Nicht protzen, sondern arbeiten: SVWW-Profi Alf Mintzel
Nach Claudio Pizzaro ist der Wiesbadener Fußballer der zweitälteste Feldspieler im Profigeschäft und mit seiner bescheidenen Art Symbolfigur für den Drittliga-Alltag.
Von Ulrike John
Von Luxus keine Spur: Alf Mintzel erlebt auf dem Trainingsgelände des SV Wehen Wiesbaden Drittliga-Alltag pur.
(Foto: dpa)
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TAUNUSSTEIN - Der Wind pfeift über den leicht verschneiten Halberg im Taunus. Kein einziger Zuschauer hat sich zum Training des SV Wehen Wiesbaden verirrt. Er hätte danach ohnehin zum Auftauen in die Sauna gestellt werden müssen. Die gibt es hier sogar, ansonsten herrscht Drittliga-Tristesse. Alf Mintzel kommt dennoch mit einem breiten Grinsen zur Arbeit. Seit 17 Jahren steht er jeden Tag auf dem Platz. Mit 37 ist der gebürtige Würzburger nach Bremens Claudio Pizarro (40) der älteste Feldspieler im Profigeschäft hierzulande. „Ich hab’ mit Fußball eigentlich nichts zu tun“, sagt Mintzel. „Gar nix“, schiebt der Blondschopf nach, „was Grundeinstellung angeht und alles, was so nebenbei läuft“. Wenn Mintzel gefragt wird, was er denn beruflich mache, scherzt er schon mal: „Angestellter.“ Also im Ernst: „Sportler, im Bereich Fußball.“ Die Reaktion? Mintzel verdreht die Augen: „Die Leute haben manchmal das Verständnis: Der fährt mit dem Maserati vor und tritt ein bisschen gegen das Bällchen.“
Verdienst reicht zum Leben, Luxus ist aber ein Fremdwort
Dritte Liga. Ob man davon leben kann? Kann man, bestätigt Mintzel. Aber für 100 Prozent der Profis müsse es nach dem Fußball ganz normal weitergehen. In einem Beruf, der einen bis zur Rente bringt. Drittliga-Profis verdienen nach Angaben des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) einen „mittleren vierstelligen Betrag“ im Monat. Selbst wenn er 500 Millionen Euro hätte, beteuert Skoda-Kombi-Fahrer Mintzel, „würde ich mir keinen Ferrari kaufen, wo ich nicht mal einen Kasten Bier reinkriege.“
In der Zweiten Liga gibt es nach Mintzels Schätzungen zwischen 200 000 und 500 000 Euro im Jahr. Dort hat er einst auch schon gespielt, bei Kickers Offenbach und Greuther Fürth. Dazu Sandhausen. Mintzel ist rumgekommen im deutschen Fußball, wenn auch nicht in der Beletage. 319 Drittliga-Spiele – nur Tim Danneberg vom VfL Osnabrück hat drei mehr.
Mintzel hat „immer Bock auf Bewegung“. Er war mal „sehr schnell“. Das hilft, um immer noch mithalten zu können. „Ich muss den Hut ziehen, wenn einer nach so vielen Jahren immer noch so aktiv und ein wichtiger Bestandteil der Mannschaft ist. Und jeden Tag mit so einer Freude zum Training kommt und Spaß hat, sich zu quälen“, sagt sein nur drei Jahre älterer Trainer Rüdiger Rehm. Mintzel sei ein Vorbild für viele junge Spieler. Niemals gehe er mit nur 60 oder 70 Prozent auf den Platz.
Auch für die Kabine sei er „extrem wichtig“. Dort nimmt Mintzel schon mal einen Jungprofi beiseite, wenn der Flausen im Kopf hat. Der Routinier ist auch Kassenwart – und als Sohn einer Deutschlehrerin sprachliches Korrektiv: „Wenn jemand dauernd „wie“ statt „als“ sagt – da krieg ich ’nen Föhn.“ Und wehe, einer kommt mit „hey Alter“. Und der Vorname? Fast sein ganzes Leben wird Mintzel immer wieder auf die Fernsehserie mit dem Außerirdischen angesprochen: „Gestört hat mich das nie. Alf ist ein Klassiker, den habe ich immer gerne geschaut.“
Mintzel ist Kult. Sein Spruch vor dem DFB-Pokalspiel gegen den Hamburger SV im Oktober sorgte über Wiesbaden hinaus für Lacher. „Davor habe ich noch andere Aufgaben: Kinder abholen und die Frau hat bestimmt auch noch 30 Aufträge für mich“, sagte Mintzel damals lachend in die Kameras.
Jogginghose vom Discounter, Angelurlaub am See
Natascha Mintzel fand das zunächst nicht so lustig. Aber: „Am nächsten Morgen, man glaubt es kaum: Ich hab mir gerade einen Kaffee gemacht, setze mich an den Esstisch“, erzählt Alf Mintzel. „Da lag ein Post-it! Durchsaugen, Müll runterbringen und noch irgendwas.“
Sie lebe ein Leben wie jede andere Frau mit Mann und zwei Kindern, sagte Natascha Mintzel mal. Eine Nachbarin hat sie daraufhin gefragt, ob sie eine richtige Spielerfrau sei? Ihre Antwort: „Nein, ich habe keine Louis-Vuitton-Tasche.“
Als Alf Mintzel kürzlich in einer neuen Jogginghose in der Kabine erschien, staunte ein Mitspieler: „Boah, wo hast du denn die geile Hose her?“ Mintzel: „Von Aldi. 9,95 Euro. Kein Witz, die ist Weltklasse.“ Ein Urlaub in Dubai, ein vergoldetes Steak à la Franck Ribéry ist Mintzel so fremd wie der Schongang beim Spiel. Lieber günstiges All Inclusive mit der Familie oder alleine Angeln am See.
Manchmal freut sich Alf Mintzel auf die Bundesliga-Konferenz samstags im Fernsehen, schläft aber oft dabei ein, „weil ich dann denke: Ach, so ein Mittagsschlaf eineinhalb Stunden ist doch geiler.“ Die Lust am Fußball leidet aber nicht: „Ich mag das Spiel einfach so gern.“