Schwimmt ein Hai am Zelt vorbei

Begrüßungsritual auf melanesisch: Nessy Malifa heißt die Gäste in traditioneller Kriegermontur willkommen. Foto: Carsten Heinke

Camping unter Palmen auf einsamen Inseln: Die Fidschis und ihre schillernde Unterwasserwelt sind wie gemacht für Abenteurer und Naturliebhaber.

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. Sanftes Meeresrauschen. Blätter rascheln. Das Bett steht unter Palmen, direkt am Strand. Nur eine dünne Zeltwand trennt es von der tropischen Natur. Ein Inseltraum, der ganz real ist, nur noch etwas graublau von der Nacht. Doch bald wird alles strahlend hell und farbig, denn hinterm Zelt geht jetzt die Sonne auf. Ein neuer Tag, ein neues Paradies. Dieses heißt Drawaqa.

Das kleine Eiland Drawaqa ist Teil des Yasawa-Archipels im Nordwesten Fidschis. Die Insel ist auch bekannt als Barefoot Manta Island. Warum, wird man gleich wissen.

Lärm zerreißt die morgendliche Stille. Lautes Klappern. Schreie. „Mantaaas, Mantaaas“, schallt es durch das Camp. „Bringt die Schnorchelsachen mit“, ruft Tauchlehrer Josh Potier. Schlaftrunken folgt ihm eine Handvoll Gäste und steigt in das Boot. „Die Meerenge zwischen Drawaqa und Naviti ist ein Tummelplatz der Mantarochen“, erklärt der junge Australier.

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Bei günstigen Strömungsverhältnissen sei der Pazifik zwischen den Felsen hier besonders reich an Plankton. Für die Riffmantas, die total auf diese Minitierchen stehen, ist der schmale Ozeankanal eine wahre Schlemmermeile. „Bei der ersten Flut am Morgen hat man die besten Chancen“, weiß Josh. „Auf geht’s“, sagt der 22-Jährige, und alle folgen ihm ins klare, noch etwas kühle Nass. Spätestens jetzt sind alle wach – und bereit fürs erste Abenteuer dieses Tages.

Das lässt nicht lange auf sich warten. Aus dem tiefen, dunklen Blau bewegen sich drei flache Schatten direkt auf die Schnorchler zu. Kraftvoll, jedoch ohne Eile, bewegen sie die mächtigen Flossen, als seien sie fliegende Vögel. Allein ihr breites Maul, das unablässig auf und zu geht, verdient Respekt – selbst wenn Menschen nicht auf ihrer Speisekarte stehen. Bis zu fünfeinhalb Meter Flossenspannweite und – inklusive Peitschenschwanz – fünf Meter Länge kann ein Riffmanta erreichen. Doch bereits diese gut drei Meter breiten Exemplare sind aus allernächster Nähe recht beeindruckend.

Am Mittag geht es nach Kuata Island, vorbei an leinwandreifen Inseln. Von dichtem Tropenwuchs bedeckte Berge, nackte Felsen in bizarren Formen, blendend weiße Strände, umrahmt von Palmen und Lagunen – grün, türkis und blau in allen Tönen zwischen Ozean und Himmel. Tatsächlich wurden nicht wenige Fidschi-Inseln in Filmen verewigt. „Cast Away – Verschollen“ mit Tom Hanks oder „Die blaue Lagune“ gehören zu den bekanntesten.

Wirklich großes Kino erleben Passagiere des Yasawa Flyers, der Fähre, die zwischen den Inseln verkehrt. Highlight ist die Passage von Kuata und Wayasewa. Auf einem rund zwölf Meter hohen Stein dazwischen wird das Schiff nach alter melanesischer Gepflogenheit begrüßt – von einem Krieger. Hoch oben steht er da in seinem Flatterrock, präsentiert die hölzerne Parade-Waffe, schwingt sie über seinem Kopf und tanzt.

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Heute gibt es Kuata nicht nur von fern zu sehen. Unmittelbar vor den komfortablen Gästezelten legt das Boot an. Beim Ankern hilft ein netter Mann in Jeans und Bula-Shirt. Es ist Nessy Malifa, der Krieger auf dem Felsen. Seine Einladung, ihn beim nächsten Begrüßungsritual zu begleiten, wird begeistert angenommen.

Wie es ist, wenn man dort lebt, wo andere Urlaub machen, soll Nessy sagen. „Wir sind hier zu Hause, schon deshalb ist der Ort für uns der schönste in der Welt“, erklärt der 25-jährige Familienvater, der auf der Nachbarinsel Waya wohnt. „Aber wenn Leute wie du um die ganze Welt fliegen, um Fidschi zu sehen, muss es ja wohl das Paradies sein“, fügt er lachend hinzu. Er muss sich beeilen, denn das Schiff ist schon zu sehen. Im Nu erklimmt der junge Melanesier – nur mit etwas Bast bekleidet – den schroffen Brocken aus Millionen Jahren alter Lava und beeindruckt sein entferntes Publikum mit großen Gesten und einer imposanten I-wau-Keule.

Bei deren Anblick fallen einem unwillkürlich wilde Kannibalen-Feste ein. „Diese Waffe hier wurde immer nur zum Tanzen und für Zeremonien verwendet“, sagt Nessy grinsend, als könne er Gedanken lesen. Dass seine Urahnen Menschenfleisch gegessen haben sollen, kann sich der Fidschianer selbst kaum vorstellen.

Tatsächlich Angst davor, verspeist zu werden, hatte William Bligh. Als Kapitän der „Bounty“ von seiner meuternden Mannschaft ausgesetzt, entdeckte der britische Seefahrer 1789 in einer offenen Barkasse als erster Europäer Fidschis Hauptinseln Viti Levu und Vanua Levu sowie die Yasawa-Kette. Das Gebiet dazwischen heißt bis heute ihm zu Ehren Bligh Water. Insbesondere die streng geschützte Vatu-I-Ra Passage in diesem Teil der Südsee gehört zu den weltweit besterhaltenen und artenreichsten Stein- und Weichkorallenriffen.

Großartige Unterwassernatur in kristallklarem Wasser gibt es ebenso in der Nähe von Kuata zu bestaunen. Nicht zuletzt, weil der hier stationierte Meeresbiologe Dr. Thomas Vignaud über Haie promoviert hat, liegt der Schwerpunkt sowohl in seiner Forschung als auch bei den Aktivitäten, die das Barefoot Kuata Resort den Gästen anbietet, auf genau diesen Meeresbewohnern.

„Leider wissen die meisten immer noch viel zu wenig über diese schützenswerten Tiere“, sagt der 32-jährige Franzose. Wer einen Tauchschein hat und keine Angst, dem zeigt er, wie schön und friedlich Bullenhaie sind. Zum Eingewöhnen kann man etwa bei einer Schnorcheltour den kleineren Schwarz- und Weißspitzenriffhaien nahekommen. In der Lagune lassen sich die sich manchmal sogar vom Zelt aus beobachten.

Von Carsten Heinke