Es hat ein bisschen was von der Unterwasserstadt Atlantis: In der Emirat-Metropole können Hotelgäste unter Wasser nächtigen, und beim Einschlafen exotische Fische beobachten.
Von Helge Sobik
Snack auf dem Trockenen: Tischchen am Schlafzimmerfenster der Unterwasser-Suite im „Atlantis The Palm” in Dubai.
(Foto: Helge Sobik)
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Alan Aguilar arbeitet als Fensterputzer. Er muss dabei Tauchermaske, Pressluftflasche und Neopren tragen. Und manchmal muss er mit der linken Hand ein paar Papageienfische verscheuchen, wenn er mit der rechten die Gummilippe über die drei Mal drei Meter große Scheibe knapp oberhalb des Meeresbodens zieht. Oder er muss einen Rochen vorbeilassen.
Der Mann von den Philippinen, der ursprünglich mal Tauchlehrer war, hat sich schnell daran gewöhnt: Er sorgt dafür, dass die Bewohner der beiden Unterwasser-Suiten im „Atlantis The Palm“ in Dubai von Bett oder Whirl-Wanne aus freie Sicht durch die bis zu 77 Zentimeter dicken Scheiben aus speziell gehärtetem Acrylglas in das Innere eines Elf-Millionen-Liter-Aquariums mit 65 000 Fischen haben.
Der Ausblick ist zum Träumen schön, wie ein Tauchgang mit einem Glas Champagner in der Hand, wie ein Spaziergang auf dem Meeresgrund ganz ohne schweres Gerät auf dem Rücken: Leuchtende Fische in allen Farben des Regenbogens ziehen vorbei, sie tänzeln Tag und Nacht durch künstlich gealterte Tempelruinen eines detailverliebt arrangierten Pseudo-Atlantis. Und aus versteckten Boxen schmachtet Louis Armstrong „What a wonderful world“, ein paar Minuten später ruft Frank Sinatra von dort „Oh darling, unforgettable“. Recht haben beide.
Snack auf dem Trockenen: Tischchen am Schlafzimmerfenster der Unterwasser-Suite im „Atlantis The Palm” in Dubai. Foto: Helge Sobik
Wohnbereich der Unterwasser-Suite: Sie reicht über drei Etagen, Schlafzimmer und Bad befinden sich unter der Wasserlinie. Foto: Helge Sobik
Alan Aguilar ist der Mann für klaren Durchblick. Im „Atlantis The Palm“-Hotel in Dubai putzt er die Fenster unter Wasser. Foto: Helge Sobik
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Es gibt nur wenige Hotelsuiten, deren Schlafzimmer-Gardine man gerne die ganze Nacht offen lässt – obwohl sich draußen ein paar Dutzend Zuschauer zusammenrotten, die ungeniert mit ihren kreisrunden Glupschaugen hinein starren. Hier ist das so. Und all die Neugierigen verschwinden erst und auch nur für kurze Zeit, wenn ein paar Rochen an der drei mal drei Meter großen Schlafzimmerscheibe vorbeischrammen und den Schwarm Papageienfische aufmischen.
Wer in Dubai auffallen will, muss so etwas haben, so etwas bauen, immer weiter an der Schraube drehen, noch ausgefallener, verrückter, überdrehter werden – ohne allerdings ins Absurde abzudriften. Für die Fische jedenfalls gibt es keinen sichereren Ort als das Riesenaquarium, denn sie sind wertvolle lebende Deko für die zwei Suiten. Über ihr Wohlergehen wachen Meeresbiologen und ein Heer aus über 100 Fischpflegern: „Sollte Sushi-Meister Nobu aus dem Erdgeschoss des Hotels hier mit Hackebeilchen und Seziermesser auftauchen und in die Becken langen wollen“, scherzt einer von ihnen, „werden wir das resolut zu verhindern wissen.“
INFORMATIONEN
Anreise: Flug von Frankfurt nonstop zum Beispiel mit Emirates ab 420 Euro, www.emirates.de.
Übernachtung: Hotel „Atlantis The Palm“ in Dubai je nach Reisezeit ab 184 Euro pro Zimmer, in der Unterwasser-Suite rund 3300 Euro. Veranstalterangebote liegen z.T. darunter. Das Drei-Gang-Menü im Unterwasser-Restaurant „Ossiano“ mit fast demselben Blick wie aus den Suiten kostet umgerechnet 83 Euro, www.atlantisthepalm.com.
Auskunft: Dubai Department of Tourism, www.dubaitourism.ae.
