Es sind Bilder, die kein Eintracht-Fan jemals vergessen wird, Momente, die für immer bleiben. Erleben Sie den Europapokal-Triumph der SGE noch einmal in einer digitalen Zeitreise.
Frankfurt. Nach 42 Jahren holt Eintracht Frankfurt wieder einen internationalen Titel in die Stadt am Main. Am 18. Mai 2022 haben die Hessen in Sevilla Fußballgeschichte geschrieben und bewiesen, dass man im immer stärker kommerzialisierten Milliardengeschäft Fußball auch als Mittelstandsclub erfolgreich sein kann. Ein wichtiger Faktor des Erfolgs war spätestens ab der k.o.-Phase, in der wieder volle Stadien erlaubt waren, das Zusammenspiel zwischen Mannschaft und Fans. Eine unschlagbare Symbiose – im wahrsten Sinne. Denn die SGE verlor auf dem Weg zum Titel kein eines Europa-League-Spiel. Wir blicken auf die Reise der Eintracht bis zum Triumph in Sevilla zurück.
Dieser Rückblick beginnt vielleicht etwas früher als erwartet. Aber um die Ursachen des Siegs der Europa-League zu erforschen, muss man in den Mai 2021 zurückspringen. Nach dem 34. Spieltag war der Frust groß beim hessischen Fußball-Bundesligisten. Die vorher bekannt gewordenen Abgänge von Trainer Adi Hütter und Sportvorstand Fredi Bobic hatten dazu geführt, dass auf den letzten Metern der Einzug in die Champions League (CL) verspielt wurde. Eine historische Chance schien vertan, die Eintracht wurde am Ende „nur“ Fünfter, qualifizierte sich also „nur“ für die Europa League (EL). Zu dem Zeitpunkt konnte niemand erahnen, welche neue historische Chance daraus erwachsen sollte. „Das ist eine Geschichte fürs Leben“, findet Frankfurts Trainer Oliver Glasner. „Die Ursache des Titels liegt im letztjährigen Scheitern. Die Mannschaft ist zurückgekommen, ist aufgestanden und für ihre Beharrlichkeit belohnt worden. Daraus können wir ganz viel lernen. Du kannst scheitern. Aber was machts du draus? Die Jungs haben das Größtmögliche draus gemacht.“
Klicken Sie auf die Vereinswappen, um mehr zu den Spielen zu erfahren.
Die Gruppenphase
Dass dieses „Größtmögliche“ möglich ist, danach sah es aber zu Beginn der Saison erstmal nicht aus. Egal, ob in der Europa League, der Bundesliga oder dem DFB-Pokal (die Eintracht schied in der ersten Runde gegen Waldhof Mannheim aus) – es lief nicht rund bei der SGE. Für die EL-Gruppenphase bekamen die Hessen Fenerbahce Istanbul, Royal Antwerpen und Olympiacos Piräus zugelost. Keine totalen Angstgegner, aber eben auch keine Clubs, gegen die man in Gruppe D einfach mal so durchmarschieren konnte.
Am Ende stand zwar mit 12 Punkten aus sechs Spielen der Gruppensieg für die Eintracht. Der Weg dorthin war aber hier und da von recht viel „Matchglück“ geprägt, wie es Frankfurts Sportvorstand Markus Krösche in der Retrospektive nannte. Zwei der insgesamt drei Siege feierten die Hessen durch Treffer in der Nachspielzeit. Bei Royal Antwerpen erzielte Goncalo Paciencia per Elfmeter in der 90+1. Minute den Siegtreffer.
Gleiches gelang Jens Petter Hauge beim Spiel in Piräus, als der Norweger in der ersten Minute der Nachspielzeit das wichtige 2:1 machte. Wiederum Paciencia war es, der im Rückspiel gegen Antwerpen in der 94. Minute das 2:2 markierte. Einzeln betrachtet sind dies alles Kleinigkeiten. In Summe betrachtet jedoch wichtige Punkte für den Gruppensieg. Der diesmal besonders wichtig war, brachte er doch das Privileg, eine k.o.-Runde zu überspringen, mit sich. Nach der Winterpause startete die Eintracht direkt im Achtelfinale. Der Gegner: Real Betis Sevilla.
Das Achtelfinale
Das Hinspiel gegen Betis Sevilla am 9. März in Andalusien war der Startschuss zu einmaligen Europapokalwochen. Wohl die Wenigsten dachten vor, während oder nach dem 2:1-Sieg bei Betis daran, dass genau zehn Wochen später dort in Sevilla das Finale der Europa League steigt. Bis auf einen. Sportvorstand Markus Krösche. „Bei dem Spiel habe ich das erste Mal gedacht, dass dieses Jahr was möglich ist. Ich habe daran geglaubt, dass wir etwas Außergewöhnliches schaffen können.“
Eine Woche später stand das Erreichen des „Außergewöhnlichen“ jedoch arg auf der Kippe. Wer das Rückspiel gegen Sevilla als Krimi beschreibt, untertreibt keineswegs. Und wieder schlug sie zu, die „Last-Minute-Eintracht“: Es ging mit einem 0:1 nach regulärer Spielzeit in die Verlängerung und alles deutete auf ein Elfmeterschießen hin. Doch dann erzwang Verteidiger Martin Hinteregger regelrecht den Ausgleich – in der 120. Minute.
