Der Klimawandel trifft den Frankfurter Stadtwald besonders hart. Welche Wege gibt es, den 650 Jahre alten Forst zu retten? Von den Lösungen können auch andere profitieren.
FRANKFURT. Er ist einer der größten innerstädtischen Wälder Deutschlands - aber es geht ihm nicht gut. Wenn der Frankfurter Stadtwald in diesen Tagen seinen 650. Geburtstag feiert, liegt der Jubilar auf dem Krankenbett. Fast alle Bäume sind laut Waldzustandsbericht krank oder zumindest vorgeschädigt. Die trockenen Sommer der vergangenen Jahre haben der grünen Lunge am Südrand der Bankenmetropole schwer zugesetzt. Mit diesem Problem ist die Stadt nicht allein: Fast alle Kommunen in Hessen haben einen Wald.
Der Boden kann das Wasser schlecht halten
"Der Klimawandel ist angekommen. Der Wald zeigt uns das vor der eigenen Haustür", sagt Tina Baumann, die für den Frankfurter Stadtwald verantwortliche Försterin. Hier zeigen sich die Folgen besonders stark: An vielen Stellen ist der Boden sandig - damit kann er Wasser besonders schlecht halten. Die Großstadt zieht zusätzlich Wasser ab und die Temperaturen im Rhein-Main-Gebiet sind höher. Sorgenvoll zeigt die Försterin auf tote Bäume und lichte Kronen inmitten des frühlingshaft grünen Waldes. 418 Städte und Gemeinden in Hessen haben laut Umweltministerium einen eigenen Wald - nur acht Gemeinden besitzen keinen. Solche "Körperschaftswälder" stellen 36 Prozent der gesamten hessischen Waldfläche, der Rest gehört entweder dem Land Hessen oder ist in Privatbesitz. Kommunale Wälder sind nach Ansicht des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) Hessen wichtiger als je zuvor. "Die Bedeutung kommunaler Wälder ist größer als früher", sagt BUND-Naturschutzreferent Thomas Norgall.
Manche kommunalen Wälder werden von Hessenforst betreut, andere haben - wie Frankfurt - eigene Forstverwaltungen. In den letzten Jahren gebe es "eine Tendenz, dass mehr Kommunen ihre Wälder unter eigene Verwaltung stellen", berichtet der Leiter des Landesbetriebs Hessenforst, Michael Gerst. Die Kommunen können dann selbst entscheiden, wie sie die verschiedenen Funktionen des Waldes gewichten wollen: Wie wichtig ist uns Erholung? Wie wichtig ist es, den Wald auch zu nutzen, etwa zur Holzgewinnung? Wie stark gewichten wir den Naturschutz?
Immer mehr Kommunen weisen ihren Wald als Naturwald aus, wie das Umweltministerium berichtet. Das Ministerium findet das eine positive Entwicklung, die auch finanziell gefördert wird. "Die Erweiterung der Naturwälder führt dazu, dass über ganz Hessen verteilt die Lebensräume vieler Tier- und Pflanzenarten vergrößert und gesichert werden. Das ist ein wichtiger Beitrag zur Erhaltung der biologischen Vielfalt", findet das Ministerium.
Dass Frankfurt einen eigenen Wald hat, hat die Stadt ihrem Reichtum zu verdanken: Im 14. Jahrhundert hatte die Stadt Kaiser Karl IV. viel Geld geliehen und als Pfand unter anderem den Stadtwald bekommen. Die Schulden wurden nie zurückgezahlt, stattdessen überschrieb der Kaiser am 2. Juni 1372 der Stadt den Wald. Die Urkunde liegt im Institut für Stadtgeschichte.
Die grüne Lunge der Metropole
Diente der Stadtwald einst vor allem der Holzgewinnung und der Ernährung, ist er heute die grüne Lunge der Metropole und ein Naherholungsgebiet: mit 250 Kilometern Waldwegen, Ausflugszielen wie dem Goetheturm, dem Stadtwaldhaus und dem Volksfest "Wäldchestag".
Leise ist es hier nicht: Alle paar Minuten dröhnt ein Flugzeug über die Köpfe der Wanderer. Der Flughafen, Autobahnen, eine Bahnstrecke, und die Mülldeponie "Monte Scherbelino" haben sich an den Stadtwald heran- oder durch ihn hindurchgefressen.
"Der Wald steht massiv unter Stress", sagte Umweltdezernentin Rosemarie Heilig (Grüne) kürzlich beim Festakt zum Stadtwald-Jubiläum. Der Schutz habe oberste Priorität: "Gegenüber keiner anderen Fläche haben wir eine so große Verpflichtung für künftige Generationen." Man müsse den Wald für die nächsten Jahrhunderte "vielleicht sogar neu erfinden".
Wie das gehen könnte, zeigt Revierförster Lars Eckert an zwei Versuchsflächen im Stadtteil Oberrad. Im ersten Feld wurden 2020 in langen Reihen 17 verschiedene Baumarten gepflanzt, die in heißeren Gegenden heimisch sind: Zedern aus Nordafrika, Kiefern aus Korsika, Buchen vom Ätna in Sizilien. Im zweiten Jahr sind die meisten von ihnen schon knie- bis hüfthoch. In einem zweiten Feld stehen zwischen gelben und blauen Stangen winzige Buchentriebe. Forscher wollen herausfinden, was Buchen, die extremem Hitzestress standhalten, genetisch von denen unterscheidet, die absterben. In Schwanheim wurden die Wurzeln junger Bäumchen vor dem Einpflanzen in ein nährendes Gel getunkt oder in wassergetränkte Torfbällchen gesteckt.
Von Sandra Trauner