Enteignung – ja oder nein?

Tarek Al-Wazir (Bündnis 90/Die Grünen), Wirtschaftsminister und stellvertretender Ministerpräsident, will Besitzer von bisher unbebauten Grundstücken stärker in die Pflicht nehmen. Foto: dpa

Die Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände fordert von Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir eine klare Position in der Wohnungspolitik. Eine Enteignung sei völlig...

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WIESBADEN. Die hessische Wirtschaft hat Forderungen nach Enteignung von Wohnungs- und Grundstückseigentümern scharf zurückgewiesen und Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) aufgefordert, in dieser Frage klar Position zu beziehen.

In einem Interview hatte sich Al-Wazir, der für Wohnungsbau zuständig ist, von der Position des Grünen-Bundesvorsitzenden Robert Habeck distanziert, der eine Enteignung von Wohnungsgesellschaften für möglich hält. Allerdings plädierte Al-Wazir dafür, Eigentümern von unbebauten Grundstücken, „wo nichts passiert, weil die Leute jahre- oder jahrzehntelang ihre Fläche dort nicht bebauen, (…) denen im Zweifel auch zu sagen, dass es ein allerletztes Schwert gibt“.

Unternehmer kritisieren Drohung des Ministers

Die Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände (VhU) wies diese „Drohung mit Flächenenteignung“ entschieden zurück. Sie sei völlig unverhältnismäßig und kollidiere im Übrigen mit dem grundgesetzlich garantierten Eigentumsschutz. Anstatt sich über mögliche Enteignungen Gedanken zu machen, sollte Al-Wazir sich dafür einsetzen, dass die Kommunen mehr Bauflächen auswiesen.

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Wenn der Staat einmal anfange, das Eigentum für politische Zwecke infrage zu stellen, dann hätten Grundstückseigentümer und potenzielle Bauherren keine Sicherheit, wo diese Politik ende. „Dann werden sie langfristig weniger oder woanders investieren“, sagte Thomas Reimann, Vorsitzender des Bau- und Immobilienausschusses der VhU.

Der Verband der Südwestdeutschen Wohnungswirtschaft (VdW) widersprach der „absurden Forderung nach Enteignung von Wohnungsunternehmen“. In Teilen des linken politischen Spektrums gehe offenbar jedes Maß verloren. Die Forderungen stellten fundamentale Prinzipien der Demokratie infrage, erklärte VdW-Vorstand Axel Tausendpfund. Die wohnungspolitische Debatte nehme mittlerweile abenteuerliche Züge an. Die Nachfrage nach Wohnungen in den Ballungsgebieten von Hessen und Rheinland-Pfalz sei seit Jahren ungebrochen hoch. Das Angebot halte damit jedoch nicht Schritt, es gebe zu wenige bezahlbare Wohnungen „Die Lösung: Es muss mehr gebaut werden“, so Tausendpfund. Das sei quer durch alle politischen und gesellschaftlichen Lager unbestritten. Das Grundgesetz stelle Eigentum unter besonderen Schutz und sehe Enteignungen ausschließlich als letztes Mittel vor, wenn alle anderen Wege ausgeschöpft seien. Das sei in der Wohnungspolitik zweifelsfrei nicht der Fall.

Zudem seien Enteignungen von Wohnungsunternehmen nach dem Grundgesetz zwingend mit hohen Entschädigungszahlungen verbunden. „Durch Enteignungen wird keine einzige neue Wohnung gebaut“, erklärte Tausendpfund. Es würden Unsummen für bereits bestehende Wohnungen aufgewandt. Geld, das man sinnvoller in den Bau von Tausenden neuen, bezahlbaren Wohnungen investieren könnte.

Al-Wazir kündigte unterdessen an, den Städten kurzfristig Instrumente an die Hand zu geben, um gegen die Ursache der Zweckentfremdung von Wohnungen vorzugehen. Dazu sollten die Städte rechtlich in die Lage versetzt werden, die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen zu untersagen. „Damit können wir eine wesentliche Ursache für spekulativen Leerstand und die kalte Entmietung von Wohnungen unterbinden“, so der Minister. Die entsprechende Regelung solle noch in diesem Jahr auf den Weg gebracht werden.