Eigentlich müssen Ärzte ihre Patienten informieren, wenn eine Behandlung nicht von der Kasse getragen wird. Foto: Monkey Business - Fotolia
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Oft raten Ärzten ihren Patienten zu Leistungen, die nicht von der Gesetzlichen Krankenkasse übernommen werden – die sogenannten IGeL (Individuelle Gesundheitsleistungen). Worauf in diesen Fällen zu achten ist, erklärt Daniela Hubloher von der Verbraucherzentrale Hessen.
Frau Hubloher, welche Summe umfassen Individuelle Gesundheitsleistungen etwa?
Mit einer Größenordnung von geschätzt einer Milliarde Euro an Umsatz deutschlandweit pro Jahr. Laut repräsentativen Umfragen ist jedem dritten gesetzlich Versicherten in den letzten zwölf Monaten eine IGe-Leistung angeboten worden.
Welche Leistungen betrifft das am häufigsten?
Ultraschall-Untersuchungen, vor allen Dingen beim Frauenarzt, und die Glaukom-Früherkennung sind die Leistungen, die am häufigsten als IGe-Leistungen angeboten werden. Hinzu kommen Verordnungen von Medikamenten, Blutuntersuchungen und diverse andere Leistungen. Frauen- und Augenärzte sind diejenigen, die am häufigsten IGe-Leistungen erbringen. Fachärzte bieten wesentlich häufiger IGeL an als Allgemeinmediziner.
DIE EXPERTIN
Daniela Hub-loher ist Patientenberaterin bei der Verbraucherzentrale Hessen.
Sind IGe-Leistungen generell nützlich oder generell unnütz?
Das kann man pauschal nicht beantworten. Es handelt sich um Leistungen, die nicht im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen verzeichnet sind. Die Gründe können sein, dass sie nicht in deren Aufgabenbereich fallen – bei reisemedizinischen Beratungen und Impfungen oder schönheitsmedizinischen Eingriffen zum Beispiel – oder dass deren Nutzen und Wirksamkeit nicht bewiesen ist. Hierbei handelt es sich um vom Gemeinsamen Bundesausschuss noch nicht bewertete oder abgelehnte Untersuchungs- und Behandlungsmethoden. Daraus ergibt sich, dass ein Teil der Leistungen nicht notwendig ist. Aber es gibt auch IGe-Leistungen, die für den Einzelnen sinnvoll sein können, wie reisemedizinische Beratung, die aber eben nicht die Allgemeinheit betreffen. Viele Früherkennungsuntersuchungen sind umstritten. Eine Glaukom-Früherkennung halte ich für eine sinnvolle Leistung, zu der es aber einfach noch nicht genügend Studien gibt. Ob ein Mann die umstrittene Prostatakrebs-Untersuchung wahrnimmt, sollte jeder selbst abwägen, möglichst nach einer guten Aufklärung.
Warum sind die IGe-Leistungen dann so in Verruf?
Unter anderem auch, weil es ärgerlich ist, dass es IGe-Leistungen gibt, die unter bestimmten Voraussetzungen durchaus Kassenleistung sein können. Das ist bei Früherkennungsuntersuchungen dann der Fall, wenn ein Krankheitsverdacht vorliegt, weil jemand Risikopatient ist oder Beschwerden hat.
Muss der Arzt den Patienten darüber nicht informieren?
Das müsste der Arzt, wenn er korrekt ist, abklären. Aber in den Arztpraxen läuft es oft anders. Dann liegt es leider am Patienten zu sagen, dass es sich um eine Kassenleistung handelt. Das heißt auch: Wenn eine IGe-Leistung angeboten wird, sollte man sich erst bei der Krankenkasse erkunden, ob es eine Kassenleistung sein könnte. Und man sollte beim Arzt nachfragen, warum er diese Leistung anbietet, warum sie individuell sinnvoll ist und warum die gesetzliche Krankenkasse sie nicht übernimmt.
Eine IGe-Leistung ist nie sofort medizinisch notwendig – kann man das pauschal so sagen?
Das kann man. Wenn eine Leistung sofort medizinisch notwendig ist, kann es eigentlich keine IGe-Leistung sein. Eine Ausnahme sind die besagten reisemedizinischen Impfungen, wenn die Reise unmittelbar bevor steht.
Was weiß man über die Patienten, die IGe-Leistungen angeboten bekommen?
Das wissenschaftliche Institut der AOK weist seit Jahren den Zusammenhang nach: Je höher das geschätzte Einkommen und die Schulbildung des Patienten sind, desto häufiger werden IGeL angeboten. Das spricht dagegen, dass die Angebote mit dem Gesundheitszustand zusammenhängen.
Welchen Anreiz haben die Ärzte, IGeL zu vermarkten?
In dem Moment, in dem ein gesetzlich Versicherter eine IGe-Leistung in Anspruch nimmt, wird er für diese konkrete Leistung zum Privatpatienten. Damit wird es für den Arzt lukrativer als nach den Modalitäten der gesetzlichen Krankenkassen abzurechnen. Für viele Ärzte handelt es sich um eine zusätzliche Einkommensquelle, neben den Privatversicherten.
Was muss vom rechtlichen Rahmen her beachtet werden?
Der Arzt muss, wenn er weiß oder vermutet, dass die Untersuchungs- oder Behandlungskosten nicht von der Krankenversicherung übernommen werden, den Patienten vor Beginn der Behandlung über die voraussichtlichen Kosten in Textform informieren. Das findet häufig nicht statt. Oft bekommen die Patienten diese Information nur mündlich. Außerdem müssen die Patienten für Leistungen, die die gesetzlichen Krankenkassen nicht leisten, vor Beginn der Behandlung einen schriftlichen Behandlungsvertrag unterschreiben, in dem auch bestätigt wird, dass sie aufgeklärt worden sind. Das findet ebenfalls häufig nicht statt. Streng genommen fehlt dann eine rechtliche Grundlage für den Arzt, seine Rechnungen einzutreiben.
Was empfehlen Sie Patienten, denen IGeL angeboten werden?
Man sollte auf einer guten Aufklärung bestehen, nachfragen, wie gut die Methode untersucht worden ist, welche Risiken bestehen und sich vielleicht noch einmal woanders informieren, um dann eine fundierte Entscheidung zu treffen. In der Praxis werden Patienten leider oft unter Druck gesetzt. Sie wollen das Verhältnis zum Arzt nicht gefährden und stimmen dann zu.