Der Bodensee zählt zu den Top-Reisezielen – sehr beliebt ist der Radweg. Weniger bekannt sind die Wanderwege. Einer davon ist der „SeeGang“von Konstanz bis nach Überlingen.
. Schön ist die Seepromenade in Konstanz: Links stehen alte Villen, rechts liegen lauschige Badebuchten. Ab dem Jachthafen wird die Promenade zum schmalen Fußweg – der „SeeGang“-Wanderweg startet genau hier.
Bildergalerie
Auf die Prachtbauten folgt die Blütenpracht, der Weg streift die Blumen-Insel Mainau. Von Tulpen über Rosen bis zu Dahlien: Irgendetwas blüht immer in diesem Pflanzenparadies. Unter den Mammutbaum sollte man sich einmal stellen, seine Größe erspüren. Die Baum-Vielfalt am Bodensee beeindruckt, nicht allein auf der Insel Mainau. Unterwegs beim Wandern gibt es reichlich Gelegenheiten, unter großen alten Linden, Platanen oder Ginkgos ein Päuschen einzulegen. Der Vegetation geht es einfach gut am See.
Und das gilt freilich nicht nur für Pflanzen. Wer am See lebt, der hat es wirklich gut getroffen – auf jeden Fall im Sommer. Strandbäder säumen die Ufer, es gibt einladende Badebuchten und einsame Holzstege, die verheißungsvoll auf den See hinaus führen. Boote schaukeln auf dem Wasser, gemütlich sitzt man in Biergärten – an schönen, heißen Sommertagen.
Was für eine göttliche Gegend, das mag schon Hermann Hesse gedacht haben, als er zwischen 1904 und 1912 in Gaienhofen am Untersee wohnte. Hesse hat die Stimmungen ganz wunderbar in seinem Gedicht „Weiße Wolken“ eingefangen.
Den weißen Wolken je nach Höhenlage mal näher, mal weiter davon entfernt, läuft man auf der 53 Kilometer langen Wanderroute. Sie folgt dem Bogen des Überlinger Sees von Konstanz bis Überlingen, mal oberhalb, mal direkt am Wasser. Nach der Insel Mainau geht’s durch eine Platanenallee, flankiert von Schilf und Riedwiesen. Ein kleiner Aufstieg steht bevor, auf den Bodanrück. So heißt die Halbinsel, die den Überlinger See vom Untersee trennt. Man kommt vorbei an Gärten mit gepflegten Apfelbaumreihen, Kirsch- und Birnbäumen. Immer weiter führt der Weg hinauf bis zum Purren, einem Aussichtspunkt auf 500 Metern Höhe. Ein gutes Stück weit läuft man anschließend noch durch einen Buchenwald. Der See übt jedoch eine magische Anziehungskraft aus, sodass man sich auch vom Waldwandern verabschieden kann und den direkten Weg nach Dingelsdorf nimmt. Das liegt unten am Wasser. Es ist Zeit für eine Bodenseetaufe: Ab ins kühle Nass!
Das Wasser ist so klar und sauber, dass man sich hier schon Sorgen um den Traditionsfisch Felchen macht. Dieser sei so mager geworden, schreiben die Zeitungen, unter anderem weil ihm Nährstoffe wie Algen im Wasser fehlen. Und auch die Konkurrenz schläft nicht: Der Stichling, ein großer Nahrungskonkurrent, vermehrt sich stark und schnappt sich einen großen Anteil der ohnehin schon dürftigen See-Kost.
Der „SeeGang“-Wanderweg zeigt die grüne Seite des 536 Quadratkilometer großen Bodensees, seine dichten Wälder, Streuobstwiesen und Felder – beim weitgehend gemütlichen Wandern. Die Tagesetappen sind zwischen siebeneinhalb und knapp neunzehn Kilometer lang. So bleibt immer wieder Zeit zum Baden, zum Betrachten der Wolkenspiele am Himmel und der Segelboote auf dem Wasser.
Ein ganz besonderes Stück Uferweg ist das Mündungsgebiet der Stockacher Aach, einem Fluss zwischen Bodman und Ludwigshafen. Vier Kilometer läuft man durch Feuchtwiesen und Auenwälder. Das Naturschutzgebiet dient als Rückzugsort für viele Wasservögel wie Teichrohrsänger oder Eisvogel.
Am schönsten ist die vierte und letzte Etappe. Sie führt von Sipplingen bis Überlingen. Morgens kann man von Bodmann aus mit dem Schiff auf die andere Seite nach Sipplingen fahren, und dann erwartet einen sogleich ein gnadenlos steiler Anstieg hinauf zum Haldenhof. Das Ausflugslokal unter Kastanien ist ein schönes Ziel – theoretisch jedenfalls. Dummerweise ist Montag, und da ist die Gastronomie fast überall geschlossen.
Wie einsam es unterwegs doch ist. Es begegnen einem fast nur Einheimische. Ansonsten sind die einzigen Begleiter Stechmücken, die sich freudig auf Wanderer stürzen, wenn diese tief in die Schlucht Hödinger Tobel eintauchen. Nur einzelne Lichtpunkte dringen hier noch durch das dichte Blätterdach, es ist angenehm kühl und riecht erdig.
Auf die Tiefe folgt einer der besten Ausblicke der gesamten Wanderroute. Nämlich am Torkelbühl, bei einer einsamen Linde: Die Halbinsel Bodanrück liegt einem zu Füßen und in der Ferne öffnet sich der See immer weiter. Diese Aussicht genießt man lange, während des Abstiegs über Wiesen mit hohen Gräsern und Mohnblumen. Es geht nah vorbei am Elite-Internat Schloss Salem.
Nur noch wenige Kilometer sind es bis nach Überlingen – vorbei an Parks, Gärten und begrünten Festungsmauern, bis in die historische Altstadt. In der Stadt blühen viele Blumen, sogar Palmen gedeihen hier, sie stehen an der fast fünf Kilometer langen Uferpromenade. Überlingen ist eine alte Stadt mit Traditionen, wie die zweimal jährlich stattfindende Schwedenprozession, die an die Belagerungen durch die Schweden im Dreißigjährigen Krieg erinnert. Eine Prozession zieht dann in Trachten und Gewändern durch die geschmückte Stadt. Am Fährhafen, vor dem renovierten alten Lager- und Kornhaus die „Greth“, ankern Ausflugsschiffe und Fähren. Auf Treppen, die ins Wasser führen, sitzen Menschen, von Enten belagert. Man setzt sich dazu und wartet auf das Schiff zurück nach Konstanz – während der See smaragdgrün schimmert.
Von Karin Kura