Nach dem 1:2 gegen Union Berlin muss ein Mentalitätswechsel bei Eintracht Frankfurt her, sagt Makoto Hasebe. Viele Zuschauer ärgerten sich zudem über den Ultra-Protest und Verein.
FRANKFURT. „Das Spiel war wieder genauso wie in den sechs Wochen vor Weihnachten“, hat Makoto Hasebe nach dem 1:2 der Frankfurter Eintracht gegen Union Berlin gesagt. Genauso schlecht hat er gemeint und damit den Nagel auf den Kopf getroffen. Die Frankfurter haben die Chance, sich in der Bundesliga noch einmal in die Nähe der Europacupplätze zu bringen, leichtfertig weggeworfen, mit einer nachlässigen Leistung quasi abgeschenkt.
Und haben dabei offenbar den Spielplan, der ihnen nun mit Werder Bremen, Bayer Leverkusen, Borussia Mönchengladbach und Bayern München eine schwere Aufgabe nach der anderen bringt, völlig außer Acht gelassen. In der Verfassung vom Montagabend sind die Frankfurter eine Mannschaft für den Abstiegskampf, mag Sportvorstand Fredi Bobic dies noch so oft als „lächerlich“ bezeichnen.
Uninspiriert, mutlos, einfach schlecht
Und in dieser Verfassung könnte es am Donnerstag (21 Uhr) selbst schwer werden den 4:1-Vorsprung aus dem Hinspiel der Europa-League gegen den FC Salzburg zu halten. „Wenn wir so spielen wie in der ersten Halbzeit gegen Union, wird es in Salzburg ganz, ganz schwer“, räumte Trainer Adi Hütter ein, „wenn wir so spielen wie im Hinspiel bin ich sicher, dass wir weiterkommen.“
Diese Frankfurter Mannschaft hat zwei Gesichter. Und zeigt immer häufiger das gar nicht schöne, attraktive und begeisternde. Die zweite Halbzeit gegen Köln (2:4), 90 Minuten in Paderborn, die erste Halbzeit gegen Leipzig (2:0), die erste Halbzeit gegen Augsburg (5:0), 89 Minuten in Düsseldorf (1:1), 90 Minuten in Dortmund (0:4) und nun 90 Minuten gegen Union Berlin (1:2): In all diesen Spielen gab es eine Gemeinsamkeit, die Eintracht spielte uninspiriert, mutlos, einfach schlecht.
Es sind also keine Ausrutscher mehr, sondern es wird immer mehr zur Regel. Das ist auch ein Teil die Wahrheit über eine Mannschaft, die nur bei allerhöchster Konzentration in der Lage ist, wirklich gute Spiele abzuliefern und dies immer häufiger nicht schafft. „Wir müssen unsere Mentalität ändern“, sagte Hasebe. Das ist ein echter Alarmruf.
Fast jeder blieb unter Level
Trainer Adi Hütter steckt in einem Dilemma, aus dem er keinen wirklichen Ausweg findet. Zum einen hat er nach der vergangenen Saison die Überzeugung gewonnen, dass nur eine frühere und deutlichere Rotation den Kräfteverschleiß durch die vielen Spiele halbwegs mindern kann. Also versucht er nachvollziehbar häufiger zu wechseln. Und muss dann Woche für Woche feststellen, dass der angeblich so ausgeglichen besetzte Kader größere Veränderungen einfach nicht hergibt und das Team, wenn nicht in Bestbesetzung, deutlich an Qualität verliert.
Gegen Union hatte der Frankfurter Trainer zunächst auf Almamy Touré, auf Sebastian Rode, Djibril Sow und André Silva verzichtet, Stefan Ilsanker war verletzt. Ergebnis: Die Eintracht spielte weit unter ihren Möglichkeiten, auch weil Spieler wie Erik Durm, Dominik Kohr oder Goncalo Paciencia schlicht nicht die Klasse der Stammkräfte haben. Nun wäre es ungerecht, alles auf diese Spieler zu schieben, denn auch vermeintliche Leistungsträger wie Kevin Trapp, David Abraham, die gemeinsam mit Durm beim ersten Gegentor patzten (Trainer Hütter: „Dafür habe ich kein Verständnis“), vor allem Evan Ndicka, der total überspielt wirkt ,oder Filip Kostic, von dem niemand alle drei Tage Topleistungen erwarten kann, weit unter ihrem Level blieben.
