Keine Ausschreibung für Abschleppaufträge

Die Aufträge an Abschleppunternehmen müssen öffentlich ausgeschrieben werden.    Archivfoto: dpa  Foto:

Die hessische Polizei hat nach Recherchen dieser Zeitung jahrelang Aufträge zum Abschleppen von Autos unter Verstoß gegen Vergaberecht nicht öffentlich ausgeschrieben....

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WIESBADEN. Die hessische Polizei hat nach Recherchen dieser Zeitung jahrelang Aufträge zum Abschleppen von Autos unter Verstoß gegen Vergaberecht nicht öffentlich ausgeschrieben. Stattdessen wurden die Aufträge freihändig an Unternehmen vergeben, die sich über Aufträge in teils sechsstelliger Höhe freuen konnten.

Regelmäßig schleppt die Polizei ab, wenn der Halter sein Auto nicht oder nicht rechtzeitig aus dem öffentlichen Verkehrsraum entfernt, aber auch im Rahmen von Beschlagnahmen oder zur Gefahrenabwehr. Nach der Vergabeordnung müssen öffentliche Stellen Aufträge „im Wettbewerb und im Wege transparenter Vergabeverfahren (…) zu angemessenen Preisen vergeben“. So soll sichergestellt werden, dass stets das wirtschaftlichste Angebot zum Zug kommt und Steuermittel so effizient wie möglich eingesetzt werden.

Wie ein Sprecher des Polizeipräsidiums Frankfurt auf Anfrage einräumte, findet dort bislang bei Abschleppaufträgen „eine Ausschreibung dieser Dienstleistung nicht statt“. Und weiter: „Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es im Polizeipräsidium Frankfurt kein allgemeingültiges Verfahren der Ausschreibung von Abschleppungen.“ Dies sei sogar durch „eine Abschleppfirma beklagt und entsprechend vonseiten der Gerichte gerügt“ worden. Die laxe Handhabung des Vergaberechts betrifft nicht nur das Polizeipräsidium Frankfurt, sondern auch alle übrigen Polizeipräsidien in Hessen.

Der FDP-Landtagsabgeordnete Wolfgang Greilich hat deswegen eine Kleine Anfrage an die Landesregierung gerichtet. In der Antwort erklärt Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU), durch die Polizei in Hessen seien von 2015 bis 2017 insgesamt 4 993 Abschleppaufträge im Wert von 1,44 Millionen Euro ohne Ausschreibung vergeben worden. Die Zahl passt jedoch nicht zu den Angaben des Polizeipräsidiums Frankfurt, das allein im selben Zeitraum Abschleppaufträge in Höhe von 3,48 Millionen Euro vergeben hatte.

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„Schillerndste Abschlepper Deutschlands“

Greilich sieht deshalb die inhaltliche Richtigkeit von Antworten des Innenministers durch Fakten widerlegt. „Da stellt sich schon die Frage, ob der Minister den Anforderungen gewachsen ist.“

Weder vom Innenministerium noch vom Polizeipräsidium Frankfurt war dazu eine Stellungnahme zu erhalten. Das Präsidium für Technik, Logistik und Verwaltung (PTLV) in Wiesbaden, das für das Beschaffungsmanagement und Rechnungswesen der Polizei zuständig ist, kündigte am 6. April eine Antwort „im Laufe der nächsten Woche“ an. Sie steht bis heute aus.

Der Antwort des Innenministeriums auf Greilichs Fragen ist zu entnehmen, dass einzelne Firmen von der Vergabepraxis profitieren. So erhielt das Frankfurter Unternehmen Auto Dentz zwischen 2015 und 2017 insgesamt 590 Abschleppaufträge im Wert von insgesamt 132 000 Euro. Der Inhaber des Unternehmens, Guido Dentz, ist Protagonist der ZDF-Sendung „Die Abschlepper“, wird dort „der vielleicht schillerndste Abschlepp-Unternehmer Deutschlands“ genannt.

Die Firma Gebrüder Noss bekam 337 Aufträge im Umfang von 125 000 Euro und damit im Schnitt 372 Euro pro Abschleppaktion. Der ebenfalls in Frankfurt ansässige Abschleppdienst Loosen bekam 330 Mal den Zuschlag und nahm so 104 000 Euro ein. Der Auskunft des Innenministeriums ist zu entnehmen, dass die beauftragten Abschleppunternehmen in Frankfurt 2014 noch 200 Euro pro Auftrag erhielten, 2015 gab es dann einen erheblichen Sprung auf 329 Euro – ein Preis weit über dem marktüblichen.

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Der Innenminister argumentiert, die Polizei dürfe öffentliche Aufträge bis zu einem Auftragswert von 500 Euro freihändig vergeben.

Nach dem Vergaberecht ist bei wiederholten Aufträgen an Unternehmen jedoch nicht der Wert eines einzelnen Auftrags entscheidend. Vielmehr hätten die Polizeipräsidien Rahmenverträge mit einer zulässigen Laufzeit von bis zu vier Jahren öffentlich ausschreiben müssen. Maßgeblich ist dann, was in diesem Zeitraum an Auftragsvolumen zusammenkommt.

Dienstleistungsaufträge sind ab einer Auftragssumme von 221 000 Euro auszuschreiben. Das Volumen der Abschleppaufträge allein des Polizeipräsidiums Frankfurt lag aber für 2017 bei über 1,19 Millionen Euro.

Von Marvin Oppong