Die jüdischen Stätten von Mainz, Worms und Speyer sind herausragende Zeugnisse der Kulturgeschichte. Doch ob das für eine Aufnahme in die Unesco-Welterbeliste genügt?
Von Ulrich Gerecke
Reporter Politikredaktion
Die Wormser Synagoge wurde nach dreijährigem Wiederaufbau 1961 eingeweiht.
(Archivfoto: Uhrig)
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MAINZ/WORMS/SPEYER - Tausend Seiten sind auf dem Weg nach Paris, in zwei Jahren soll etwas zurückkommen – nämlich der Titel „Welterbe“ für die jüdischen Stätten in Mainz, Worms und Speyer. Ministerpräsidentin Malu Dreyer unterschrieb am Montag das dicke Bewerbungsbuch, das am 23. Januar bei der Unesco eingereicht wird. Im Erfolgsfall können sich die drei Schum-Städte – der Verbund ist benannt nach den Anfangsbuchstaben der hebräischen Namen – ab Sommer 2021 in die weltweit mehr als 1100 Welterbestätten einreihen.
Seit der ersten Idee von 2004 war an der Bewerbung gefeilt worden. Die Landesregierung hat das wissenschaftliche Dossier dafür vorbereitet, der Verein der drei Schum-Städte einen Managementplan für die künftige Nutzung und Entwicklung der Anlagen. In Mainz gehört dazu der jüdische Friedhof am Judensand, in Worms der Ritualbezirk mit Friedhof, Synagoge und Mikwe (religiöses Badehaus). In Speyer sind Synagoge und Mikwe erhalten. Im frühen Mittelalter waren die drei Stätten zum Zentrum des aschkenasischen Judentums in Europa herangewachsen.
„Gerade in der heutigen Zeit ist es von besonderer Bedeutung zu dokumentieren, dass wir glücklich sind, wieder blühendes jüdisches Leben in unseren Gemeinden zu haben“, betonte Dreyer mit Blick auf erneut aufkeimenden Antisemitismus in Deutschland. Die Vorsitzende der jüdischen Gemeinden in Mainz und Worms, Anna Kischner, ergänzte: „Es gehört für uns Juden immer noch Mut dazu, vor die Welt zu treten und zu sagen: Kommt alle her und betrachtet unsere große Vergangenheit.“
Sie hoffe, Touristen kämen nicht nur in die drei Städte, „um alte jüdische Steine zu fotografieren, sondern dass diese Steine ihnen etwas sagen, das sie in ihren Herzen mitnehmen können“.
Der Erhalt der zum Teil fast 1000 Jahre alten Anlagen steht im Fokus des Welterbe-Antrags, doch sie sollen auch touristisch weiterentwickelt werden, zum Beispiel durch Besucherzentren oder virtuelle Rundgänge inklusive Apps. Susanne Urban, Geschäftsführerin des Schum-Städte-Vereins, schätzt das Wachstumspotenzial bei Erlangung des Welterbe-Titels auf einmalig 20 und dauerhaft zehn Prozent. Dabei soll die rituelle Bedeutung der Stätten nicht verletzt werden. „Wir haben einen sensiblen Weg eingeschlagen“, versicherte Dreyer. „Religiöse Belange werden immer an erster Stelle stehen.“
„Jetzt steht uns ein sehr arbeitsreiches Jahr bevor“, meinte Wissenschaftsminister Konrad Wolf mit Blick auf das umfängliche Bewertungsverfahren durch die Unesco. Er sei indes „sehr zuversichtlich“, auch weil jüdische Orte im Katalog der Welterbestätten bisher unterrepräsentiert sind. Hamburg hatte zuletzt Pläne, den jüdisch-spehardischen Friedhof in Altona als Welterbe zu nominieren, wieder zurückgezogen. Erfurt plant für 2021 einen Vorstoß mit seiner Alten Synagoge. Rheinland-Pfalz besitzt bisher vier Welterbe-Orte: den Dom in Speyer, die Römerbauten in Trier, das Obere Mittelrheintal und seit 2005 den Obergermanisch-Rätischen Limes.