Gegen Union Berlin war die Frankfurter Mannschaft keine Mannschaft mehr. Jeder hat für sich rumgewerkelt, ein gemeinsamer Plan war nicht ersichtlich, ein Zusammenspiel in allen Mannschaftsteilen nur in seltenen Fällen. Geradezu dramatisch stellt sich die Lage im Angriff da. Goncalo Paciencia, in der Vorrunde noch bester Schütze und vor kurzem mit einer Vertragsverlängerung belohnt, ist nach Wochen auf der Bank völlig von der Rolle. Bas Dost ist meistens verletzt oder krank. Dejan Joveljic wurde verliehen. Bleibt als einziger Anker André Silva. Der machte nach seiner Einwechslung in der letzten Viertelstunde mehr Wind als alle anderen zusammen vor ihm.
Ein Spiel mit dem Feuer
Dass die Eintracht auf den absehbaren Verlust der „Büffelherde“ im letzten Sommer nicht angemessen reagiert hat, ist ein Vorwurf, den sich die Planer und Bosse gefallen lassen müssen. Der Tanz auf den drei Hochzeiten überfordert die Gruppe ganz offensichtlich. Dabei haben die wahren Stresswochen gerade erst begonnen. Sportvorstand Bobic, mit Manager Bruno Hübner und dem Trainer für die Zusammenstellung verantwortlich, will das so nicht sehen. „Es sind knackige Wochen. Aber wenn die Jungs große Träume und Ziele haben, dann macht ihnen das nichts aus“, sagte er, „es gibt keine Ausreden. Wir wollten das immer so!“
Es ist ein Spiel mit dem Feuer, das die Frankfurter da aufführen. Gewinnbringend in Pokal und Europapokal, aber brandgefährlich in der Liga.
Zuschauer sauer auf "Ultras"
Es passte ins Bild, dass ganz am Ende, als die Partie beendet war, noch eine Pyro-Fackel aus dem eigentlich leeren Fanblock Richtung Spielfeld flog. Warum? Wieso? Weshalb? Das weiß keiner so genau bei der verqueren Logik der Frankfurter Fans, die angeführt von den „Ultras“ mit Abwesenheit gegen Montagspiele demonstriert haben, die ab der Saison 21/22 sowieso abgeschafft sind. Es war ein Protest, der völlig ins Leere gelaufen ist und nur der eigenen Mannschaft geschadet hatte. Zudem hat er zur Spaltung der Anhänger beigetragen, denn es wurde deutlich, dass der Großteil der Zuschauer nicht einverstanden war mit dem Alleingang des harten Kerns und keine Lust hatte, sich von den „Ultras“ und ihrem Anhang vereinnahmen zu lassen.
Ein ganz schlechtes Bild hat dabei der Klub selbst abgegeben. Die Eintracht hat den Protest nicht nur, wie vorher angekündigt „akzeptiert und respektiert“ (Trainer Adi Hütter), sondern er hat ihn aktiv mit begleitenden Maßnahmen unterstützt. Das begann schon damit, dass hinter der Tribüne weitere Bildschirme aufgehängt wurden, damit die „Verweigerer“ das Spiel besser verfolgen konnten. Ganz im Sinne der Protestler wurde von der Eintracht auf das musikalische Programm rund um die Partie gänzlich verzichtet. Weder wurde die Vereinshymne („Im Herzen von Europa“) gespielt noch der Aufheizer von Tankard („Schwarz und weiß wie Schnee“). Auch die Aufstellung wurde eher emotionslos präsentiert.
Begründung von Vorstand Axel Hellmann: „Bei uns entscheiden die Fans, ob sie Stimmung machen – nicht der Vorstand, der Klatschpappen auflegt.“ Hellmann setzt bei allen Konflikten der letzten Jahre konsequent auf den Dialog mit den streitbaren Fans. Darüber wurden zumindest an diesem Montag all jene vergessen, die ohne Verhaltensauffälligkeiten die Eintracht seit Jahren von Herzen unterstützen. Die nicht organisierten Anhänger waren sauer, haben das mit Pfiffen vor dem Spiel und während des Spiels gegen die „Ultras“ und in unzähligen Einträgen in vielen Foren deutlich gemacht. Und die Spieler? Marco Russ deutlich: „Das ging auf Kosten unserer Leistung“.
Von Peppi Schmitt