In modernen Krankenhäusern sind viele Hygienespender zu finden. Foto: Michael Bahlo/dpa
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Erst vor wenigen Wochen war am Frankfurter Universitätsklinikum die Aufregung groß, als dort bei fünf Patienten ein gefährlicher Erreger festgestellt wurde. Warum manche Krankenhauskeime gesundheitsgefährdend sind und wie man sich vor ihnen schützen kann, erklärt Nathalie Royer, Krankenhaushygienikerin an der Asklepios Paulinen Klinik Wiesbaden.
Frau Royer, Erreger im Krankenhaus – wie groß ist das Risiko eigentlich wirklich?
Dazu gibt es eine relativ neue Studie. Demnach gab es europaweit binnen zwölf Monaten 2011/12 insgesamt 2,6 Millionen Fälle von Infektionen, die im Krankenhaus erworben worden sind. Es wird von 91 000 Todesfällen in Europa gesprochen. Dabei geht es um Lungenentzündungen, Harnwegsinfekte, Blutstrominfekte und vieles mehr. Die Zahlen auf Deutschland herunterzubrechen ist allerdings schwierig, weil europaweit nicht dieselben Standards herrschen.
Wie breiten sich die Erreger in Krankenhäusern aus?
Jeder Mensch trägt circa zwei Kilo Bakterien mit sich herum, die wir natürlich auch verteilen. Viele davon sind lebensnotwendig, aber manche können eben gerade, wenn das Immunsystem geschwächt ist, auch sehr gefährlich werden. Häufig sind es sogar die eigenen Bakterien, die einen krank machen. Die Hände sind das wichtigste Instrument des medizinischen Personals. Auch die Hände der Besucher und Patienten verteilen im Krankenhaus ihre Bakterien.
DIE EXPERTIN
Nathalie Royer ist Fachärztin für Innere Medizin und Krankenhaushygienikerin an der Asklepios Paulinen Klinik in Wiesbaden.
Wo lauern die Gefahren?
Die Patienten kommen ins Krankenhaus, weil sie krank sind. Kranke Patienten haben häufig ein schwaches Immunsystem und sind entsprechend anfälliger für Erreger. Dann können körpereigene Erreger oder auch Erreger von Besuchern, Personal oder anderen Patienten zur Gefahr werden. Besorgniserregend sind die multiresistenten Erreger, die in den vergangenen Jahren präsenter geworden und die auch verstärkt ins Interesse der Politik gerückt sind, die aber auch quantitativ zugenommen haben. Das liegt ein Stück weit an unserer Zivilisation, mit Massentierhaltung und auch sorglosem Einsatz von Antibiotika. Bakterien passen sich ihrer Umwelt an.
Wie können sich Patienten schützen?
Im Krankenhaus sollten Sie und Ihre Angehörigen jede Möglichkeit zur Händedesinfektion nutzen. In jedem modernen Krankenhaus finden Sie viele Hygienespender mit einer entsprechenden Anwendungserklärung. Besonders rate ich jedem Patienten, eigenverantwortlich darauf zu achten, ob sich Ärzte und Pfleger beim Betreten des Patientenzimmers ihre Hände desinfizieren. Zunehmend alarmierend ist, dass zwischen 2000 und 2010 der Antibiotika-Verbrauch weltweit um 36 Prozent gestiegen ist. Bei einem Arztbesuch sollten Sie nicht auf der Verordnung von Antibiotika bestehen, diese wirken nur bei bakteriellen Infekten. Falsch eingesetzte Antibiotika – vor allem der selbstständige Abbruch einer Antibiotikatherapie – fördern sogar die Entwicklung von resistenten Keimen. Das heißt, wir müssen die Verordnung von Antibiotika kritischer betrachten. Hier wünsche ich mir mehr Aufklärung, denn der Irrglaube, dass man einen grippalen Infekt mit Antibiotika lindern kann, ist leider immer noch weit verbreitet.
Woran erkennt man ein vergleichsweise „keimfreies“ Krankenhaus?
Das „keimfreie Krankenhaus“ gibt es nicht. Der Patient, dem eine Operation bevorsteht, kann sich aber immer besser informieren. Viele Häuser geben über ihre Webseite mittlerweile ihre Infektionsrate bekannt und teilen mit, ob sie beispielsweise bei der „Aktion saubere Hände“ oder bei Bündnissen gegen multiresistente Erreger (MRE-Netzwerke) mitmachen.
Zu welchen Sicherheitsvorkehrungen sind Kliniken und Arztpraxen rechtlich verpflichtet?
Das Infektionsschutzgesetz gibt genau Auskunft darüber, was Kliniken machen müssen. Die Hygieneverordnungen der Länder spezifizieren dies noch. Sie müssen ihre Hygienemaßnahmen stets auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft halten. Den Gesundheitsämtern müssen sie Meldung machen, wenn besondere Erreger auftreten. Gesetzlich ist schon viel gefordert in Sachen Hygiene. Bereits beginnend bei Planungen zu Bauvorhaben bis hin zur Versorgung von Patienten, sind die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts durch Kliniken und Arztpraxen umzusetzen. Die Kontrollen der Gesundheitsbehörden sind in den vergangenen Jahren deutlich intensiver geworden.
Was raten Sie Patienten abschließend?
Der Infektionsschutz beginnt im Alltag, beispielsweise bei der Antibiotika-Einnahme. Schon vor dem Krankenhausaufenthalt kann man sich auf verschiedenen Internetseiten mit dem Thema vertraut machen, wie beispielsweise bei dem MRE-Netzwerk oder direkt auf der Klinik-Homepage. Wir empfehlen unseren Patienten, auf eine angemessene Händehygiene zu achten und ihre Angehörigen für das Thema zu sensibilisieren. Bei Fragen zum Thema Hygiene während des Krankenhausaufenthaltes sollte man das Pflegepersonal ansprechen oder sich direkt an die Hygieniker oder Hygienefachkräfte wenden.