Touristisch gesehen ist Pakistan ein weißer Fleck. Anne Steinbach und Clemens Sehi sind dorthin gereist. Über ihre Reise haben sie ein Buch geschrieben.
. Eine Reise nach Pakistan ist nicht unbedingt das, was der Durchschnittsdeutsche sich unter Urlaub vorstellt. Anne Steinbach und Clemens Sehi haben das Abenteuer gewagt und sind knapp einen Monat lang durch ein Land gereist, das hierzulande hauptsächlich mit Terrorismus assoziiert wird.
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Liebe Frau Steinbach, lieber Herr Sehi, wieso wollten Sie ausgerechnet nach Pakistan reisen?
Sie: Wir haben ein Faible für die missverstandenen Länder dieser Welt, waren schon im Libanon, im Senegal, im Iran, ich war an der Elfenbeinküste und in Äthiopien. Die Lage in Pakistan haben wir vor unserer Reise zwei Jahre beobachtet. 2018 hatten wir das Gefühl: Sie hat sich stabilisiert. Jetzt fühlt es sich gut an, jetzt fliegen wir hin und lernen dieses Land kennen. Wir wollten sehen, wie es wirklich in Pakistan ist. Das ist ein Entdeckerinstinkt. In diese Länder zu reisen bedeutet auch, dass es nicht viele Informationen gibt. Man kann dort Sachen selbst entdecken.
Er: Es ist ein Schritt zurück zum echteren Reisen. Wir mussten alles selbst vor Ort herausfinden. Und das hat es für uns umso spannender gemacht, umso aufregender.
Über Pakistan gibt es keinen Reiseführer und kaum Reiseberichte. Mit welchen Erwartungen sind Sie denn dorthin gereist?
Sie: Wir hatten keine konkreten Erwartungen. Alles, was wir vorab gemacht haben war, die Flüge und die ersten beiden Übernachtungen in Islamabad zu buchen. Die Route haben wir vor Ort gesteckt und Etappe für Etappe geplant. Wir hatten uns nur eines fest vorgenommen: Wir wollten in den Norden und die Berge des Himalaya sehen. Das ist auch das, was die meisten von Pakistan im Kopf haben, die sich schon auf touristischer Ebene mit dem Land beschäftigt haben: Der Anblick des Nanga Parbat und diese wahnsinnig schöne Berglandschaft.
Außerdem haben wir uns Pakistan ein bisschen so vorgestellt wie Indien – nur weniger voll. Das darf man natürlich keinem Pakistaner sagen.
Er: Man kann die beiden Länder als Reiseländer natürlich nicht vergleichen. Aber tatsächlich war an unserer Vorstellung etwas dran. Pakistan wirkte an vielen Orten, vor allem in den Großstädten, ein bisschen sortierter. Ein bisschen aufgeräumter als Indien.
Unser Bild von Pakistan ist geprägt von Nachrichten über Terrorkeimzellen und Anschläge. Das Auswärtige Amt rät nicht generell von Reisen nach Pakistan ab. Es gibt aber Reisewarnungen für einige Gebiete. Und es gibt Orte, die man sofort mit Terror assoziiert. Abbottabad zum Beispiel. Die Stadt, die die meisten mit dem 2011 dort getöteten Terroristenführer Osama Bin Laden verbinden. Dort sind Sie auf dem Weg in den Norden durchgefahren. Reist da ein mulmiges Gefühl mit?
Er: Wir sind nicht gezielt in ein Gebiet gereist, das als Terroristengebiet gilt. Wir wollten uns nicht in Gefahr begeben. Aber wenn man in den Norden und zum Nanga Parbat will, muss man da durch. Durch Abbottabad sind wir spät abends mit einem Überlandbus gefahren, und da hat man natürlich ein mulmiges Gefühl im Bauch. Allein beim Anblick des Straßenschildes rattert einem alles durch den Kopf, was man im Fernsehen gesehen hat. Ein Grundgefühl der Gefahr ist da, aber es ist nicht so, dass sie sichtbar ist. Abbottabad ist eine Stadt wie viele andere auch. Die hat eine Geschichte, ja. Aber man sieht nur eine sehr lebendige Stadt, die auch nachts noch ein wildes Markttreiben hat.
