Samstag,
21.10.2017 - 00:00
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Wiesbaden Phantoms: Die fünf Baustellen des Football-Zweitligisten

Von Tobias Goldbrunner
Stellv. Chefredakteur Inhalte

Soll die Phantoms in eine bessere Zukunft führen: Quarterback-Hoffnung Niklas Woelbert.Foto: Corinna Seibert ( Foto: Corinna Seibert)
WIESBADEN - Wie sieht die Zukunft der Wiesbaden Phantoms aus? Headcoach Patrick Griesheimer und vier weitere wichtige Trainer haben den Football-Zweitligisten verlassen. Und eine große Lücke hinterlassen. Auch zahlreiche Leistungsträger könnten von Bord gehen. Die Verantwortlichen suchen derzeit unter Hochdruck einen neuen Cheftrainer. Doch das ist nur die erste Herausforderung. Das sind die fünf Baustellen der Hessen:
Headcoach: Griesheimer hat in vier Spielzeiten nicht sein großes Ziel erreicht: den Aufstieg in die Erste Liga. Aber: Der Kelsterbacher lockte viele talentierte Spieler und Coaches an, trieb das Team immer wieder an und investierte enorm viel Zeit in die Phantoms. Aus Liebe zum Verein, in dem er selbst lange spielte und sich seine ersten Sporen als Coach verdiente. Der Nachfolger soll „nicht irgendwer“ sein, hat Vorstandsmitglied Armin Eberhard betont. Gesucht wird: Ein erfahrener Cheftrainer, der von außerhalb kommt, nicht allzu teuer ist und wieder stärker die Nachwuchskräfte integriert. Keine leichte Aufgabe, aber ein spannendes Projekt für jemanden, der einen Verein mit viel Potenzial langfristig in eine erfolgreiche Zukunft führen will. Der Headcoach braucht unter anderem einen neuen Defense Coordinator und Quarterback-Coach an seiner Seite, mit Primo Lursini, Guido Reuels, Marc Fauquemberque und Jens Knobloch ging viel Know-how. Der Markt ist ziemlich leer, viele gute Trainer sind bei den vielen Teams in der Region schon gebunden. Eberhard gibt sich zuversichtlich: „Wir führen gerade sehr gute Gespräche mit potenziellen Kandidaten. Wir können schon in Bälde Vollzug vermelden.“ Der neue Mann muss sofort als Zugpferd vorangehen. Denn die Vorbereitung soll eigentlich Mitte November beginnen.
Mannschaft: Eberhard ist überzeugt davon, 2018 ein „intaktes Team stellen zu können, dass eine ordentliche Saison spielt“. Doch welche Führungsspieler bleiben? O-Liner Stephan Götz hört definitiv auf, Linebacker Tim Reichert schließt ein Karriereende ebenfalls nicht aus. Auch drei Punktegaranten stehen vor dem Absprung: Topscorer Cordarious Mann, Jannis Fiedler und Joshua Haas liebäugeln allesamt mit Wechseln ins Oberhaus. Runningback Mann war nach dem Abgang des US-Quartetts um Quarterback Preston Rabb der einzige verbliebene Import – und einer, den die Phantoms nur zu gerne halten würden. Schließlich hat das 1,65 Meter große Kraftpaket einen Job und eine Freundin hier, will daher auch Deutschland so schnell nicht den Rücken kehren. Große Hoffnungen ruhen auf den Nachwuchskräften, die noch mehr Verantwortung übernehmen sollen: Allen voran Niklas Woelbert, der Ende der Runde seine Sache als Starting-Quarterback sehr gut machte. Der 20-Jährige kann die Wiesbadener über Jahre hinweg anführen, muss sich vor US-Spielmachern nicht verstecken. Mit Nico Netz, David Merkl und Tommy Weigel haben weitere wichtige Spieler für 2018 zugesagt, auch Sven Rieger macht wohl weiter. Dennoch: Besonders in der Defense müssen gleich mehrere Verstärkungen her. Allerdings haben viele Spieler schon woanders unterschrieben, weil die Wiesbadener Verantwortlichen viel Zeit verstreichen ließen. Schon im Juli hatten Griesheimer und Co. Veränderungen gefordert, nun zog sogar das Quintett selbst die Reißleine. Gespräche mit Leistungsträgern und Neuzugängen ruhten. Und: Die Phantoms werden nur noch mit einem oder zwei Imports auflaufen. Ein schwieriger Spagat: Die eigenen Talente bekommen mehr Spielzeit, müssen aber auch schnell mithalten, um die Klasse zu sichern. Denn die Konkurrenz, selbst die Aufsteiger, tritt eigentlich immer mit mindestens vier Imports an.
Umfeld: Die Phantoms profitierten stets von ihrem Zusammenhalt. Sind einer der Clubs in Deutschland mit dem besten „Familien-Feeling“. Als echte Einheit, mit ausschließlich Akteuren aus dem eigenen Nachwuchs, gelang 2011 der Aufstieg in die Erste Liga. Doch zuletzt gab es Risse. Auch weil sich die Philosophie änderte. „Ändern musste“, so Griesheimer. „Mit ‚Wir haben uns alle lieb‘ kommst du in der Zweiten Liga nicht weit.“ Es kamen immer mehr Imports. Doch Erfolge blieben aus. Gleichzeitig sank die Trainingsbeteiligung. Mitte 2017 kritisierte Griesheimer öffentlich die Einstellung vieler seiner Spieler. Aus dem 50-Mann-Kader machte fast nur noch die Hälfte weiter. Als sich das US-Quartett verabschiedete, kamen wieder mehr Akteure. Trotzdem wird man das Gefühl nicht los, dass sich die Last auf immer weniger Schultern verteilt. Und dass der dreiköpfige Vorstand, der ehreamtlich tätig ist, nicht immer mit einer Stimme spricht. Spieler wie Weigel und Merkl wollen anpacken, fordern von der Führungsetage klare Konzepte. Die Gespräche laufen. Von ihnen hängt viel ab.
Finanzen: Vor vier Jahren standen die Phantoms am Abgrund, weil sie rund 20 000 Euro an Steuern nachzahlen mussten. Der Verein konsolidierte sich, hat finanziell längst keine Sorgen mehr. Große Sprünge sind jedoch auch nicht möglich. „Wir werden auch für 2018 ein sehr schmales Budget fahren“, kündigt Eberhard an. Heißt: Talente aus der eigenen Schmiede, die mit Football Geld verdienen möchten, folgen in der Regel Lockrufen aus der Ersten Liga. „Das Interesse in der Stadt ist an anderen Sportarten größer“, bedauert Eberhard. Mit was können also die Phantoms locken? Eben mit jenem Familien-Gedanken. Mit tatkräftiger Unterstützung bei der Job- und Wohnungssuche. Mit viel Spielzeit für junge Spieler. Und einen guten Trainer sollten sie auch bieten.
Trainingsmöglichkeiten: Derzeit müssen sich die sechs Teams einen einzigen Trainingsplatz teilen. Das führte im Sommer dazu, dass der Vorstand der Ersten Mannschaft nur ein Drittel des Rasens im Europaviertel zur Verfügung stellte. Einer der Punkte, der bei Griesheimer für Unmut gesorgt haben soll. „Wir haben bei der Stadt schon Zeiten auf anderen Plätzen beantragt“, schildert Eberhard. „Bislang leider ohne Erfolg.“ Langfristig soll ein neuer Kunstrasenplatz her. Baubeginn, so die Stadt: frühestens 2021.