Es war eine Geste der Achtung vor den Opfern des Rechtsterrorismus, des Bedauerns über das, was sich am 6. April 2006 in Kassel ereignete hatte: Als letzten Zeugen hat der...
WIESBADEN. Es war eine Geste der Achtung vor den Opfern des Rechtsterrorismus, des Bedauerns über das, was sich am 6. April 2006 in Kassel ereignete hatte: Als letzten Zeugen hat der NSU-Untersuchungsausschuss des Landtages Ismail Yozgat geladen, den Vater des vom NSU ermordeten Halit Yozgat. Es ist eine Sitzung, in der viel Platz für Gefühle und wenig für die ansonsten strengen Regeln des Ausschusses blieb. Geladen war zwar nur der Vater. Doch auch die Mutter, die mit ihm angereist war, schildert den Abgeordneten, wie sie sich nach dem gewaltsamen Tod des Sohnes fünf Jahre lang zu Hause eingeschlossen hatte, weil sie psychisch aus dem Gleichgewicht geraten war. Der Mord: „Für mich das Ende der Welt“, sagt sie.
Mehr als elf Jahre nach der Tat ringen die Eltern immer noch um Fassung. Das ist erkennbar an den Tränen, die Ismail Yozgat im Untersuchungsausschuss weint. Und es wird deutlich, wenn er aufspringt, um im Sitzungssaal – mit Genehmigung des Ausschussvorsitzenden Hartmut Honka (CDU), Stühle und Tische zu sortieren. Er will die Situation am Tatort nachstellen: Ein Internet-Café, in dem auch der Verfassungsschützer Andreas Temme saß.
Temme will von dem Mord nichts mitbekommen haben. Doch Ismail Yozgat will mit seiner Aktion beweisen: Er muss etwas gesehen haben. Seine Quintessenz: Entweder hat Temme die Täter gesehen. Oder er hat sie angeleitet. Oder er selbst hat Halit Yozgat ermordet.
Der Ausschuss soll unter anderem untersuchen, ob die Sicherheitsbehörden Fehler gemacht haben. Die Polizei war ja anfangs dem Verdacht nachgegangen, das Motiv könnte im Mafia-Milieu zu finden sein: Das Telefon der Eltern war abgehört worden. Umso überraschender, was Ismail Yozgat über die Polizei sagt: Die habe versucht, so gut als möglich ihre Arbeit zu machen. Einer der Kommissare sei alle zwei Wochen bei ihm gewesen, habe ihm zur Seite gestanden.
Das hat nichts daran geändert, dass heute noch nichts gut ist für die Eltern. Damit es wieder besser wird, müsste die Stadt Kassel die Straße, in der das Internet-Café lag, in Halit-Straße umbenennen. Und ihr Sohn müsste als Märtyrer anerkannt werden. „Das ist für uns sehr wichtig“.
Von Christoph Cuntz