Sie: Im Norden ist die Polizei sehr präsent. Kaum waren wir auf unserem Weg über die Grenze zu Gilgit-Baltistan gefahren (Anm: ein Sonderterritorium Pakistans und Teil der umstrittenen Region Kaschmir), hatten wir gefühlt alle hundert Meter eine Kontrolle. Wir haben davon nicht viel mitbekommen, weil der Busfahrer das erledigt hat. Aber als wir in Islamabad die Tickets gekauft haben, mussten wir 20 Passkopien abgeben. Jeder von uns. Nur für die Fahrt in den Norden. Der Busfahrer musste ständig diese Kopien rausgeben. Pakistan schützt dieses Gebiet enorm – für Touristen und natürlich auch für die Einheimischen.
Frau Steinbach, es war nicht Ihr erstes muslimisches Land. Wie war es, als Frau durch Pakistan zu reisen?
Sie: Man sieht in Pakistan ganz wenige Frauen auf der Straße, weil es nicht üblich ist, dass Frauen allein raus gehen oder Erledigungen machen. Deshalb war ich häufig die einzige. Daran musste ich mich gewöhnen. Ich habe auch nur bestimmte Klamotten eingepackt: zum Beispiel nichts körperbetontes, nichts, das Dekolleté zeigt. Es gibt aber in Pakistan keine Kopftuchpflicht. Das Kopftuch habe ich nur getragen, wenn ich der Meinung war, wir sind in einem sehr konservativen Gebiet, oder alle Frauen um mich herum sind vollverschleiert.
Die Männer waren überhaupt nicht aufdringlich. Aber sie haben mich auch nicht beachtet. Wenn Gruppenfotos gemacht wurden, wurde ich höflich darum gebeten, aus dem Bild zu gehen.
Er: Aber wenn eine Entscheidung getroffen werden musste oder verhandelt wurde und Anne das Wort ergriffen hat, haben ihr alle zugehört. Und häufig wurde alles genauso gemacht wie Anne es gesagt hat. Als würden alle denken: Die Frau spricht, dann muss es was zu bedeuten haben.
Wie haben Sie sich denn verständigt?
Er: Die Pakistaner sprechen genau wie die Inder ziemlich gutes Englisch. Ich würde behaupten, dass auch der Akzent teilweise sehr ähnlich ist. Vor allen Dingen ist das Vokabular sehr gut.
Pakistans touristische Infrastruktur ist noch entwicklungsbedürftig. Pauschalangebote und Reiseveranstalter gibt es nicht. Wie haben Sie Ihre Reise geplant?
Er: In Pakistan lässt sich genauso backpacken wie in Indien oder in vielen Ländern Südostasiens. Tatsächlich ist die touristische Infrastruktur nicht so gut. Es gibt in den meisten größeren Städten aber Unterkünfte. Viele davon sind Guest Houses, also Gasthäuser. Die haben wir uns gesucht. Das erste haben wir online gebucht, über booking.com. Dann haben wir uns immer weiter geangelt.
Was das Herumreisen angeht: Man kann sehr gut Zug fahren. Es gibt auch Überlandbusse, die sind sehr günstig. Und in den Städten – außer Islamabad – gibt es Rikschas. Es gibt in ganz Pakistan auch Uber, und die arabische Variante. Sogar die Rikschafahrer benutzen diese Plattformen. Man kann sich per App eine Rikscha bestellen.
Sie: Man kann auch fliegen, wir haben auch einen Inlandsflug gemacht um Zeit zu sparen. Letztendlich ist von der Infrastruktur her alles da. Es gibt nur noch keine Informationen darüber.
Wem würden Sie eine Pakistan-Reise empfehlen?
Er: Pakistan ist kein Reiseland für Individualreise-Anfänger. Wahrscheinlich ist es nicht verkehrt, wenn man schon mal in einem muslimisch geprägten Land war. Sonst kann Pakistan überfordern. Empfehlen kann ich es aber ansonsten wirklich jedem, der Reisen liebt. Es sei denn, die Sicherheitslage verändert sich. Pakistan hinterlässt ein wunderbares Gefühl. Das hat auch mit den Menschen zu tun. Wir sind noch nie so gastfreundlichen Menschen begegnet und mit so offenen Armen empfangen worden. Nicht einmal im Iran.
Sie: Deshalb ist auch unser Buch entstanden: Weil wir mit einem Koffer voll Geschichten wiederkamen, die nur entstanden sind, weil wir die Leute kennengelernt haben und weil sie uns an ihrem Leben haben teilhaben lassen.