Langzeitfolgen von Covid nicht unterschätzen: Welche Alarmzeichen gibt es, welche Belastung ist möglich? Der TSV Schott Mainz bietet nun Rehasport an, begleitet von einer Ärztin.
Mainz. Gassi gehen mit dem Hund? Nicht mehr möglich. Zu anstrengend. Long Covid, diagnostiziert bei einer Frau, Anfang 30. Eine Patientin der Mainzer Ärztin Dr. Kathrin Stelzer, die sich irgendwann gefragt hat: Was kommt nach der Diagnose? Jetzt hat die ehemalige Leistungsschwimmerin eine Antwort mit auf den Weg gebracht: Der TSV Schott Mainz bietet ab Februar Rehasport für Long-Covid-Patienten an – in Zusammenarbeit mit der Praxis für Sport- und Präventivmedizin von Kathrin Stelzer. „In der näheren Umgebung gibt es ein solches Angebot bislang nicht“, sagt Schott-Manager Till Pleuger. Das nötige Zertifikat liegt vor, Annett Boller, Rehasport-Expertin beim TSV, wird zwei Kurse (dienstags ab 9 Uhr, mittwochs ab 16.30 Uhr) für jeweils 15 Teilnehmer anbieten. Anmeldungen sind ab sofort beim TSV möglich.
„Long Covid kann zur Arbeitsunfähigkeit führen“
Bis zu 15 Prozent der Corona-Infizierten sollen mit Long Covid zu kämpfen haben. „Das kann bis zur Arbeitsunfähigkeit führen“, sagt Kathrin Stelzer. Symptome sind vielfältig. Müdigkeit, Erschöpfung und eingeschränkte Belastbarkeit, Kurzatmigkeit, Konzentrations- und Gedächtnisprobleme, Herzbeschwerden – einzeln oder in Kombination können sie den Alltag extrem einschränken. Die Patientin, die nicht mehr mit dem Hund spazieren konnte, war im März 2022 an Covid erkrankt, im September kam es zu einer Verschlechterung der Symptomatik – dazu ließ die Konzentration nach, Bücher lesen war nicht mehr möglich, Gespräche unter vielen Menschen waren zu anstrengend, drei lange Monate war sie arbeitsunfähig. „Viele fragen sich: Wie kann ich mich wieder belasten?“, berichtet Kathrin Stelzer. Ein „Zu viel“ führt in vielen Fällen zum Rückfall, so die Ärztin.
Hier soll der Rehasport helfen: Zunächst steht eine Diagnostik auf dem Laufband (Spiroergometrie, Test des Herz-Kreislauf-Systems und der Lunge) an, entsprechend des Ergebnisses erfolgt die Belastungsplanung für jede Teilnehmerin, jeden Teilnehmer. Annett Boller leitet das Sportprogramm, neben dem angemessenen Ausdauertraining kann auch Krafttraining dazugehören. Da Long Covid auch die Konzentration massiv einschränken kann, wird ihre Kollegin Petra Senftleben immer wieder Gedächtnistraining einstreuen. „Die Krankenkassen übernehmen die Kosten für den Rehasport nach erfolgtem Antrag“, erklärt Annett Boller, die für diesen Kurs eine Fortbildung absolviert hat.
Alle Sportlerinnen und Sportler sollten sich nach einer Covid-Erkrankung untersuchen lassen.
„Long Covid ist keine Frage des Alters, es kann auch nach leichten Verläufen auftreten“, sagt Kathrin Stelzer. 20 bis 70 Jahre alt sind ihre Patienten, es ist zu erwarten, dass dies auch die Spanne bei den Kurs-Teilnehmern ist. Auch durchtrainierten Sportlern droht Gefahr. Jeden Regionalliga-Fußballer des TSV checkte Kathrin Stelzer nach der Erkrankung, bei einigen wenigen musste sie das Comeback stoppen, gab erst später wieder grünes Licht. Ihr Tipp: „Alle Sportlerinnen und Sportler sollten sich nach einer Covid-Erkrankung untersuchen lassen.“ Und wann spätestens sollten auch Nicht-Sportler zum Arzt gehen? „Bei Luftnot unter Belastung, bei Herzstechen oder -stolpern, bei extremer Erschöpfung.“ Die Ärztin, die als Hygienebeauftragte während der Pandemie bei Mainz 05 unter anderem die obligatorischen PCR-Tests durchführte, fügt hinzu: „Lieber einmal zu viel beim Arzt gefragt.“ Und wie lange sollte man nach Covid mit Sport pausieren? „Das ist unterschiedlich, hängt auch von der Schwere der Erkrankung ab“, sagt Kathrin Stelzer: „Mindestens zwei Wochen ab Symptom-Ende sollten es sein.“
Long Covid ist hartnäckig. „Zu viel Belastung kann in die Abwärtsspirale führen“, sagt die Ärztin. Ihre Patientin sollte nach einiger Zeit wieder eine Viertelstunde mit dem Hund spazieren. Als es ihr wieder schlechter ging, stellte sich heraus: Sie war eine Stunde unterwegs. Der Rehasport beim TSV Schott soll begleiten und helfen. Nicht als stationäre Reha, „sondern einmal in der Woche, eingebettet in den Alltag“, sagt Kathrin Stelzer. In Zusammenarbeit von Verein und Praxis. Till Pleuger: „Wir sind sehr gespannt, wie es sich entwickelt.“