Nur wenige Trainer mit einem Vollzeitjob

Moment eines großen Erfolges: Günter Eisinger klatscht 2009 mit seiner Athletin Ariane Friedrich ab, nachdem die Hochspringerin den deutschen Rekord von 2,06 Meter aufgestellt hat. Archivfoto: imago
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Hessische Sporttrainer beklagen beim Forum des Hessischen Landessportbundes ihre schlechten Arbeitsbedingungen. 60 bis 70 Stunden pro Woche kommen nicht selten zusammen.

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FRANKFURT. Johannes Karg wartete die Wirkung seiner Worte noch etwas ab. Beim Leistungssportforum des Landessportbundes Hessen (LSBH) in Frankfurt hatte der Rudertrainer der Frankfurter Schillerschule ins Plenum hinein gefragt, wer schon einmal darüber nachgedacht habe, was Jürgen Klopp eigentlich hauptberuflich mache. Aus verständnislosem Kopfschütteln wurde bald sichtbares Begreifen. Karg wollte mit dem Hinweis auf den populären Fußballcoach, der mit seiner Arbeit an der Seitenlinie ein Vermögen verdient, verdeutlichen, dass oft vergessen werde, unter welchen Umständen Trainer anderer Disziplinen im eigenen Land arbeiten.

Denn nur wenige haben einen Vollzeitjob im Sport. Die meisten stehen in ihrer Freizeit in der Halle oder auf dem Platz, engagieren sich ehrenamtlich als Honorarkraft oder sind mischfinanziert. Einen „unerträglichen Zustand“ nennt das Günter Eisinger, früher unter anderem Betreuer der mit WM-Silber dekorierten Hochspringerin Ariane Friedrich. Den Mindestlohn von zwölf Euro pro Stunde erreichten viele nicht. Fahrtkosten und andere Ausgaben bekommen sie nicht überall ersetzt, zahlen teilweise sogar erheblich drauf, um das auszuüben, was mancher ihr Hobby nennen dürfte, was aber härteste Arbeit ist. „Wir sind vielleicht die größte Spendengemeinschaft Deutschlands“, sagt Eisinger mit Blick auf seine Szene.

Der ehemalige Lehrer und einige seiner Kollegen, darunter auch Karg und der Darmstädter Schwimmcoach Alexander Kreisel, einst verantwortlich für den früheren Weltmeister Marco Koch, haben sich deshalb im Oktober zu einer Arbeitsgruppe zusammengefunden, die das Vorhaben vorantreiben will, dass die Trainer in den Strukturen des LSBH fest verankert werden. Beim Sportbundtag 2021 soll ein Gremium gewählt werden, das ihre Interessen vertritt, mit je zwei Vereins-, Landes- und Lehrertrainern, zwei Bundes- oder Spezialtrainern und einem Vorsitzenden. „Wir wollen keinen Ernennungsprozess“, betont Karg. Sondern eine Wahl aus dem ganzen Land und verschiedenen Sparten heraus.

Wofür dieser Trainerrat sich einsetzen könnte, darüber herrschen auch schon Vorstellungen. So wünscht man sich beim LSBH einen festen Ansprechpartner, der sich um die Belange der Trainer kümmert. Dazu könnte eine Art Laufbahnberatung zählen, wie es sie für Sportler schon durch zwei Mitarbeiter gibt. Das dürfte auch helfen, junge Leute, die ein Engagement in dem nicht einfachen Berufsfeld anstreben, im Land zu halten. Stattdessen wanderten viele in andere Regionen oder ins Ausland ab. Karg glaubt, dass das auch damit zusammenhängt, dass in Hessen kein Studiengang existiert, der sich explizit mit dem Thema Leistungssport beschäftigt. Hilfreich könnte zudem sein, wenn Polizeisportfördergruppen, wie sie für Kadersportler existieren, auch ein paar Plätze für angehende Trainer zur Verfügung stellen, damit diese noch ein zweites Standbein aufbauen können.

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Darüber hinaus gehört zu den Ideen der Arbeitsgruppe, dass es Vergünstigungen für die Betreuer gibt. Ausrüster etwa, die ihre Sport- und damit Arbeitskleidung finanzieren, Ermäßigungen bei der Anschaffung von Arbeitsmitteln wie Handys und PCs oder auch kostenreduziertes Bahnfahren.

60 bis 70 Wochenstunden für Ausbildung eines Top-Talents

„Es kann nicht sein, dass diejenigen, die jeden Tag für den Erfolg ihrer Sportler arbeiten, an den Rand gedrängt werden“, betont Wassersportexperte Karg. 60 bis 70 Stunden pro Woche seien nicht selten nötig, um ein Talent auf Topniveau zu bringen und dort zu halten. Dabei stehen oft keine Ersatzkräfte zur Verfügung, die etwa Wochenendeinsätze in Training und Wettkämpfen ausgleichen könnten. Gedankt wird das den sich aufreibenden Pädagogen selten. „Ich bin ein Gegner des DDR-Systems“, sagt Eisinger. Aber abgesehen davon, dass dort allein in der Leichtathletik 564 hauptamtliche Stellen existierten, wurden zu Ehrungen siegreicher Sportler stets alle Betreuer, auch die aus jungen Jahren, zum Dankeschön geladen. „Manchmal wäre es so einfach, etwas zurückzugeben.“