Trainer Glasner musste sich nach Schlusspfiff erstmal sortieren: „Ich bin noch total geflasht von diesem Spiel. Es war wieder mal die Last-Minute-Eintracht, die wir schon ein paar mal gesehen haben. Beim entscheidenden Tor waren es am Ende bange eineinhalb Minuten. Es wurde ja alles gecheckt, Abseits und Foul. Zum Glück war es ein reguläres Tor.“ Der Frankfurter Traum vom Europapokal ging also weiter und sollte nur wenige Stunden später eine neue Dimension erreichen.
Die Artikel unserer Reporter zum Spiel: Krimi in der Verlängerung Die Stimmen zum Spiel
Das Ekstase-Los
Freitag, 18. März 2022, kurz nach 13 Uhr. Jeder, der es mit der Eintracht hält, hatte seine Mittagspause so gelegt, um die Auslosung des Viertelfinals schauen zu können. Schon in der Nacht nach dem dramatischen Weiterkommen gegen Betis Sevilla träumten die Anhänger laut von einem Hammer- und gleichzeitig Traumlos: Dem FC Barcelona. Kaum vorstellbar, was in Frankfurt los wäre, würden die Hessen diesen Weltclub als Gegner bekommen.
Nur wenige Wochen später sollte sich das herausstellen, denn die Eintracht bekam tatsächlich Barca zugelost. Schnell war die Rede von zwei „Jahrhundertspielen“, die Euphorie war grenzenlos. Über 250 000 Tickets hätten alleine für das Heimspiel verkauft werden können. Die Frankfurter Arena hätte als locker fünfmal voll gemacht werden können.
Und natürlich wollten viele Eintracht-Fans auch beim Spiel in Barcelona an Gründonnerstag dabei sein. Nur wenige Minuten nach der Auslosung schossen die Flugpreise nach Katalonien in unvorstellbare Höhen. Der Anhang musste teils richtig kreativ werden und absurde Anreisewege auf sich nehmen, um bei dem Spiel im Camp Nou dabei zu sein.
Die Jahrhundertspiele
Am 7. April war es dann so weit: Der große FC Barcelona reiste zum Viertelfinalhinspiel an den Main. In und um Frankfurt gab es schon Tage vor der Partie kaum noch ein anderes Thema. Diejenigen Glücklichen, die ein Ticket ergattern konnten, strömten in die Arena im Stadtwald. Der Verkehr in der City und rund ums Stadion war dem Kollaps nahe. Und mancher Fan während des Spiels sicherlich auch. Denn von Anpfiff weg war es hoch emotional, spannend und eng. Die Eintracht war jedoch spielbestimmend und das Stadion explodierte regelrecht, als Ansgar Knauff die SGE in der 48. Minute mit einem Traumtor in Führung brachte. Die Katalanen glichen zwar noch aus (66., Ferran Torres), aber in Frankfurt lebte der Traum vom Weiterkommen.
Voller Zuversicht reisten rund 30.000 Eintracht-Fans eine Woche später nach Spanien. Die Einwohner trauten ihren Augen nicht: So etwas hatte Barcelona noch nicht erlebt. Auch das nicht, was am Abend im altehrwürdigen Camp Nou los sein sollte.
Einem Großteil des Frankfurter Anhangs gelang es, sich Karten für das Spiel zu besorgen. Etwa ein Drittel des riesigen Stadions war also mit Frankfurtern besetzt, die ihrer Mannschaft das letzte Fitzelchen Motivation verpassten. Was dann auf dem Platz geschah, wird in Frankfurt für immer in den Geschichtsbüchern stehen. Nach nur vier Minuten brachte Filip Kostic die Adlerträger per Elfmeter in Führung, Rafael Borré und erneut Kostic stellten aufs zwischenzeitliche 3:0. Unvorstellbar. Dass es hinten raus noch einmal eng wurde und Barcelona auf 2:3 rankam, interessierte am Ende aus Frankfurter Sicht niemanden. In der Stadt wurde die Nacht zum Tag gemacht, bis in die Morgenstunden waren die Straßen Barcelonas voller ausgelassener Frankfurter, die einen historischen Sieg ihrer Mannschaft feierten.
Halbfinale gegen die Hammers
Die Eintracht stand also tatsächlich das zweite Mal binnen drei Jahren im Halbfinale der Europa League. Und es gab so manche Parallele zu 2019, als die Hessen in der Runde der besten Vier auf den FC Chelsea trafen und schließlich dramatisch im Elfmeterschießen an ihm scheiterten. Wieder ging es gegen einen Londoner Club. Und wieder sollte Martin Hinteregger im Rückspiel zur tragischen Figur werden.
