Fußball: Im Steig- und Sinkflug durch die Corona-Zeit
Warum der SV Wiesbaden bislang erfolgreich ist und Aufsteiger FVgg. Kastel 06 auf einem Gruppenliga-Abstiegsplatz steht.
Von Stephan Neumann
Sportredakteur Wiesbaden
Hat in dieser Szene gegen den Wörsdorfer Paul Lutterbüse das Nachsehen, ist aber ansonsten ein Fixpunkt im Spiel des SV Wiesbaden: Yama Afghanyar (links).
(Foto: René Vigneron)
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WIESBADEN - Ein Teilstück der Fußball-Saison ist gemeistert, wenn auch unter strapaziösen Umständen. Es gibt Mannschaften, die sich damit gut arrangiert haben, wie etwa Gruppenligist SV Wiesbaden, der überraschend weit vorne mitmischt. Und andere, deren Ausbeute alles andere als optimal ist, wie das beim Aufsteiger und Klassengefährten FVgg. Kastel 06 im Sog verschiedener Ursachen der Fall ist.
Bei erneutem Abbruch alle Optionen beim Verbandsvorstand: Daneben beschäftigt alle Vereine die Frage, wann und wie es nach der Unterbrechung weitergehen kann. Sollte das im neuen Jahr der Fall sein, sollen hessenweit zunächst alle Nachholspiele absolviert werden, um die Tabellen zu begradigen. Sollte es im Zuge der Pandemieentwicklung zu einem erneuten Abbruch der Runde kommen, spielt es laut geltender Spielordnung des Hessischen Fußball-Verbands in Paragraf 30 keine Rolle, ob weniger oder mehr als 50 Prozent der gesamten Spielrunde ausgetragen sind, um Abschlusstabellen nach der Quotientenregelung erstellen zu können – diesmal mit Auf- und Absteigern. Allerdings: Bei erheblicher, coronabedingter Unterschreitung der für die Spielklasse vorgesehenen Spielanzahl könnte der Verbandsvorstand, der sich alle Entscheidungsoptionen vorbehält, auch beschließen, die Runde nicht zu werten.
Die aufgrund von Corona abgebrochene Saison 2019/20, die nach der Quotientenregelung ohne Absteiger gewertet wurde, schloss Gruppenligist SV Wiesbaden als Sechstletzter im unmittelbaren Bannkreis der Abstiegsränge ab, um in der neuen Runde nach etwas holprigem Start plötzlich in die Erfolgsspur zu finden. Daran ändert auch das 2:4 gegen die TSG Wörsdorf im letzten Spiel vor der Unterbrechung nichts. Mit 23 Zählern wahrt der frühere Hessenligist Tuchfühlung zu Spitzenreiter TuS Hornau, der bislang 25 Punkte aufweist.
„Wir haben uns in die Runde reingearbeitet. Einsatz und Leidenschaft stimmen, die Jungs haben immer alles reingeworfen. Wir können sehr zufrieden sein, haben sogar noch ein paar Punkte liegen gelassen“, zieht Chefcoach Daniel Löbelt Zwischenbilanz. Eine sorgenfreie Spielzeit hinlegen, das sei der Anspruch gewesen, erläutert der Trainer: „Wir sind voll im Soll. Wir werden weiter in jedes Spiel gehen und versuchen, es für uns zu entscheiden. Wenn es am Ende für irgendetwas reicht, umso besser. Träumen ist erlaubt, aber in Sachen Aufstieg steckt kein Muss dahinter.“
Um Kapitän und Co-Trainer Timo Gürtler, der als Rechtsverteidiger auch nach vorne ankurbelt, hat sich ein willensstarkes Team mit enormer Mentalität gefunden. Im Abwehrzentrum sorgen Rückkehrer Durim Rashica und Rafael Ruiz Gonzalez für Stabilität. Mittelfeld-Sechser Yama Afghanyar sowie der ungemein zweikampfstarke Burak Bozbiyik sind Eckpfeiler einer zur Einheit gewordenen Mannschaft, in der Alim Göcek (ehemals Biebrich 02), Ersen Albayrak und Egzon Sula vorne den Weggang von Nigel Bier gemeinschaftlich kompensieren. Für das nächste Jahr kann Löbelt wieder mit Tim Maurer (nach Knie-OP) und Marcel Schuol (nach Schulter-OP) planen. Angesichts des breiten Kaders „müssen wir im Winter nicht unbedingt etwas machen“, sagt der Coach.
Elf Punkte aus zwölf Spielen – für Aufsteiger FVgg. Kastel 06 lief es nicht optimal. „In drei Spielen haben wir jeweils in der 86. Minute den Ausgleich kassiert, weil hintenraus die geistige Frische gefehlt hat. Dazu konnten wir nicht ein Mal die Mannschaft aufbieten, die uns vorschwebt“, führt Christian Neumann an, der bei den 06ern mit Thomas Nikelski ein Trainertandem bildet. Die Verletztenmisere mit den Ausfällen Philipp Schollmayer (Kreuzbandriss im März), Andre Nkongolo (Kreuzbanddehnung), Tobias Boss (Muskelbündelriss), Gökhan Akinci (Handfraktur) und Nelson Karikari (Sehnenblessur im Fuß) habe in Verbindung mit anstrengenden Englischen Woche Lücken gerissen. Vor der Saisonunterbrechung seien zudem mehrere Spieler positiv auf Corona getestet worden, schildert Neumann und will die Gesamtumstände auf keinen Fall als Jammern interpretiert wissen. Es sei für alle Klubs und Teams eine extreme Herausforderung, in diesem Zeiten im Amateurbereich zu bestehen. „Drei Jahre haben wir auf den Abstieg hingearbeitet und dann kann es passieren, dass es bei einem eventuellen Saisonabbruch gleich wieder Tschüss heißt, obwohl noch realistische Chancen bestünden, die Klasse zu halten“, sagt Neumann mit Blick auf die von Ungewissheiten geprägte Zukunft. Die 14 Tage Vorlaufzeit, die der Verband bei einem möglichen Re-Start im neuen Jahr einplane, seien viel zu kurz. Sein Vorschlag: „Vielleicht sollte man jetzt einen Schnitt machen, im Frühjahr Freundschaftsspiele austragen und so lange warten, bis ein Impfstoff da ist, um dann eine Runde zu beginnen, die auch zu Ende gespielt werden kann.“