Seit einigen Jahren gibt es in Deutschland die Kirschessigfliege (Drosophila suzukii). Sie ist der Schrecken aller Obstbauern und Winzer, die Äpfel genauso befällt wie...
WIESBADEN. Seit einigen Jahren gibt es in Deutschland die Kirschessigfliege (Drosophila suzukii). Sie ist der Schrecken aller Obstbauern und Winzer, die Äpfel genauso befällt wie Trauben. Und die, wie der lateinische Name schon ahnen lässt, ein Import aus Asien ist. Seit die Fliege in Hessen heimisch geworden ist, suchen Wissenschaftler nach einem Mittel gegen den Schädling. Forscher der Justus-Liebig-Universität Gießen hoffen jetzt, fündig geworden zu sein. Durch Bestrahlung haben sie männliche Drosophila suzukii unfruchtbar gemacht und im Kampf um die Weibchen gegen ihre potenten Geschlechtsgenossen antreten lassen. Das alles in der Erwartung, dass die impotenten Fliegen-Männchen den Kampf gewinnen und – zeugungsunfähig – dafür sorgen, dass es keinen Nachwuchs gibt.
Aus Marienkäfern werden Antibiotika gewonnnen
Begattung als Mittel, die Art zu vernichten: Das ist mal was Neues und ein Beispiel für Forschung made in Hessen, in diesem Fall für den jungen Zweig der Insekten-Biotechnologie. Der wiederum ist viel zu wenig bekannt, meint Boris Rhein (CDU), hessischer Minister für Wissenschaft und Kunst. Er will das ändern. In seinem Auftrag sind drei Motive für großflächige Plakate entstanden, die ab kommender Woche an über 550 Stellen in rund 30 Orten zu sehen sein werden.
„Wir schaffen Großes mit vielen kleinen Helfern“ ist auf einem zu lesen. Und zu sehen sind viele, viele fliegende Marienkäfer. Denn Wissenschaftler in Gießen haben auch diese kleinen Tierchen erforscht und entdeckt, dass aus ihnen neue Antibiotika gewonnen werden können, die nunmehr synthetisch produziert werden sollen.
Tatsächlich ist das, was an den 13 staatlichen Hochschulen in Hessen erforscht wird, beachtlich. Minister Rhein nennt das Kompetenzzentrum Cybersicherheit an der Technischen Universität Darmstadt. Oder die Elementarteilchenforschung in Marburg, die im Kampf gegen den Krebs Erfolge feiert. Den Ruf des Forschungs-Standorts Hessen mit der Plakat-Kampagne zu bewerben, ist das eine: Schließlich stehe man „im Wettbewerb um die klügsten Köpfe“. Das andere ist: Rhein sorgt sich um den Ruf der Wissenschaft an sich. Vielfach würden wissenschaftliche Fakten heute einfach geleugnet. In den sozialen Netzwerken treibe das die wildesten Blüten, sagt er. Dort fabulieren Chemtrail-Anhänger darüber, dass Flugzeuge mit ihren Kondensstreifen Chemikalien verteilen. Solche Verschwörungstheorien seien im Internet „leicht zugänglich“, sagt Rhein. Seriöse Wissenschaft hingegen ist zuweilen „schwer vermittelbar“. Mehr Transparenz, mehr Kommunikation: Auch dazu soll die Plakat-Kampagne einen Beitrag leisten. Die Botschaft soll sein: „Wir forschen zu ihrem Nutzen“.
840 000 Euro wird Hessen in diese Kampagne investieren. Nicht zu viel, meint Rhein, auch weil er „stolz“ darauf ist, dass Hessens Forscher und Wissenschaftler „in den vergangenen Jahren einige große Schritte nach vorne gemacht haben, um den Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft zu begegnen“.
Noch ein Beispiel dafür hat Andreas Vilcinskas parat. Der Leiter des Gießener Instituts für Insektenbiotechnologie hat Rhein bei der Präsentation der Plakatkampagne begleitet. Dabei hat er von Experimenten mit Maden berichtet, die sogar Gülle verwerten und diese zu hochwertigen Proteinen verarbeiten. In Gießen werde nun geforscht, ob diese Eiweiße für die Tierernährung eingesetzt werden können. Aus Gülle würde damit ein wertvoller Rohstoff. Und das Problem, so viele Menschen zu ernähren, etwas lösbarer.
Von Christoph Cuntz