Schwäbischen Bäderstraße – die heilende Kraft des Wassers
Durch das Moor, über Steine ins Wasser: Auf den Spuren von Sebastian Kneipp, dem Star der Heilkunst in Wörishofen, der Pionierstadt der Naturheilkunde und umliegenden Kurorten.
Von Manfred Lädtke
Der Barfuß-Parcours im Kurpark von Bad Wörishofen ist seit sieben Jahren Treffpunkt der nackten Füße.
(Foto: Manfred Lädtke)
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„Der Weise erfreut sich am Wasser“, sagt eine chinesische Weisheit. Sie hätte auch aus der Feder von Sebastian Kneipp (1821-1897) fließen können. Für den findigen Weltstar der Heilkunst war das Nass jedoch nicht allein Labsal für Gemüt und Seele, sondern ewiger Quell gegen Krankheit und allerlei Wehwehchen. Als todkranker Student hatte Kneipp die heilende Kraft des Wassers für sich entdeckt und ein bis heute gültiges Erfolgskonzept formuliert. „Unten ohne“ im Storchenschritt durch kniehohes kaltes Wasser schreiten und gelegentlich durchs Moor stapfen, gelten seither als Kernstück Kneipp’scher Gesundheitslehre.
Entwickelt hat der „Wasserdoktor“ seine weltweit anerkannte Heilmethode Mitte des 19. Jahrhunderts im Bauernnest Wörishofen. Weil Frauen bei der Therapie damals ihre Röcke heben mussten, galt die Gemeinde im Allgäuer Schwabenländle als „sündiges Dorf“, zählte aber 1893 schon 32 000 Kurgäste. Heute darf sich das elegante Bad Pionierstadt der Naturheilkunde nennen. Wörishofen ist eines von neun Mitgliedern der Schwäbischen Bäderstraße. Fesch schaut er aus: Barfuß, in Lederhose und mit zum Zopf gebundenen grauen Rasterhaaren könnte Toni Fenkl die optisch coole Variante des berühmten Schwaben sein. „Schuhe aus und immer der Nase nach“ führt der Guide seine Gäste auf Barfußpfaden in einen Aromagarten im nahen Kurpark. Wie die Duft- und Heilkräuter, so wirke auch Wasser als natürlicher Reiz und fördere lindernde Reaktionen des Körpers, erklärt Toni und taucht seine Arme langsam in ein Betonbassin mit kaltem Wasser. Der „Kneippsche Espresso“ rege an, aber nicht auf. Nach 30 Sekunden beendet Toni das Armbad, andere in der Gruppe schaffen gerade einmal zehn Sekunden. Ein bis zwei Mal am Tag könne jeder auch zu Hause seine Arme in eine 10 bis 14 Grad kalte Wasserschüssel tauchen, um richtig wach zu werden, den Herzmuskel zu durchbluten und den Stoffwechsel anzuregen. Wenn das Kältegefühl spürbar wird: abbrechen. Mehr als 40 Sekunden halte es ohnehin niemand in der gefühlten „Eisschale“ aus.
Unterwegs zu einem moorigen Schlammloch erzählt der Barfußführer von Kneipps Jugendjahren: Die Sommer habe der junge Sebastian oft als Viehhüter auf der Weide verbracht. Ohne Schuhe über Felder und Wiesen zu laufen war für ihn das Natürlichste auf der Welt. Nur die Winter setzten dem Jungen zu. Jahrelanges Weben im feuc hten Keller des Elternhauses forderte schließlich seinen Tribut. Von Tuberkulose geschwächt, schreibt er sich an der Universität München für Theologie und Philosophie ein, besucht jedoch kaum eine Vorlesung. Fast am Ende seiner Kraft entdeckt der Student in der Bibliothek ein Buch, das Lungenkranken empfiehlt, morgens und abends in einem kalten Quell oder Fluss zu baden. An einem Novembertag steigt Sebastian zum ersten Mal in die eiskalte Donau. „Kaltes Wasser bringt Kraft und Frische in meinen Körper zurück“, notiert er. Kneipp wird gesund und besteht sein Examen. Während Ärzte ihn des Hokuspokus bezichtigen, ist der Theologe von der Heilkraft des Wassers überzeugt und entwickelt alternative Heilmethoden.
Der Barfuß-Parcours im Kurpark von Bad Wörishofen ist seit sieben Jahren Treffpunkt der nackten Füße. Foto: Manfred Lädtke
Ein Armbad im kalten Wasser ist der „Kneippsche Espresso“. Foto: Manfred Lädtke
„Lügen-Brunnen“ in Bad Saulgau. Foto: Bad Saulgau
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Als die ersten „Schwarzfußindianer“ wieder aus der Moorgrube steigen und sich tapfer mit nackten Füßen über einen Steinparcours plagen, gibt Toni ganz im Sinne von Kneipp zu bedenken: „Quäle deinen Körper, sonst quält er dich.“ Zu viel Gesundheit sei aber ungesund. Der „kalte Halsguss“ in einem Biergarten sei ganz sicher auch im Sinne des Pfarrers und Lehrers Kneipp.
