Angela Merkel eine Vaterlandsverräterin? Solche Aussagen sind von der Meinungsfreiheit geschützt, so diffamierend sie auch sein mögen. Für Soldaten im aktiven Dienst gilt...
MAINZ. Angela Merkel eine Vaterlandsverräterin? Solche Aussagen sind von der Meinungsfreiheit geschützt, so diffamierend sie auch sein mögen. Für Soldaten im aktiven Dienst gilt allerdings wie für Beamte das Mäßigungsgebot bei politischen Äußerungen. Das galt auch für Uwe Junge, heute Chef der rheinland-pfälzischen AfD, bis Oktober 2016 Oberstleutnant und Dezernatsleiter im Zentrum Operative Kommunikation der Bundeswehr im rheinland-pfälzischen Mayen.
Junge teilte im Wahlkampf im Frühjahr 2016 mächtig aus, warf der Kanzlerin „Vaterlandsverrat“ vor, nannte Kölner Polizisten eine „ehrlose Bande von Hasenfüßen“. Nun will die Bundeswehr gegen den Oberstleutnant a.D. (59) offenbar ein Disziplinarverfahren einleiten. Junge habe gegen das Soldatengesetz verstoßen, in dem er im Wahlkampf unangemessen für die AfD Werbung gemacht habe. Dies berichtete „Spiegel online“ am Mittwoch.
Doch wo fangen die Vorwürfe an, wo hören sie auf? In Interviews und Debatten stellte der Politiker immer wieder Bezüge zu seiner Soldatenzeit her, etwa in Afghanistan. Für einen Beitrag des SWR ließ er sich vor der Kaserne in Uniform filmen. Dies führte im vergangenen Jahr durchaus zu Geraune in Bundeswehrkreisen, ein Verstoß sei dies aber wohl nicht gewesen, hieß es damals.
Wo fangen die Vorwürfe an, wo hören sie auf?
Paragraf 15 des Soldatengesetzes verbietet den Soldaten nicht eine politische Betätigung oder politische Aussagen. Es sagt aber auch: „Im Dienst darf sich der Soldat nicht zu Gunsten oder zu Ungunsten einer bestimmten politischen Richtung betätigen.“ Der Soldat dürfe insbesondere nicht als Werber für eine politische Gruppe wirken und nicht versuchen, seine Untergebenen für oder gegen eine politische Meinung zu beeinflussen. Uwe Junge sagte am Mittwoch am Rande einer Landtagssitzung, wenn Soldaten im Wahlkampf als Politiker auftreten sollten, „dann kann man ihnen keinen Maulkorb verpassen“.
Bei einem anderen Fall, der zu Ermittlungen innerhalb der Bundeswehr geführt hat, handelte es sich um eine lesbische Soldatin aus dem früheren Stab Junges, die in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebt und zwei Kinder hat. Die Frau wirft dem Oberstleutnant a.D. vor, er habe sie diskriminiert. Dadurch sei das Vertrauensverhältnis gestört gewesen. Auch habe sie gesundheitliche Probleme gehabt, schreibt die Rheinland-Pfälzerin. Diese Zeitung hatte die Vorwürfe vor sechs Wochen öffentlich gemacht. Sie stehen auch anonymisiert im aktuellen Bericht des Wehrbeauftragten der Bundeswehr. Dort sind zwei Zitate Junges festgehalten: „Sie können ja sogar wie eine Frau aussehen“, habe der Oberstleutnant gesagt, und: „Ehe und Familie sind in Artikel 6 Grundgesetz besonders geschützt: Mutter + Vater + Kinder; die Nation braucht deutsche Kinder.“ Junge erklärte im Landtag zum Diskriminierungsvorwurf: „Ich habe der Dame nichts angetan, was in diese Richtung gehen könnte.“
Immunität noch nicht aufgehoben
Der Rechtsausschuss des Landtags verschob am Mittwoch eine Entscheidung darüber, die Immunität des AfD-Abgeordneten aufzuheben. Das hatte die Bundeswehr laut „Spiegel“ bereits Februar beantragt. Wie es in gut informierten Kreisen hieß, soll Junge am 16. März die Möglichkeit gegeben werden, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen.
Landespolitiker hielten sich am Mittwoch mit Äußerungen zum Fall Junge zurück. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Tobias Lindner sagte: „Uwe Junge hat sich nicht nur unanständig verhalten, sondern wohl auch gegen seine Pflichten als Offizier verstoßen. Es ist gut, dass die Bundeswehr nun endlich dieser Vorwürfe annimmt. Ich erwarte von Herrn Junge, der sich gerne als Saubermann inszeniert, dass er nun zu den Vorwürfen öffentlich Stellung nimmt.“
Von Markus Lachmann