Polizeigewerkschaftschef Rainer Wendt kritisiert Asylpolitik...

Rainer Wendt ist seit 2007 Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft. Foto: dpa

Der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, spricht im Interview über Migration, extremistische Gewalt und die Ergebnisse der GroKo-Gespräche.

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WIESBADEN. Der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, war Gastredner bei einer Veranstaltung des Deutschen Arbeitgeberverbands in Wiesbaden. Sein Thema: „2018 – wie sicher wird unsere Zukunft?“ Wir haben Wendt zu den Themen extremistische Gewalt und Migration befragt.

Bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin ist zum Familiennachzug für Flüchtlinge ein Kompromiss geschlossen worden. Sind Sie zufrieden damit? Die ersten Ergebnisse der Verhandlungen lassen mehr Fragen offen, als sie beantworten. Wie soll eigentlich jemand, der uns nicht einmal seine eigene Identität sicher nachweisen kann, den Nachweis darüber führen, wer alles zu seiner Familie gehört? Und viele Menschen in Deutschland sind noch an ganz anderen Fragen interessiert, beispielsweise, wie es an unseren Grenzen weitergeht, ob illegale Einreise weiterhin der Normalfall bleibt. Oder ob der Schutz europäischer Außengrenzen endlich in die Hand genommen wird. Und wie geht es eigentlich mit der nationalen Kraftanstrengung der Abschiebung weiter? Nirgends Antworten auf drängende Fragen, da muss noch mehr kommen.

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Sie beklagen den Kontrollverlust durch illegale Einwanderung. Die Flüchtlingszahlen sinken deutlich. Wie hoch ist die Bedrohung durch Ausländerkriminalität aktuell noch? Die Zuwanderung von mehr als eineinhalb Millionen Menschen unterschiedlicher Nationen in den letzten drei Jahren hat zu einem spürbaren Anstieg von Gewalttaten geführt. Das BKA hatte sinkende Zahlen bei der Gewaltkriminalität von 2004 bis 2015 gemeldet, seit 2016 steigen sie wieder, das wird in 2017 auch nicht anders gewesen sein. Es ist deshalb schlicht naiv, jeden Monat im Schnitt 15.000 Migranten unerlaubt einreisen zu lassen, darunter die Mehrheit ohne jedes Identitätsdokument, und sich dann zu wundern, dass darunter auch Straftäter sind. Und die terroristische Bedrohung ist völlig unkalkulierbar hoch, davor fürchten sich die Menschen ebenso. Die Zeche für diese Naivität zahlen die Kriminalitätsopfer, denen es übrigens völlig egal ist, wie hoch die statistische Wahrscheinlichkeit war, dass sie Opfer werden würden. Solche Zahlenspiele verhöhnen sie geradezu. Die staatlichen Strukturen sind jahrzehntelang vernachlässigt worden, der schlanke Staat entpuppt sich als schwacher Staat. Viele Menschen glauben nicht mehr daran, dass dieser schwache Staat seinen Schutzauftrag wahrnehmen kann. Das schafft Angst und auch Wut, da können die Statistiker erzählen, was sie wollen. Wenn jetzt die Flüchtlingszahlen sinken, ist das nicht mehr als ein Atemholen, das kann schnell wieder anders werden.

Es ist in letzter Zeit viel die Rede vom Verlust des Respekts gegenüber Polizeibeamten. Welche konkreten Erfahrungen machen Ihre Kollegen im Arbeitsalltag? Die Gewalt richtet sich nicht nur gegen uniformierte Kräfte, sondern gegen öffentlich Beschäftigte des Staates, wo auch immer sie arbeiten, in der Schule, dem Rathaus, der Bahn, den Jobcentern oder dem Finanzamt. Der Autoritätsverlust des Staates ist rasant und scheint nirgends aufgehalten werden zu können. Der Gesetzgeber hat richtigerweise den Strafrahmen verschärft, erste Urteile sind ermutigend. Die gesellschaftliche Ächtung von Gewalt gegen Menschen, die dem Gemeinwohl dienen, steht noch aus. Aber häufig kommen eben auch falsche öffentliche Signale. Immer wieder werden die Einsatzkräfte vorschnell verurteilt, Politikerinnen und Politiker beteiligen sich nicht selten daran. Manchmal beginnen Entwicklungen eben auch damit, dass die Sprache verroht. Wenn Lehrkräfte als „Faule Säcke“, Polizistinnen und Polizisten als „Bastarde“ und die Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes pauschal als „Kostenfaktoren mit zwei Ohren“ verunglimpft werden, muss man sich über Autoritätsverlust nicht wundern.

Nach Ausschreitungen linksautonomer Gewalttäter erleben wir immer wieder, zuletzt nach den G20-Krawallen in Hamburg, dass die Ermittlungsbehörden nur weniger Täter habhaft werden. Reichen die polizeilichen Mittel in solchen Fällen aus? Etliche Beschuldigte wurden bereits während der Krawalle, Gewalttaten und Plünderungen festgenommen und wanderten in Untersuchungshaft. Weitere werden folgen, wenn erst die vielen Aufnahmen von Tathandlungen ausgewertet und die Identifikation von Tätern gelungen ist. Die Bevölkerung und die Medien leisten dazu bemerkenswerte Unterstützung und meine Kolleginnen und Kollegen hervorragende Ermittlungsarbeit. Es muss dafür gesorgt werden, dass die Staatsanwaltschaften ausreichende Kapazitäten haben, um erfolgreiche Ermittlungen zu führen, und Anklagen zu formulieren. Und es bleibt zu hoffen, dass der menschenverachtenden Gewalt auch harte Strafen folgen. Aber es ist auch eine Debatte darüber notwendig, wie mit linker Gewalt umgegangen wird. Das fängt schon bei der Sprache an, die häufig der Einstieg in eine Verniedlichung gefährlicher Aktivitäten ist. Wer an der Planung und Vorbereitung von Gewalt gegen Einsatzkräfte der Polizei oder das Eigentum von Menschen beteiligt ist, darf nicht länger als „Aktivist“, „Autonomer“ oder gar „Demonstrant“ bezeichnet werden. Das sind kriminelle Handlungen und diejenigen, die sie begehen, sind Kriminelle.