgenanpassung investiert oder ob er später wie bei der Katastrophe an der Ahr für die Schäden aufkommt. Wo und wie darf gebaut werden, das ist eine der Fragen, die beantwortet werden muss. Die hohen Energiepreise sind bitter, aber sie senden die richtigen Knappheitssignale, dass sich etwas ändern muss. Erneuerbaren Energien und E-Autos gehören die Zukunft. Wir müssen uns von lieb gewordenen Gewohnheiten verabschieden.
Sollte die Elementarschadenversicherung zur Pflicht werden? Nein, wir plädieren für ein Opt-Out-Modell, nach dem sich ein Versicherungskunde aktiv gegen die Absicherung von Elementarschäden entscheiden muss. Wer sich davon verabschiedet, kann allerdings im Notfall dann auch keine staatliche Unterstützung in Anspruch nehmen.
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Wann wird das umgesetzt? Angesichts der Verwerfungen nach dem russischen Angriff auf die Ukraine ist es schwer, diese Debatte zu führen, weil die Regierung gerade andere Prioritäten hat. Aber das Gefahrenpotenzial ist deshalb nicht verschwunden. Wir müssen etwas tun, es sind zu wenig Hausbesitzer gegen Elementarschäden versichert.
Wie kommt die R+V durch die Krise? Das Versicherungsgeschäft läuft stabil. Die Schäden liegen bisher unter dem Vorjahr, aber über dem Schnitt der vergangenen Jahre. Die niedrige Bewertung an den Aktienmärkten belastet allerdings die Bilanz.
Welche Trends zeichnen sich ab? Wir haben uns im Silicon Valley datengetriebene Geschäftsmodelle angeschaut. In der virtuellen Welt des Metaverses kann zum Beispiel jeder eine Reise zum Machu Picchu in Peru antreten oder als Avatar seinen Traum leben. Dort kann man sich beispielsweise einen Avatar für 16000 Dollar kaufen und ihn mit Markenkleidung ankleiden oder Häuser bauen und digitale Kunstwerke erwerben. Dort entsteht neuer Versicherungsbedarf. Wir haben 100 Jahre als R+V die analoge Welt versichert, jetzt kommt möglicherweise die digitale Welt hinzu.
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Wie werden wir in Zukunft arbeiten? Sehr viel flexibler und agiler. Die Beschäftigten sind inzwischen flächendeckend mit Tablets und Laptops ausgestattet worden, damit sie an jedem Ort mobil arbeiten können. Vor allem für Gemeinschaftsprojekte kommen sie noch ins Büro. Jüngere Spezialisten wechseln erst gar nicht zu einem Unternehmen, wenn dort kein flexibles Arbeiten im Homeoffice möglich ist.
Wie sieht es bei der R+V aus? Die Anwesenheitsquote liegt derzeit etwa bei einem Viertel. Nach unserem Balance-Modell streben wir eigentlich eine etwas höhere Quote an. Ich mache mir schon Gedanken um unsere Unternehmenskultur.
Warum? Wenn Mitarbeiter nur noch daheim arbeiten, erziehen wir unter Umständen ein Heer von Söldnern. Die Bindung an das Unternehmen könnte ebenso verloren gehen, wie der Zusammenhalt in den Teams. Der persönliche Austausch bleibt wichtig. Die Idee des Miteinander müssen wir in die digitale Welt übertragen. Darauf legen wir großen Wert. Das ist eine große Führungsaufgabe.
Was bedeutet das für die Büroflächen? Weil wir im Rahmen unseres neuen Arbeitsmodells mehr Homeoffice ermöglichen, haben wir angefangen, die Flächen für die einzelnen Abteilungen zu reduzieren. Die Büros werden umgestaltet, um die Bedingungen für Teamarbeit zu verbessern. In den Gebäuden schaffen wir bestimmte „Heimat-Zonen“ für jede Abteilung, personalisierte Schreibtische wird es aber nicht mehr geben.
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