Am Inlesee manövrieren die berühmten Einhandfischer ihre schmalen Boote. Foto: Hubert Kemper
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Myanmar? Khin Maung Ooo lächelt sanft und widerspricht. „Für mich heißt es wieder Burma.“ Myanmar, dieser Name stamme aus der dunklen Zeit, als eine Militärjunta das Land vom Rest der Welt abschottete und wirtschaftlich ausbluten ließ. „Die Herrscher von damals regieren heute ohne Uniformen“, sagt Reiseleiter Khin mit ironischem Unterton. Aber die Reformen mit der Öffnung für Touristen und Investoren zeigen Wirkung. Burma alias Myanmar entfaltet seine bezaubernde Wirkung.
Startbasis der meisten Rundreisen ist Yangon. Koloniales britisches Erbe und Armut einer wuchernden Tropen-Metropole prallen aufeinander. Ob bekannt sei, dass die Hauptstadt nicht Yangon, sondern Naypyidaw („Stadt der Könige“) heißt, fragt Mr. Khin. Verblüfftes Kopfschütteln. In aller Heimlichkeit hatten die um ihre Sicherheit besorgten Militärs 2005 ihren Regierungssitz in einen Provinzort 300 Kilometer nördlich von Yangon verlegt – mit achtspurigen, autofreien Straßen und einer Ausdehnung von der fünffachen Größe Berlins. Ein verrückter Kontrast zum wuselig-bunten Yangon und seinem Verkehrschaos, in dem sich Fahrrad-Rikschas, barfüßige Mönche und das Heer japanischer Importautos mit Rechtslenker (im Rechtsverkehr) stoisch ihren Weg bahnen.
Unübersehbar erhebt sich die Shwedagon-Pagode über die Häuserkulisse von Yangon. Der Besuch ist vielleicht schon der Höhepunkt jeder Myanmar-Reise. Die Birmanen verstehen sich gern als Lieblingsvolk Buddhas. Und diese Pagode gilt als Symbol ihres Landes und als Pilgerstätte für Buddhisten aus aller Welt. „Schuhe und Socken ausziehen“, heißt es am Eingang. Das verlangt der Respekt vor Buddha und seinen strengen irdischen Wächtern. Doch das kleine Zugeständnis lohnt sich. Der betörende Glanz des Goldes, der helle Klang vom Wind bewegter Glöckchen und der gleichförmige Singsang der Mönche verzaubern die Sinne. Rund 2 500 Jahre alt soll die Pagode sein, tonnenschwer ihr Goldschmuck. Einen erhabeneren Ort der Ruhe und Meditation kann man sich kaum vorstellen.
INFORMATION
Beste Reisezeit: Ende November bis Ende Februar.
Visum: Beantragung über Reiseveranstalter oder Botschaft.
Veranstalter: Gebeco bietet die Rundreise „Myanmar privat“ mit Fahrer, Limousine und Reiseleiter ab 1 795 Euro pro Person an, www.gebeco.de.
Shwedagon ist eine Tempelstadt, irritierend schön, aber überschaubar. Nichts im Vergleich zu Bagan. Sage und schreibe 3 327 Tempel bedecken ein Areal von 40 Quadratkilometern. Kein Platz in Burma zeigt eindrucksvoller, wie tief die Kultur des Landes vom buddhistischen Glauben durchdrungen ist. Die savannenähnliche Landschaft ist übersät mit Pagoden und Klöstern aus rotem Ziegel, die Zeugnis ablegen von der Bedeutung des ersten birmanischen Reiches (ab 1004), noch mehr aber vom Streben, im Diesseits für ein gutes Leben nach der Wiedergeburt vorzusorgen. Wer eine Stupa, eines jener rätselhaft aufgebauten hügel- bis turmförmigen Gebilde mit einer herausragenden Spitze, bauen ließ, durfte sich gute Chancen für das Leben danach ausrechnen. „Bei uns dreht sich alles um das Nirwana“, also die Befreiung von Leid und Sorgen, erklärt Khin die Spendierfreudigkeit seiner Landsleute.
