Gastkommentar von Friedrich Küppersbusch: Nicht mehr zu retten?

Friedrich Küppersbusch. Archivfoto: dpa

Hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland noch eine Zukunft? Ja, findet Friedrich Küppersbusch - auch wenn seine Zukunft offener denn je ist.

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. ARD und ZDF sind nicht zu retten. Liefern sie massenwirksame Qualitätsprogramme, heißt es: Das sollten sie lieber den Privaten überlassen. Versorgen sie kleine Zielgruppen mit nischiger Spezialdiät, schallt es: "Und für den Sektenfunk kassieren die auch noch Gebühren!?" Am letzten Sendetag werden die Öffentlich-Rechtlichen live eine Partie "Mühle auf - Mühle zu" übertragen. Weiche Ausblende, Nationalhymne, Sendeschluss.

Kaufen Sie Joghurt, Kartoffeln oder ein Auto - im Preis enthalten ist ein winziger Anteil, der Werbung für derlei Konsumartikel in kommerziellen Medien finanziert. Gucken Sie gar nicht? Finden Sie doof? Bezahlen Sie trotzdem. Findige Rhetoriker hätten leichtes Spiel, von einer versteckten Zwangsgebühr zu sprechen. Vom Haushaltsbeitrag der Öffentlich-Rechtlichen können Bedürftige sich immerhin befreien lassen. Und alle können, der Idee nach, demokratisch mitwirken. In Räten und Gremien sitzen Landfrauen, junge Unternehmer, Kirchen und Parteien. Dass sie am Ende Posten und Programme zu ihrem Vorteil ausschachern, ist traurig. Noch trauriger ist nur: Die Parteien können da Beute machen, weil's sonst keiner tut. Sie haben die Gemeinwohlsender so im Griff wie die Werbekunden die Kommerziellen.

Bei Licht betrachtet: schön. Eine Medienlandschaft, in der Kreative und Journalisten schauen müssen, wie weit Sponsoren kritisches Programm finanzieren. Oder wie viel Kirmes, Zirkus und Punk gesellschaftliche Interessengruppen durchgehen lassen. Das "duale System" bewahrte uns bisher vor Durchmärschen wie Berlusconis in Italien, Orbans in Ungarn. Und ein deutscher Trump könnte vorerst nicht auf Anbetungssender rechnen wie das kommerzielle "Fox News" in den USA. Das "Public Broadcasting System", die Öffentlich-Rechtlichen dort, senden am Rand wenig beachtet herum und finanzieren sich rein aus Spenden. Interessant, dass genau dies die Forderung der AfD für die Zukunft der deutschen Medienlandschaft ist. Einigermaßen austarierte Balance also in Deutschland bisher. Die historischen Wurzeln - Hugenberg, Goebbels, Zusammenbruch, Besatzungszonenfunk - geraten in Vergessenheit. Ein Referendum, eine Volksabstimmung über unser Rundfunksystem würden ARD und ZDF heute nicht riskieren wollen; in der Schweiz stimmten im März an die 30 Prozent gegen sie, die "No Billag"-Initiative scheiterte beachtlich und zieht nun doch blutige Einsparungen dort nach sich. Das deutsche System funktioniert, die Sender exportieren trotz Sprachbarriere vieles ins Ausland, für die Gegenwart reicht: es funktioniert. Zumal aus dem Print- und Online-Bereich die Verlage Meßlatten immer wieder neu justieren. Wettbewerb.

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Doch von der Straße wehen Schmähungen herein. Lügenpresse, Systemmedien, Staatsfunk. Untereinander sind Gemeinwohlsender, Kommerzielle und die Verlage in heftige Lobbygemetzel verstrickt: Gebührendebatte, Werbeverbot, Internet-Regulierung. Viele Nutzer verstehen heute "Facebook" als Nachrichtenquelle, zahlen stattliche Abos für Heimkinoportale und machen sich für ein paar unterhaltsame Klicks datennackt gegenüber US-Konzernen.

Da wirkt unsere Rundfunkdebatte wie ein uferloser Streit über Anthrazit oder Braunkohle auf der Dampflok, während die Nachbarn die elektrischen Lokomotiven bauen. Bei der umstürzenden gesellschaftlichen Bedeutung, die Google, Facebook, Twitter, Instagram, Amazon und viele andere haben, könnte man auf die Idee kommen, gegen diesen Wilden Westen gesellschaftlich beaufsichtigte Portale zu setzen, die sich am Gemeinwohl orientieren. Datengeschützt, werbefrei, transparent, schnüffelsicher. Angela Merkel forderte schon 2013, auf der Höhe der "NSA"-Spitzeldebatte, "europäische soziale Netzwerke", das habe doch bei Airbus gegen Boeing anfangs auch keiner für möglich gehalten, und dann ging es doch. Zunächst müsste man dafür eine gesetzliche Grundlage schaffen. So etwas wie eine öffentlich-rechtliche Medieninstanz. Wenn wir nicht schon Öffentlich-Rechtliche hätten. Wenn sie noch zu retten wären.

Von Friedrich Küppersbusch