Auf der 180 Kilometer langen Wellness-Straße zwischen Bad Wörishofen und Überlingen entspannen Gäste in einer 42 Grad heißen Moorwanne ihre Muskulatur. Damit der flüssige Torf seine wohltuende Wirkung auf die Haut auch nach dem Bad entfalten kann, bleibt die Seife im Kulturbeutel, nur abspülen ist erlaubt.
INFORMATIONEN
Die Schwäbische Bäderstraße erstreckt sich vom bayerischen Bad Wörishofen durch Baden Württemberg bis an den Bodensee. An der 180 Kilometer langen Strecke liegen neun Kurorte.
Anreise mit der Bahn: Ab allen deutschen Bahnhöfen mit ICE und IC ab 29 Euro. Informationen sowie Broschüren zum Bäderradweg und Wohnmobilurlaub: www.schwaebische- baederstrasse.de.
Unterkunft: Im mittelalterlichen Stil eingerichtet ist das zum Ritterkeller gehörende Hotel „Arthus“. DZ ab 109 Euro, www.ritterkeller.de. Meditative Stille erwartet Gäste in der „Kuroase“ im 162 Jahre alten Dominikanerkloster, dem Geburtsort der Kneipp-Kur. Pro Person im DZ ab 71 Euro, www.kuroase-im-kloster.de.
Pauschalreise: Ab 329 Euro für drei Tage im DZ plus Anwendungen. Ein Paket-Angebot für eine Nacht / DZ kostet ab 107 Euro. www.schwaebische-baederstrasse.de/kneipp- pauschalen. Barfußführungen im Kurpark in Bad Wörishofen, www.bad-woerishofen.de. Die Torfbahn in Bad Wurzach fährt bis Oktober in jedem Monat an einem Samstag und Sonntag. www.torfbahn.de. Kulinarisches: Ritteressen im Ritterkeller von Aulendorf ab 33,90 Euro.
Literatur: Sebastian Kneipp: „Meine Wasserkur – so sollt ihr leben“, Narayana Verlag, 511 Seiten kosten 14,95 Euro. ISBN 978-3-8304-3850-2.
Im „Haus am Stadtsee“ von Bad Waldsee servieren flinke Hände schwäbische Spezialitäten wie Schupfnudeln, Flädlesuppe sowie Obst und Gemüse. Zwar „predigte“ auch Kneipp gesunde Ernährung, scherte sich aber einen Deibel um Diäten und Askese. „Oifach babbsadd“ zu werden war aber auch nicht sein Ding: „Wenn du merkst, du hast gegessen, dann hast du schon zu viel gegessen.“ Derweil berichtet der Kurchef, dass das Projekt „Bäderstraße“ keine Schnapsidee war sondern aus einem kommunalen Schulterschluss hervorging, der sich zunächst gegen den Lärm eines dann stillgelegten Militärflughafens richtete.
Nahezu geräuschlos und „elektrisierend“ ist eine E-Bike-Tour vorbei an adretten Gärten, durch blühende hügelige Wiesen und durch kleine von Bächen durchzogene Wäldchen ins 12 Kilometer entfernte Aulendorf. Ein Seitensprung auf leisen Reifen hat hier durchaus seinen Reiz.
Ins schwäbische Oberland nach Aulendorf kommen Ausflügler erstens, um zu baden wie „Gott in Schwaben“ und zweitens, um zu essen und zu trinken wie die alten Rittersleut’. Die Schwaben-Therme verbindet unter ihrem gläsernen Kuppel-Schiebedach auf 900 Quadratmetern ein Thermal- und Freizeitbad samt Kinderklub. Gleich um die Ecke des einst wehrhaften Schlosses Aulendorf führt ein klobiges Kellergewölbe Gesundheitsbewusste auf ebenso schmackhafte wie kalorienreiche Abwege. Unerwünschten messbaren körperlichen Folgen einer deftigen, mittelalterlichen Tafelrunde entkommt am ehesten, wer sich am nächsten Morgen auf seinen Drahtesel schwingt und weiter radelt. Zum Beispiel nach Bad Saulgau. Täglich sprudelt dort bis zu 1,5 Millionen Liter schwefelhaltiges Wasser aus 650 Meter tiefen Quellen. Beste Aussichten für die Gesundheit warten schließlich auch am Ende der Wellness-Tour am Bodensee in Überlingen – dem jüngsten Zuwachs der „Schwäbischen“ Bäderstraße.