Die Heidelbergerin Ursel Brunner schwimmt 1960 in Rom mit DDR-Kolleginnen zu zwei Olympia-Medaillen.
In Leipzig schwimmt Ursel Brunner die Olympia-Norm, in Rom zu zwei Medaillen. Archivfoto: imago
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Von Björn-Christian Schüßler
Eigentlich ist das Bild, das Christel Steffin, Heidi Pechstein, Gisela Weiß und Ursel Brunner auf dem Treppchen von Rom abgeben, nichts Ungewöhnliches. Die vier deutschen Freistil-Schwimmerinnen nehmen bei den Olympischen Sommerspielen Ende August ihre Bronzemedaillen für den Staffelerfolg entgegen. Strahlend. Es ist der größte internationale Erfolg ihrer bisherigen Karriere. Und der letzte gemeinsame. Denn nur ein Jahr danach baut die DDR die Mauer, riegelt den Staat vor dem Westen ab.
Ursel Brunner ist die einzige des Quartetts, die aus der Bundesrepublik stammt. Die deutsche Freistil-Ikone der 1950er und frühen 60er Jahre lebt und trainiert in Heidelberg. Dass sie 27 DM-Titel gewann und 99 deutsche Rekorde aufstellte, in ihrer Blütezeit alle nationalen Bestzeiten im Freistil – von 100 bis 1500 Meter – hielt, steht in der Vita der inzwischen 79-jährigen Ursula Wirth-Brunner. Mit keiner Silbe wird darin jedoch erwähnt, dass sie ihre drei Mitstreiterinnen von Rom – ebenso wie die Kolleginnen der 4-x-100-Meter-Lagen-Staffel – nach dem Mauerbau nur noch selten auf Wettkämpfen wiedersah. Wie es auch gemeinsame Starts von Sportlerinnen aus West und Ost nach den Spielen von Rom nie wieder gab.
Brunner war Schlussschwimmerin, sicherte mit ihrem unvergleichlichen Beinschlag die Staffel-Bronzemedaillen. Und erfuhr danach aus Briefen der Kolleginnen, was die DDR im Schwimmen unter Leistungsoptimierung verstand. Nach der Wahl zur Sportlerin des Jahres 1963 und den Spielen von Tokio 1964 wechselte die Heidelbergerin die Seite, trainierte Talente im eigenen Schwimmverein. Bis 1984. „Als ich realisierte, dass ein Athlet nur noch mit Manipulation in die höchsten Ränge schwimmen kann, war das meine Konsequenz“, erklärte „Mohrle“, wie Brunner aufgrund ihres braungebrannten Teints von Zeitgenossen liebevoll genannt wurde, auch ihre coachende Laufbahn für beendet.
Dem westdeutschen Schwimmsport entging in diesem Moment eine Persönlichkeit. Die ihre Expertise in ihrer Heimatstadt bis vor Kurzem noch ehrenamtlich Kindern in Schwimmkursen zuteil werden ließ. Dass Brunner sich nach der deutschen Vereinigung dem Fechtsport widmete, verdankte sie ihrem Sohn. Florett und Degen schwang sie zunächst selbst, gründete schließlich 2009 den Fechtverein Heidelberg. Das Strahlen im Wasser von Rom bleibt dennoch eine liebgewonnene Erinnerung.