Buddha lächelt. Überlebensgroß ist die goldene Figur mit der besänftigenden Handhaltung. Doch tritt man ihr näher, bekommt das Gesicht einen ernsten Ausdruck – jedenfalls hier, im Ananda-Tempel. 1090 wurde das Bauwerk, das in seinem Inneren den Eindruck einer Grotte aufkommen lässt, vollendet. Im äußeren Korridor illustrieren 80 Sandsteinreliefs das Leben Buddhas von seiner Geburt bis zur Erleuchtung. Taschenlampen erhellen die Illustrationen und unsere Hände erfühlen, dass die Baumeister vor über 1 000 Jahren ihre Kunstwerke aus Milliarden Backsteinen errichtet haben.
Wer Bagan in seiner Größe und Vielfalt erfassen will, sollte ein Fahrrad oder ein Moped leihen, vielleicht auch eine Droschkenfahrt unternehmen. Der Zauber der Pagodenwelt erschließt sich am intensivsten bei Sonnenuntergang – auf luxuriöse Weise per Ballonfahrt, auf eher rustikale Art durch Bezwingen steiler Stufen der annähernd 1 000 Jahre alten Shwesandaw-Pagode. Im Gedränge fotografierender Touristen heißt es dann in 30 Metern Höhe zusammenzurücken, wenn die Sonne in der klaren Luft glutrot versinkt und die Tempelkulisse in ein mystisches Licht taucht.
Auf dem Land scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Wasser muss vom Brunnen herangetragen werden, Strom gibt es nur wenige Stunden am Abend, wenn der Generator anspringt, Büffel und Holzpflug ersetzen Motorkraft. Auto-Fahrten erfordern Geduld. Viele Straßen sind nur Flickwerk, mittelalterliche Mautschranken in vielen Ortsdurchfahrten erzwingen Zwangsstopps. „Wir haben Jahrzehnte verloren“, klagt Reiseleiter Khin. Der muntere 72-Jährige hat seine Deutsch-Kenntnisse als Chemieingenieur bei Hoechst in Deutschland erworben und klagt nun über die marode Infrastruktur in seiner Heimat.
Doch gern hält man freiwillig am Straßenrand. Junge Mönch-Novizen werden für den Eintritt in das Klosterleben festlich eingekleidet, Ochsen drehen gleichmütig Dauer-Runden an urtümlichen Sesamöl-Mühlen, aufgeregte Männer stehen im Bann von Hahnenkämpfen, an unzähligen Kochstellen qualmen Holzfeuer. Freundlich lächelnd und anscheinend unvoreingenommen begegnen die Menschen unserer Neugierde. „Minglaba“ („Guten Tag“) heißt es zur Begrüßung, dann folgt die Einladung auf ein Glas Palmwein. „Kjesubä“ („Danke“). Unsere Gastgeberin Daw Yun Nu hat ihr Gesicht mit Tanaka, einer aus Baumrinde gewonnenen Paste eingerieben. Sie soll die Haut jung halten und vor der Sonne schützen. Ihr Dorf Myinkabar hat die 63-Jährige noch nie verlassen. Auch Mandalay, die nahe gelegene zweitgrößte Stadt Burmas, kennt sie nicht.
