Keine Volksverhetzung: Freispruch für Corona-Kritiker Bhakdi

Auf der Anklagebank: Sucharit Bhakdi (links) und seine Anwälte vor der Verhandlung wegen Volksverhetzung im Gerichtssaal.
© Christian Charisius/dpa

Der umstrittene Mediziner und frühere Professor in Mainz und Gießen stand in Schleswig-Holstein wegen Volksverhetzung vor Gericht. Jetzt ist das Urteil gefallen.

Anzeige

Plön/Mainz. Der Mediziner und Autor Sucharit Bhakdi (76) war früher Professor in Mainz und Gießen, ist einer der bekanntesten Kritiker der Coronapolitik und -impfung, er gilt als Ikone der „Querdenken“-Bewegung. Am Dienstag stand er wegen Volksverhetzung vor dem Amtsgericht in Plön (Schleswig-Holstein) – und wurde freigesprochen. Das Gericht bewertete Reden Bhakdis während der Corona-Pandemie als nicht strafbar.

Anklage: Juden als religiöse Gruppe böswillig verächtlich gemacht

Die Anklage hatte Bhakdi zu Last gelegt, in einem Interview im April 2021 „auch gegenüber in Deutschland lebenden Jüdinnen und Juden zum Hass aufgestachelt und diese als religiöse Gruppe böswillig verächtlich gemacht zu haben“. Mit Blick auf die Corona-Impfkampagne in Israel hatte Bhakdi gesagt, die Juden hätten ihr eigenes Land in etwas verwandelt, „was noch schlimmer ist, als Deutschland war“. „Das ist das Schlimme an den Juden: Sie lernen gut. Es gibt kein Volk, das besser lernt als sie. Aber sie haben das Böse jetzt gelernt – und umgesetzt. Deshalb ist Israel jetzt living hell, die lebende Hölle“, sagte er unter anderem. Im September 2021 sprach er dann bei einer Wahlkampfveranstaltung (Bhakdi war Bundestagskandidat für die Partei „Die Basis“) im Zusammenhang mit der Zulassung von Covid-19-Impfstoffen von einem „Endziel“ und einem „zweiten Holocaust“. 

Beide Äußerungen sind in Videos dokumentiert, es ging in dem Verfahren um die rechtliche Wertung. Die Staatsanwaltschaft Kiel hatte es abgelehnt, Bhakdi wegen Volksverhetzung anzuklagen, später zog die Generalstaatsanwaltschaft den Fall an sich und kam zu einem anderen Schluss. In Prozess forderte sie nun eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 90 Euro. Die Verteidigung hatte auf Freispruch plädiert. Der Richter sagte in seiner Begründung, bei mehrdeutigen Aussagen müssten auch andere Deutungen berücksichtigt werden. Es sei nicht vollständig auszuschließen, dass Bhakdi mit seinen Äußerungen nur die israelische Regierung und nicht das Volk meinte. Die Generalstaatsanwaltschaft kündigte Rechtsmittel an.

Anzeige

Vor dem Gerichtsgebäude versammelten sich schon vor Beginn der Verhandlung mehr als 300 Menschen, die bei der Ankunft Bhakdis mit minutenlangem Applaus und mit Transparenten ihre Solidarität ausdrückten. „Wer die Wahrheit sagt, wird angeklagt“, war unter anderem zu lesen. Die Polizei setzte rund 50 Beamte ein.

Universitäten in Mainz und Kiel haben sich von Bhakdi distanziert

Als Wissenschaftler war Bhakdi, der heute im Kreis Plön wohnt, unter anderem von 1982 bis 1990 an der Justus-Liebig-Universität Gießen tätig, später war er bis zu seinem Ruhestand 2012 Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene an der Mainzer Johannes Gutenberg-Universität. Seine frühere Hochschule in Mainz distanzierte sich im Oktober 2020 deutlich von ihm. Unter Verweis auf seine Position als „Emeritus“ der Mainzer Uni vertrete er Positionen zu Covid 19, die „nicht mit der Universität oder der Universitätsmedizin abgestimmt“ seien. Auch sein früheres Institut für Medizinische Mikrobiologie distanziere sich „an entscheidenden Stellen von den von Herrn Bhakdi vertretenen Positionen, die wir als irreführend und falsch betrachten“. Bhakdi sei auch kein „emeritierter Professor“ der Uni Mainz – als welcher er noch bestimmte Rechte hätte –, sondern sei ein „Professor im Ruhestand“.

Noch deutlichere Kritik kam zuvor von der Uni Kiel, dem Arbeitsort von Bhakdis Ehefrau Karina Reiß (48), einer Biochemikerin. In Kiel war der frühere Mainzer zeitweise als Gastwissenschaftler tätig. Das Ehepaar veröffentlichte im Juni 2020 gemeinsam den Bestseller „Corona Fehlalarm?“; daraufhin widersprachen die Kieler Chefs der Medizinischen Fakultät, des Exzellenzclusters und des Uniklinik-Vorstandes in einer Stellungnahme „entschieden den unbelegten und im Gegensatz zu seriösen internationalen wissenschaftlichen Erkenntnissen stehenden Behauptungen“ der beiden Professoren. Am Dienstag begleitete Reiß ihren Mann zum Gerichtstermin.

Anzeige
Großer Zuschauerandrang: Der Angeklagte Sucharit Bhakdi und seine Ehefrau Karina Reiß gehen vor Beginn eines Prozesses wegen Volksverhetzung vor dem Amtsgericht Plön durch eine Gruppe von wartenden Anhängern und Journalisten.
Großer Zuschauerandrang: Der Angeklagte Sucharit Bhakdi und seine Ehefrau Karina Reiß gehen vor Beginn eines Prozesses wegen Volksverhetzung vor dem Amtsgericht Plön durch eine Gruppe von wartenden Anhängern und Journalisten.
© Christian Charisius/dpa

Ob Bhakdi den Professorentitel auch künftig führen darf, ist derweil offen – das rheinland-pfälzische Wissenschaftsministerium prüft den Entzug. Laut Landeshochschulgesetz könne die Weiterführung des Titels auf Vorschlag der Hochschule wegen „Unwürdigkeit“ untersagt werden, erklärte das Ministerium auf Anfrage. Die Mainzer Uni sei deswegen im Dezember 2021 auf das Ministerium zugegangen. Zwar seien die geplante Untersagung und das Gerichtsverfahren nicht unmittelbar voneinander abhängig – dennoch könnten „Feststellungen dieses Verfahrens die konkrete Ausgestaltung unserer Entscheidung beeinflussen“, hieß es aus dem Ministerium vor dem Urteilsspruch.