Erst ein Horrorstart, dann gedämpfte Freude in der letzten Sekunde: Im Relegationshinspiel gegen Ingolstadt unterliegt Wehen Wiesbaden 1:2.
WIESBADEN. Auf dem Feld war es ein Boxkampf, an der Seitenlinie ging es zu wie im Tigerkäfig. Die Fußballer des SV Wehen Wiesbaden mussten im Relegationshinspiel zur Zweiten Liga beim 1:2 (0:1) gegen den FC Ingolstadt zwei Niederschläge hinnehmen. Kaum aus der Ecke raus gingen die Hessen schon nach 30 Sekunden vor 7698 Zuschauern zu Boden. Doch sie standen sofort wieder auf, boten dem cleveren Zweitligisten einen leidenschaftlichen Kampf.
Nach dem Wechsel das gleiche Bild. Wieder trifft Dario Lezcano praktisch mit dem Wiederanpfiff. Wenn es auch ein Tiefschlag war, hätte Schiedsrichter Guido Winkmann die Ausführung des Elfers, der Schütze machte einen Stopp während des Anlaufens, wiederholen lassen können. Der SVWW lag auf den Brettern, taumelte lange. Doch ähnlich wie in den besten Rocky-Filmen stand er spät wieder auf. In der 96 Minute. Zu spät oder noch genau richtig für den Rückkampf? In Ingolstadt gibt es am Dienstag (18.15 Uhr) nochmal mindestens 90 Minuten.
Da benötigt der SVWW aber ein kleines Fußball-Wunder und andere fußballerische Mittel. „Wir haben den Ball zwar gut in den eigenen Reihen gehalten. Aber das reicht nicht“, vermisste SVWW-Trainer Rüdiger Rehm die Zielstrebigkeit im eigenen Spiel. Die Gäste machten es dagegen sehr einfach, aber auch sehr effizient. Lange Bälle auf den 1,94 Meter großen Sturmtank Stefan Kutschke. Der legte mit dem Kopf ab, oft auf den bundesligaerfahrenen Lezcano, der seine ganze Klasse zeigte. Auf der anderen Seite fehlte diese offensive Kaltschnäuzigkeit, der letzte Glaube daran. Der SVWW war mehrmals nah dran, am schönsten direkt nach dem 0:1, als Manuel Schäffler mit einem Fallrückzieher aufs Tor statt ins Tor traf.
Rehm und Oral taxieren sich mit Worten und Blicken
Der Mittelstürmer stand sinnbildlich für den SVWW an diesem Tag. Alles reingehauen, angeschlagen, griff er sich doch schon in der ersten Halbzeit an den später bandagierten Oberschenkel und ohne das nötige Matchglück. „Ich hoffe, wir haben dann am Dienstag dieses Matchglück. Doch wir haben schon öfter Steher-Qualitäten gezeigt. Wir geben erst auf, wenn es vorbei ist“, schaltete Rehm sofort wieder in den Kampfmodus.
In diesem waren die beiden Trainer die ganze Spielzeit über. Der vierte Offizielle Alexander Sather wirkte wie ein Dompteur zwischen den beiden Trainern, die in ihren Coaching-Zonen herumtigerten und sich mit Blicken und Worten taxierten. Ab und zu noch unterstützt von SVWW-Sportdirektor Christian Hock und Ingolstadts Co-Trainer Michael Henke. „Meine Spieler haben sich nicht zu Gelben Karten provozieren lassen“, legte Oral in der Pressekonferenz nach. „Wir werden auch in Ingolstadt keine Gelben Karten provozieren“, schoss Rehm zurück. Die beiden werden wohl keine dicken Freunde mehr. Darauf werden sie aber auch keinen Wert legen.
Im Rückkampf in Ingolstadt wird der SVWW mit offenem Visier kämpfen müssen. Und hoffen, dass ein jeder noch den berühmten Tick mehr zulegen kann. Dass das Abwehrduo Sascha Mockenhaupt und Sebastian Mrowca auch die jeweils ersten Minuten jeder Halbzeit hellwach ist, dass Moritz Kuhn seinen rechten Fuß wieder ein Stück besser justiert hat, dass die Mittelfeldachse mit Patrick Schönfeld und Marcel Titsch Rivero den vertikalen Pass in die Spitze zum richtigen Zeitpunkt spielt, dass die Außenstürmer, gleich ob Maximilian Dittgen oder Nicklas Shipnoski, mehr Durchschlagskraft zeigen, dass vor allem vorne Kyereh und Schäffler richtig stehen und das Tor zur Zweiten Liga doch noch aufstoßen können. Bei „Rocky“ ging es immer gut aus, doch Fußball-Relegation ist eben auch kein Box-Film aus Hollywood.