Es ist noch kalt am frühen Morgen, doch am Ufer des Ayeyarwady herrscht schon hektisches Treiben. Frauen und Männer erklimmen mit schweren Lasten das steile Ufer. Der mächtige, 2 170 Kilometer lange Strom ist die Lebensader Myanmars. An seinem Ufer haben die Menschen ihre Hütten errichtet. Das nächste Hochwasser werde sie fortspülen, sagt Mr. Khin. Mit dem Boot geht es ein Stück flussaufwärts. Schon von Weitem sichtbar erhebt sich die Mingun-Pagode, ein kolossales Bauwerk aus 40 Milliarden Backsteinen. Tausende Fronarbeiter haben es 1790 zu Ehren von König Bodawpaya errichtet. Es sollte mit 152 Metern die höchste Pagode der Welt werden. Doch nach dem Tod des Königs 1819 wurden die Arbeiten eingestellt, später gab ein Erdbeben dem riesigen Ziegelhaufen den Rest. Fast geblendet steht man vor der Hsinbyume-Pagode. Im gleißenden Sonnenlicht erstrahlt das weiße Heiligtum. Sieben mit Wellen geschmückte Terrassen stellen die sieben Meere dar, von denen nach buddhistischem Glauben der Berg Meru, das Zentrum der Welt, umgeben ist. So viel Schönheit droht die Sinne zu betören. Doch die vielen Souvenir-Verkäufer holen uns schnell zurück in die Wirklichkeit – wie die kesse zwölfjährige Ma Sanar Oo. „Da bin ich wieder“, sagt sie bei der Rückkehr am Bootsanleger. Die paar Brocken Deutsch, Englisch, Französisch und Italienisch hat sie von den Touristen aufgeschnappt. Ihrem Sprachtalent und Lächeln kann man nicht widerstehen. Für zwei Dollar wechselt der Armreif den Besitzer.
Ebenso wie Bagan war Mandalay einst Hauptstadt eines großen Reiches. Ein wunderbares Relikt ist der „Goldene Palast“, in dem König Mindo bis 1876 zu seinem Tod lebte. Er hatte angeblich 43 Frauen und offiziell 104 Kinder. Mindos kunstvoll vergoldete Residenz ist eine Oase der Ruhe in der chaotischen, lauten Millionenstadt Mandalay. Gern würde man in die Kühle der nahen Berge flüchten, wie einst die englischen Kolonialherren und heute die Militärs, doch wo sonst sieht man Goldschläger? Es sind junge, muskulöse, nur mit Lendenschurz bekleidete Männer, die rotierend mit schweren Hämmern Gold zu hauchdünnen Plättchen verarbeiten. Damit überziehen die Gläubigen Stupas und Buddha-Statuen im gesamten Land. Und in der Kyauk Sit Tan, in der Straße der Steinmetze, werden ohne Mundschutz Buddha-Statuen in allen Größen gefräst und gemeißelt. Der feine Marmorstaub hat auch die Bäume weiß überzogen.
Das Beste sollte man sich für den Schluss aufbewahren. Am Inlesee entfaltet Myanmar jenen Zauber, der das Land trotz steigender Touristenzahlen immer noch einzigartig macht. Abendnebel hat einen sanften Schleier über das Wasser gelegt. Aus einem nahen Kloster hört man die Gebete der Mönche. Silberreiher fliegen in Formation über den See. Fischer balancieren auf ihren schmalen Booten. Einen Fuß schlingen sie um das Ruder und bewegen es im Stehen. Auf diese Weise bleibt stets eine Hand zum Fischen frei. So manövrieren die berühmten Einhandfischer in den schmalen Kanälen zwischen schwimmenden Gärten und den Stelzenhäusern, wo 30 000 Menschen leben. Seegras und Schlamm aus dem nur drei Meter tiefen See bilden idealen Dünger. Über Kanäle und durch Stromschnellen des Bilu-Flusses führt der Weg nach Indein. Frauen des Pao-Stammes mit leuchtend roten turbanähnlichen Kopftüchern bestimmen in dem abgelegenen Dorf das Bild. Ziel ist ein malerisches Pagodenfeld mit über 1 000, teils zugewucherten Stupas.
Ob wir keinen Pagoden-Koller erlitten haben, fragt Mr. Khin mit verschmitztem Lächeln beim Abschied. Nein, Myanmar bietet ja viel mehr. Es ist vor allem der Charme der Menschen, der nachwirkt. Die Birmanen wiegen sich zurecht im Glauben, Buddhas Lieblingsvolk zu sein. „Noch“, warnt Mr. Khin. „Mit dem Geld, das jetzt ins Land kommt, ändern sich auch die Menschen.“