Doch von vorne: Anders als 2019 ging’s diesmal zuerst zum Hinspiel in die britische Hauptstadt. Die Euphorie des Frankfurter Anhangs war seit dem Coup gegen Barcelona ins Unermessliche gestiegen. Jedoch reisten deutlich weniger Fans mit nach UK. Das hatte aber auch einen ganz einfachen Grund: West Ham United hatte im Vorfeld angekündigt, sehr strikt bei der Ticketvergabe zu sein. Wer keines der rund 3.000 Tickets aus dem Gästekartenkontingent bekam, hatte kaum eine Chance, das Spiel im Londoner Olympiastadion am 28. April live zu verfolgen. Diejenigen, die dort waren, machten allerdings Lärm für 30.000. Die Eintracht-Fans beflügelten ihr Team einmal mehr. Nach nur 46 Sekunden auf der Uhr zappelte der Ball das erste Mal im Netz. Ansgar Knauff hatte die Hessen in Führung gebracht. Spätestens jetzt war die Londoner Arena akustisch fest in Frankfurter Hand. Die „Hammers“ glichen zwar vor der Pause noch aus, doch Daichi Kamada brachte die SGE in der 54. Minute wieder auf die Siegerstraße.
Es war also alles perfekt vorbereitet. Der Eintracht reichte im Rückspiel vor heimischer Kulisse theoretisch ein Unentschieden, um den Finaleinzug perfekt zu machen. Doch nach nur wenigen Minuten erlitten die Hessen einen Rückschlag. Abwehrchef Martin Hinteregger musste verletzt vom Platz. Ausgerechnet Publikumsliebling "Hinti", der vor drei Jahren bei Chelsea London den entscheidenden Elfmeter verschoss, wurde erneut zum tragischen Helden eines Europa-League-Halbfinales.
Abgesehen davon, war einmal mehr war das „Matchglück“ an jenem 8. Mai auf Seiten der Frankfurter. Nach 20 Minuten kassierten die Londoner eine Rote Karte, waren fortan also in Unterzahl. Das nutzte die SGE für sich und ging durch Rafael Borré nur sechs Minuten später in Führung. Dieser Treffer sollte das Siegtor sein. Der Schiedsrichter hatte die Partie noch nicht richtig abgepfiffen als beim Frankfurter Anhang alle Dämme brachen: Tausende Fans aus der Nordwestkurve stürmten den Platz, wollten mit ihren Idolen den ersten internationalen Finaleinzug seit 42 Jahren feiern.
Die Artikel zum Spiel zum Nachlesen Die Stimmen zum Finaleinzug Der Traum vom Titel lebt Eintracht-Party mit Alkohol, Freudentränen und Wasserwerfern
Das große Finale gegen die Glasgow Rangers
Die Reihe bedeutender Daten in Bezug auf Eintracht Frankfurt muss nun um eines erweitert werden. Der 18. Mai 2022 hat sich in die Köpfe und Herzen aller Eintracht-Fans fest eingebrannt. Der 18. Mai 2022 ist der Tag, an dem die SGE einmal mehr Fußballgeschichte geschrieben hat. An diesen 18. Mai 2022 denken alle, die es mit den Hessen halten, für immer glückselig und mit Freudentränen in den Augen zurück. Denn am 18. Mai 2022 machte sich das aktuelle Team der Frankfurter mit dem Gewinn der Europa League unsterblich.
Kevin Trapp, Rafael Borré, Filip Kostic, Oliver Glasner (um nur stellvertretend ein paar Namen zu nennen) – sie alle haben seit diesem Tag in und um Frankfurt Legendenstatus. Der dramatische 6:5-Sieg nach Elfmeterschießen über die Glasgow Rangers in Sevilla war aus Frankfurter Sicht der Stoff, aus dem Märchen gemacht werden. Nach 42 Jahren holt die Eintracht wieder einen internationalen Titel an den Main und versetzte damit eine ganze Region in den Ausnahmezustand.
So feierte die Mannschaft den Triumph:
Die Mannschaft feierte in Sevilla bis in die Morgenstunden, bevor es per "Europapokal-Sieger-Flieger" nach Frankfurt ging. Dort machten viele Fans einfach durch. Auf eine feuchtfröhliche Partynacht in Sachsenhausen folgte stundenlanges freudiges Warten auf und neben dem Römerberg. Denn hier sollte das Team im Laufe des Abends gebührend empfangen werden. Mit einem Autokorso bahnten sich die Spieler und Verantwortlichen teils im Schritttempo ihren Weg vom Flughafen in die Innenstadt, wo am Straßenrand und auf den großen Plätzen Frankfurts rund 200.000 Menschen ihren Idolen ganz nahe sein wollten. "Ein in jeder Hinsicht epochales Ereignis", fasste Frankfurts Vorstandssprecher Axel Hellmann die Ereignisse zusammen.
Und in der kommenden Saison geht die Frankfurter Reise durch Europa weiter, in der Königsklasse des Fußballs - in der Champions League