„Oh Gott, töte tausend Feinde“

Propagandafilme wie diesen hat Joachim Schäfer zu einem sechsminütigem Video zusammengeschnitten.Screenshot: VRM  Foto:

„Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette, die Kuppeln unsere Helme und die Gläubigen unsere Soldaten“: Diese Zeilen aus dem Gedicht des...

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WIESBADEN. „Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette, die Kuppeln unsere Helme und die Gläubigen unsere Soldaten“: Diese Zeilen aus dem Gedicht des islamistischen Dichters Ziya Gökalp hatte Recep Tayyip Erdogan in den 90er Jahren zitiert, als er noch Bürgermeister von Istanbul war. Ein türkisches Gericht hatte ihn deshalb wegen Aufstachelung zum Hass zu einer Gefängnisstrafe verurteilt.

Jetzt waren es genau diese Zeilen, die im Januar auf der Facebook-Seite der Ditib-Moschee in Gelnhausen zu lesen waren. Der Text untermalte ein martialisches Video, das den Aufmarsch türkischen Militärs zeigte. Der Streifen lässt keine Zweifel: Hier geht es um Propaganda. Um Kriegspropaganda.

Youtube hat den Film für Minderjährige gesperrt

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Videos und Nachrichten mit vergleichbaren Inhalten waren auch auf Internet-Seiten anderer Gemeinde zu sehen und zu lesen, die allesamt dem Dachverband Ditib angehören, der als verlängerter Arm Ankaras gilt. Und der dennoch von der hessischen Landesregierung als Partner für islamischen Religionsunterricht akzeptiert wird.

Viele dieser inzwischen gelöschten Filmchen hat Joachim Schäfer, Pastoralreferent der katholischen Domgemeinde Wetzlar, gesichtet. Er hat sie zu einem gut sechs Minuten langen Video zusammengeschnitten und ins Internet gestellt. „Kriegspropaganda in deutschen Ditib Gemeinden“ lautet der Titel seines Films, den die Videoplattform Youtube am Dienstag wegen der dort dokumentierten Gewaltdarstellungen für Minderjährige gesperrt hat.

Der Pastoralreferent hat die Propaganda unter anderem von Internet-Auftritten der Ditib-Moscheen Frankfurt-Höchst, Dietzenbach, Stadtallendorf, Bad Nauheim, Offenbach und Limburg gesammelt. Zu sehen sind dort Szenen, die mit Sätzen untermalt sind wie: „Gott helfe, dass der Schuss sein Ziel trifft. Oh Gott, töte für einen Gefallenen tausend Feinde.“

Salih Özkan, Landesvorsitzender von Ditib in Hessen, beantwortete eine Anfrage, die diese Zeitung zu den Videos gestellt hatte, nicht.

Doch ist es kein Zufall, dass solche Filme ausgerechnet jetzt auf Internet-Seiten von Ditib-Gemeinden hochgeladen wurden: Die Türkei hat im Januar mit ihren Truppen die Grenze nach Syrien überschritten, bedroht die Stadt Afrin, die von der Kurden-Miliz YPG gehalten wird – aus Sicht der Türkei eine Terror-Miliz. Die Regierung in Ankara nennt diesen Vorstoß „Olivenzweig“.

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Susanne Schröter vom Institut für Globalen Islam an der Frankfurter Goethe-Universität hat die Propagandafilme mit einiger Sorge angesehen. Sie spricht von „Hasspredigten“, mit denen ein völkerrechtswidriger Krieg als Heiliger Krieg tituliert werde. Man müsse prüfen, ob Ditib überhaupt noch als religiöse Gemeinschaft einzuordnen sei, so ihr Fazit. Ditib sei vielmehr eine politische Organisation, ein Organ, das die Propaganda der türkischen Regierung nach Deutschland transportiere.

Der türkische Generalkonsul in Frankfurt, Burak Kararti, hat vor Journalisten am Mittwoch die Offensive verteidigt und die Desinformationskampagne beklagt, die vielfach gegen die Aktion „Olivenzweig“ betrieben werde. So setze Türkei keine verbotenen Waffen ein. Sie „reinige“ vielmehr die Grenzregion von Terroristen. Sobald die Offensive abgeschlossen sei, könnten die Kurden und die Menschen, die dort leben, wieder in das dann sichere Gebiet zurückgehen.

Der Kampf gegen den Terror sei den Türken heilig: Damit begründet der Generalkonsul, dass die Offensive in einem Propagandavideo, das in diesen Tagen von Ditib-Moscheen verbreitet wurde, als „Dschihad“ bezeichnt wird. „Die nationalen Gefühle kochen hoch“, sagte Kararti. Auch sei es „in unserer Kultur üblich, dass man für Soldaten betet“. Es sei allerdings ein „Fehler“, wenn mit dem Satz „Töte für einen Gefallenen tausend Feinde“ zu Gott gebetet werde.

Hessens Sicherheitsbehörden sind die Propagandafilme, die auf Ditib-Internet-Seiten immer mal wieder aufploppen, nicht entgangen. Und beim Verfassungsschutz heißt es: Zwar werde Ditib nicht beobachtet. Nichtsdestotrotz könnten Propagandavideos, die ins Netz gestellt werden, „im Zusammenhang mit den Geschehnissen in Afrin grundsätzlich dazu beitragen, die bereits angespannte Situation zwischen Anhängern der türkischen Regierung und ihren politischen Gegnern aus dem kurdischen Spektrum auch in Hessen weiter zu verschärfen“.

Vorsorglich weist das Landesamt darauf hin, dass ausländerextremistische Bestrebungen, die sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, die Sicherheit hierzulande gefährden können.

Von Christoph Cuntz