Warum der SPD-Landtagsabgeordnete, gegen den wegen eines kopierten Parkausweises ermittelt wird, den Vorsitz des Hanau-Untersuchungsausschusses niederlegt.
Wiesbaden. Der hessische Landtagsabgeordnete Marius Weiß (SPD) hat wegen der Vorwürfe von Urkundenfälschung, die zu einem Ermittlungsverfahren gegen ihn führten, öffentlich um Entschuldigung gebeten. „Als Mensch habe ich einen Fehler gemacht, den ich zutiefst bereue. Dieser Fehler tut mir unendlich leid, denn schlimmer als der rechtliche Vorwurf ist, dass ich Vertrauen von Menschen enttäuscht habe, innerhalb und außerhalb meiner Partei“, räumt der 48-Jährige am Dienstag in einer Stellungnahme ein, ohne sich näher zu den Vorwürfen zu äußern. Den Vorsitz im Untersuchungsauschuss zum rassistischen Terrorattentat von Hanau, der am 7. Juli zur mutmaßlich letzten öffentlichen Sirtzung zusammentritt, legt Weiß nieder.
Als Mensch habe ich einen Fehler gemacht, den ich zutiefst bereue. Dieser Fehler tut mir unendlich leid, denn schlimmer als der rechtliche Vorwurf ist, dass ich Vertrauen von Menschen enttäuscht habe, innerhalb und außerhalb meiner Partei.
Die Staatsanwaltschaft Wiesbaden ermittelt gegen den Volljuristen und Rechtsanwalt sowie seine Frau, weil er einen speziellen Parkausweis, mit dem Landtagsabgeordnete auch während der Sitzungswochen in die Tiefgarage des Landtags einfahren dürfen, für seine Frau kopiert haben soll. So ersparte sich diese als Mitarbeiterin der SPD-Landtagsfraktion die Suche nach einem Parkplatz rund um den Landtag. Die Wiesbadener Staatsanwaltschaft teilt auf Nachfrage mit, die Ermittlungen dauerten weiter an, ohne auf weitere Detailfragen einzugehen.
Verfahren soll ohne Anklageerhebung abgeschlossen werden
Weiß hatte Ende April mitgeteilt, sein Anwalt, ein renommierter Wiesbadener Jurist, habe nach Prüfung der Verfahrensakten die Einstellung des Ermittlungsverfahrens beantragt – was ihm seitens der Grünen den Vorwurf „advokatischer Winkelzüge“ einbrachte. In seiner Stellungnahme nun informiert der stellvertretende Vorsitzende und finanzpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, er habe der Staatsanwaltschaft signalisiert, „dass ich zu einer einvernehmlichen Verfahrensbeendigung bereit bin“ – mit dem Ziel, „das Verfahren zeitnah zu einem Abschluss zu bringen und damit weitere Belastungen von meiner Familie und meiner Partei abzuwenden“. Nach derzeitigem Verfahrensstand habe er die Hoffnung, dass „das Verfahren in Kürze ohne Anklageerhebung und damit auch ohne öffentliche Hauptverhandlung abgeschlossen werden kann“. Möglich wäre etwa die Zahlung einer Geldauflage.
Die Zeit drängt, denn nächste Woche findet der Landesparteitag der SPD statt: Am 17. Juni wollen die Genossen in Hanau ihre Landesliste für die Landtagswahl am 8. Oktober beschließen. Zuvor beraten die Gremien über die Platzierung der Kandidaten. Beobachter hatten damit gerechnet, dass Weiß hinwirft, sollte das Ermittlungsverfahren bis kurz vor dem Parteitag nicht eingestellt sein. Innerhalb der SPD-Fraktion, die sich am Dienstag zur öffentlichen Fraktionssitzung auf dem Hessentag in Pfungstadt versammelte, wurden die Vorwürfe gegen Weiß zuletzt zunehmend als Belastung wahrgenommen. Hinzu kam Unverständnis über den Vorgang an sich und die spärliche Kommunikation.
Welchen Platz bekommt Weiß nun auf der Landesliste?
Weiß, der seit 2008 im Landtag sitzt, den Wahlkreis Untertaunus jedoch nie direkt gegen Innenminister Peter Beuth (CDU) gewinnen konnte, zog stets über die Landesliste ins Parlament ein und ist daher auf einen aussichtsreichen Listenplatz angewiesen. Er wurde bereits im Dezember als Direktkandidat nominiert. Der Vorschlag des zuständigen SPD-Bezirks Hessen-Süd für den Parteitag wird am Mittwochabend von Bezirksbeirat und -vorstand erarbeitet, sagt eine Sprecherin auf Nachfrage der VRM. Die finale Entscheidung fällt dann am 17. Juni in Hanau.
Kaweh Mansoori, SPD-Bezirksvorsitzender und stellvertretender Landesvorsitzender, bezeichnet Weiß’ Bitte um Entschuldigung am Mittwoch in einer Mitteilung als glaubhaft. Dieser habe einen Fehler gemacht und angesichts der hohen Erwartungen an einen Abgeordneten „Menschen enttäuscht, auch uns“. Für seinen rechtlichen Fehler übernehme Weiß die Verantwortung, mit der Niederlegung des Ausschussvorsitzes demonstriere er zudem Fehlerkultur und stelle „die Sache über seine Person“. Man wisse, was er geleistet habe und vermöge „den Grad einer Verfehlung ins Verhältnis zum Gesamtwerk einer Person zu setzen“. Innerhalb der Partei werde Weiß daher „die Chance bekommen, den Vertrauensverlust [sic!] wieder herzustellen.“
CDU und Grüne hatten vor Wochen gefordert, Weiß müsse sich erklären und entschuldigen. Auch das Schweigen der SPD-Landesvorsitzenden und -Spitzenkandidatin Nancy Faeser kritisierten sie. Weiß’ Rolle als Vorsitzender im Hanau-Untersuchungsausschuss thematisierte die CDU im April: In dieser Funktion „darf und muss man Integrität und Pflichtbewusstsein voraussetzen können“, betonte Holger Bellino, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Fraktion. Im Ausschuss selbst sei dies nie Thema gewesen, berichten Mitglieder. Der Vorsitz sei „die wichtigste Aufgabe, die mir in meinem bisherigen politischen Leben übertragen wurde“, schreibt Weiß. Dessen weitere Ausübung sei ihm „nicht glaubwürdig möglich“, auch wenn diese Entscheidung ihm „unglaublich schwer“ falle.
Grüne und FDP bezeugen Respekt, CDU ist „schockiert“
Die Grünen bekunden Respekt vor der Entscheidung. „Allerdings hätten wir erwartet, dass sich der SPD-Abgeordnete früher zu Wort meldet und sein Verhalten erklärt“, kritisiert der Parlamentarische Geschäftsführer Jürgen Frömmrich. Neben der rechtlichen Komponente habe Weiß „viel Vertrauen innerhalb seiner Partei verspielt“, aber auch bei den Bürgern. Für die FDP bezeichnet Jörg-Uwe Hahn, Obmann im Untersuchungsausschuss, Weiß’ Schritt als notwendig, „weil es sich um den Vorsitz eines sensiblen Ausschusses handelt, in dem es um Glaubwürdigkeit geht. Diese Glaubwürdigkeit muss auch für den Vorsitzenden gelten.“ Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion, Holger Bellino, zeigte sich gegenüber der FAZ „schockiert darüber, dass offenbar alle Vorwürfe der Wahrheit entsprechen und somit Marius Weiß eine Straftat begangen hat“. Ihm sei kein Fehler unterlaufen, sondern er habe bewusst den Parkausweis gefälscht – was Konsequenzen haben müsse. Weiß, moniert Bellino, habe sein Fehlverhalten erst unter steigendem Druck seiner Fraktion und des anstehenden Landesparteitags eingeräumt.