Buchtipp: Vom Autor dieses Beitrags ist der Reportagen-Band „Dreitausend Stufen in den Himmel – Lesereise Dubai“ erschienen (Picus Verlag, im Buchhandel für 15 Euro).
Insgesamt 20 aufwendig inszenierte große Aquarien gibt es in dem Hotel – allesamt garniert mit jenen künstlichen Ruinen, mit halb umgestürzten Säulen im vermeintlichen Thronsaal der Könige von Atlantis. Zwei steinerne Sessel stehen dort auf dem Meeresgrund, raketenartige Obelisken ragen Richtung Himmel. Verziert sind sie alle mit geheimnisvollen Hieroglyphen. Die erfundene Legende, die eine amerikanische Agentur für das Hotel bis ins Letzte inszenierte, geht so – und wird wahrscheinlich von manchem Gast geglaubt: Bei den Bauarbeiten für die Palme sei man im Persischen Golf auf völlig unbekannte Ruinen einer vor Jahrtausenden untergegangenen technisierten Hochkultur auf dem Meeresgrund gestoßen – und habe beschlossen, die Tempel und Artefakte derart zu konservieren, dass man um sie herum das Hotel errichtete.
Je länger es steht, desto glaubwürdiger dürfte über die Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte diese Geschichte werden. Vorausgesetzt, ganz Dubai ereilt nicht vorzeitig das Schicksal des Atlantis’ aus Platons Überlieferung.
Die Detailverliebtheit ging so weit, dass die erfundenen Hieroglyphen zu einer kompletten Schrift durchdekliniert und anschließend mit sämtlichen lebenden Sprachen und Schriften des Globus’ abgeglichen wurden, damit nur kein Fantasiewort einen wirklichen Sinn oder gar ein Schimpfwort ergibt.
Jene beiden Unterwasser-Suiten im „Atlantis The Palm“ sind seit der Eröffnung des Hotels fast immer ausgebucht: zu Preisen von umgerechnet rund 3300 Euro pro Nacht. Beklemmend ist derweil der Gedanke an all das Wasser vorm Fenster der vermeintlich untermeerischen Suite, die sich über drei Etagen erstreckt, zu keinem Zeitpunkt. Eher beruhigt der Blick ins gleichmäßige Blau, hinaus auf die Gelassenheit der Fische. Es ist, wie ewig zu tauchen, ohne sich Gedanken über die Füllmenge irgendwelcher Pressluftflaschen machen zu müssen.
Dabei ist so viel Schönheit schlecht für den Schlaf, der Blick so prachtvoll, dass herauszuschauen wichtiger ist als zu schlummern. Schön, dass Butler Pratham auf Knopfdruck noch ein Gläschen Champagner und ein paar Erdbeeren auf dem Meeresgrund serviert. Und dass er Teelichter auf dem Beckenrand des Whirlpools im angrenzenden Badezimmer drapiert – ebenfalls mit Panoramablick in die Unterwasserwelt.
Alan Aguilar kann übrigens von der Wasserseite aus nahezu nichts im Inneren der beiden Suiten wahrnehmen, wenn er die Scheiben reinigt. Zur Sicherheit kündigt der Butler jeden Tag dennoch an, wann ungefähr der Fensterputzer vorbeikommt...
So schwer es übrigens ist, in der Unterwasser-Suite einzuschlafen – so schön ist es, dort wieder aufzuwachen: weil derselbe Ausblick noch immer da ist. Und weil Papageienfische so herrlich leuchten, wenn das Sonnenlicht ins Mega-Bassin hineinscheint, als hätte gerade jemand das Licht im Aquarium angeknipst.
Die Fische dürften den Architekten derweil dankbar dafür sein, dass die dicken Scheiben von der Wasserseite her nahezu unsichtbar sind und ihnen der Anblick gegrillter Doraden mit Broccolischaum und Zitronenbutter erspart bleibt. Auch die Scampis im Tempura-Teig können sie nicht erkennen, die die Butler in Neptun- und Poseidon-Suite auf Wunsch auftragen und die gleich nebenan im Unterwasser-Restaurant „Ossiano“ auf der wechselnden Speisekarte stehen. Wer dort einen Tisch in erster Reihe auf der trockenen Seite der Riesenscheibe reserviert, hat fast denselben Blick wie aus den beiden Suiten. Allerdings im Sitzen statt im Liegen und ganz ohne die Badewanne mit den Teelichtern. Aber dafür für einen Bruchteil des Preises.