Von Flamingos füttern bis zum Selfie mit Meeresschildkröte – immer mehr Menschen möchten im Urlaub ultimative Erlebnisse abhaken. Sogenannte Bucket-Listen dienen der Inspiration.
Von Stephanie von Aretin
Rosafarbene Kitschszene: Die Flamingos am Nakuru-See sind eine der Hauptattraktionen in Kenia.
(Foto: Kenya Tourist Board)
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Bevor du den Löffel abgibst, gib dir noch einmal alles – das ist kurz gesagt das Thema des Films „Das Beste kommt zum Schluss“ mit Jack Nicholson und Morgan Freeman. Auf Englisch heißt der Film „The Bucket List“, denn auf eine Liste schreiben die beiden todkranken Protagonisten ihre letzten Wünsche. Im Deutschen hat sich dafür der Ausdruck Löffel-Liste durchgesetzt, frei nach der oben genannten Redewendung.
„Listen geben Orientierung, Inspiration und Motivation“, sagt Alina Staudner, Redakteurin einer Bucket List beim Berliner Reiseportal Tripdoo. Unter dem Titel „Diese zehn Dinge müsst Ihr zumindest einmal im Leben gemacht haben“ erscheinen Ziele, von denen die 24-Jährige schon mit 16 Jahren träumte. „Auf meiner ersten eigenen Bucket List standen die Maya-Ruinen in Tikal, Guatemala und einmal in einem Baumhaus im Dschungel übernachten“, erzählt sie. Als sie einige Jahre später nach Guatemala reiste, war das eines der schönsten Erlebnisse ihres Lebens. Andere Wünsche, wie das Übernachten im Baumhaus, haben sich nicht erfüllt. „Hoch über der Erde im Dschungel habe ich zwar eine tolle Party gefeiert, aber nicht übernachtet“, erzählt Staudner. „Das darf man nicht so eng sehen – abhaken konnte ich den Punkt trotzdem.“
Natürlich verkaufen Veranstalter Reisen schon immer über das emotionale Erlebnis. Über Lebensziele, Extremsituationen und aktives Miterleben wird diese Strategie noch einmal verschärft. Orte allein ziehen nicht mehr, das Versprechen vom weißen Strand oder dem Eiffelturm in Paris ist zu starr. Stattdessen stehen Gefühle und Erleben noch mehr im Vordergrund: Zum einsamen Strand in Australien gehört das Taucherlebnis in einem der weltschönsten Korallenriffe und zu Paris die unvergessliche Romanze zu zweit. Es geht um Inspiration für ein anspruchsvolles Publikum, das Vieles schon gesehen hat.
EINE BUCKET LIST
In einer kalten Winternacht über die Brooklyn Bridge spazieren.
Mit einem Eremiten über Paarbeziehungen sprechen.
Im lauwarmen Salzsee von Dschibuti baden.
Mit der Karawane durch die Wüste ziehen.
Die Quelle des Nils entdecken.
Zu Pferd die Alpen überqueren.
Den Traumpfaden der Aborigines folgen.
Die Mayatempel in Guatemala besuchen
Mit einem neapolitanischen Sänger tanzen.
Daher spielen die Löffel-Listen im Netz auch mit dem guten Gefühl, ein Urlaubserlebnis abgehakt zu haben, das für andere begehrenswert ist. Das Bedürfnis, eigene positive Erfahrungen der Welt zu präsentieren, und zugleich Tipps und Ideen an andere weiterzugeben, hat auch diesen Trend befeuert. In dem Überangebot erschwinglicher Reisen, das vielen Kunden die Entscheidung für ein konkretes Ziel schwer macht, bieten Listen zudem in kompakter Form Priorisierung. „Wenn ich fünf Wochen Urlaub im Jahr habe und immer schon mal auf den Malediven tauchen wollte, dann weiß ich wenigstens, wofür ich den Rest des Jahres arbeite“, sagt Alina Staudner.
Im Film „Das Beste kommt zum Schluss“ springt der todkranke Jack Nicholson mit dem Fallschirm aus einem Flugzeug, geht auf Weltreise zu den modernen Weltwundern Pyramiden und Tadsch Mahal. Er verfolgt irreal anmutende Träume, wie das schönste Mädchen der Welt zu küssen. Am Ende der Abenteuerliste lernt er, dass nur die Liebe zählt – ein Motiv, das er in seinem Leben zuvor sträflich vernachlässigte.
Die Vorstellung, dass individuelle Extremsituationen und der kommerzielle Massengeschmack zusammen gehen, scheint abwegig und passt doch ganz gut. In den Bucket Listen, die Reiseveranstalter auf alle münzen, erscheinen viele Prototypen unter den Menschheitsträumen: Einmal fliegen? Das geht mit dem Helikopter über Las Vegas, oder im Ballon über Kappadokien.
Spektakuläre Natur hautnah erleben? Das ist unter den Nordlichtern in Island, in Salzwüsten oder Canyon-Wanderungen so gut wie garantiert. Es braucht nur noch eine Husky-Schlittentour oder einen einsamen Spaziergang am frühen Morgen, um das Erlebnis listentauglich zu machen. Jüngere dagegen, freuen sich über Tipps für ausgefallene Festivals von der Wüstenparty in Nevada bis zur Matschlocation in England. Das alles unter der Überschrift: „Was du bis 30 gemacht haben musst.“
„Selbstverständlich triggern wir mit den Listen Orte an, die später über unsere Seiten gebucht werden können“, erklärt Alina Staudner das Konzept. Die Strategie scheint aufzugehen. Durchschnittlich verweilten Leser auf der Bucket List bei Tripdoo drei bis vier Minuten, so die Redaktionsleiterin. „Das ist ein gutes Ergebnis.“
Können derart hoch angesetzte Erwartungen allerdings wirklich erfüllt werden? Oder produzieren Löffel-Listen nicht nur neue Ansprüche an das eigene, perfekt gestylte Leben? Staudner warnt: „Man darf das nicht zu eng sehen. Natürlich gehen manche Wünsche nicht in Erfüllung. „Mehr witzig als ernst gemeint, befreiend statt einengend ist die Bucket List als spielerischer Motivationsschub gemeint. Sie soll Anstoß sein, die eigenen Träume zu leben, ohne daraus neue Zwänge zu schaffen.
Conni Biesalski, selbst ernannte spirituelle Freiheits-Junkie und digitale Zen-Nomadin, fasst in ihrem Blog planetbackpack.de zusammen, was an der Bucket List so toll ist: „Das erinnert dich an dein ganz eigenes persönliches Warum – warum du hier auf dieser Welt bist, was dein Sinn ist. Sie lässt dich klar über deine Träume werden – und gibt dir ein sensationelles Gefühl, wenn du Dinge darauf abhaken kannst.“ Löffel-Listen machen gute Laune. Sie stimulieren positive Gedanken und wecken die Lust aufs Leben. Deshalb folgt nun die ganz persönliche, ultimative Bucket List der Autorin: