Wichtig wie Käfer und Golf

Sieht so die Zukunft der Elektromobilität aus? VW bringt sein erstes „echtes“ Elektrofahrzeug auf den Markt, den ID.3. Foto: Volkswagen

Nun gibt es sie also doch, die eierlegende Wollmilchsau im Automobilsektor. „Der ID.3 ist so groß wie Golf, so hoch wie ein Sportsvan, innen fast so geräumig wie ein Passat,...

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. Nun gibt es sie also doch, die eierlegende Wollmilchsau im Automobilsektor. „Der ID.3 ist so groß wie Golf, so hoch wie ein Sportsvan, innen fast so geräumig wie ein Passat, hat den Wendekreis eines Up und die Beschleunigung eines Golf GTI“, fasst VW-Pressesprecher Jochen Tekotte einige Vorzüge des ersten VW-Elektroautos, das nicht von einem Kollegen mit Verbrennermotor abgeleitet wurde, zusammen. Außerdem kann, so exotisch das klingt, der ID.3 in die Zukunft schauen. Ist man mit dem Wagen bei eingeschaltetem Tempomaten mit 100 km/h auf der Landstraße unterwegs, reduziert das Fahrzeug sanft die Geschwindigkeit, weil es weiß, dass in naher Zukunft hinter der nächsten Kurve ein Ort beginnt und da nur noch 50 km/h angesagt sind.

In die Zukunft schauen – das würden auch die Entscheider bei Volkswagen gerne. Konzernchef Herbert Diess hat das Ziel definiert, dass VW zum Weltmarktführer bei der Elektromobilität werden soll – trotz des offensichtlichen Vorsprungs, den sich die Konkurrenz bereits herausgefahren hat. Der ID.3 hat für Volkswagen deshalb in etwa so eine Bedeutung wie weiland der Käfer oder später der Golf. 33 Milliarden Euro werden allein bis 2024 für das Projekt bereitgestellt. Bis 2029 will der Konzern 75 reine E-Modelle auf den Markt bringen.

Aus den Fehlern der Konkurrenz gelernt

Nun ist das erste davon also da, der ID.3 – und einige Runden mit dem Wolfsburger Hoffnungsträger lassen es plötzlich nicht mehr so unwahrscheinlich aussehen, dass das Konzept aufgeht. Egal ob bei der Elektromobilität oder sonstwo: Wer spät dran ist, kann viel verpassen. Er kann aber auch viel von der Konkurrenz lernen – und deren Fehler vermeiden. Der ID.3 mindert zwei Schwachpunkte der Elektromobilität, Reichweite und Preis, so gut es eben geht. Mit der kleinsten Batterie – Reichweite immerhin knapp 300 Kilometer – wird der ID.3 unter 30 000 Euro kosten. Das zunächst verfügbare Einstiegsmodell liegt in der Pro-Ausführung bei 35 574,95 Euro (abzüglich Umweltbonus von 9480 Euro) und weist eine Reichweite von 420 Kilometern aus. Für Vielfahrer ist der ID.3 Pro S gedacht, der mit voller Batterie bis zu fast 550 Kilometer weit kommen soll (ab 40 936,31 Euro abzüglich Umweltprämie). Da der VW-Stromer mit bis zu 100 kW (Pro S: 125 kW) nachlädt, wird das „Tanken“ an den passenden Ladesäulen nicht zu einer stundenlangen Unterbrechung der Fahrt. Der Pro S ist nach 30 Minuten Schnellladepause bereit für 350 weitere Kilometer. Um noch kurz bei den Kosten zu bleiben: Den gegenüber Benzinern immer noch höheren Anschaffungspreisen stehen die geringeren Unterhaltskosten (weniger Bauteile bedeuten schließlich weniger Wartung, beim Laden mit Hausstrom kosten 100 Kilometer weniger als sechs Euro an Energiekosten) gegenüber. VW beziffert die jährliche Ersparnis gegenüber einem Verbrenner auf 600 Euro jährlich. Hinzu komme ein erwartbarer hoher Wiederverkaufspreis.

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Wer sich selbst gegenüber ehrlich ist, muss wohl zugeben, dass die oft als Ausschlusskriterium für E-Autos herangezogene Fahrt zu Tante Gerda in Flensburg nicht dem Alltagsgebrauch eines Stromers entspricht. Für das, was Otto Normalnutzer üblicherweise mit dem Auto zurücklegt, reicht das Laden über Nacht problemlos aus – zumal die beschleunigende Wallbox in ihrer Basisausführung mit 399 Euro auch nicht allzu teuer geraten ist.

Leistungsschwächere Version später erhältlich

Zunächst ist der ID.3 mit 150 kW/204 PS ausgestattet, die erwähnte später folgende Basisversion kann auch mit 107 kW/146 PS geordert werden. Beinahe wichtiger als die 204 PS ist das Drehmoment von 310 Nm, das, wie bei Stromern üblich, vom Start weg erzeugt wird. Wir konnten bei unseren Testfahrten das Prinzip der eierlegenden Wollmilchsau wiedererkennen – wenn auch anders als eingangs geschildert: Der ID.3 erwies sich kraftvoll im Anzug, wendig auf der Landstraße und komfortabel (und so leise!) auf der Autobahn.