Gastbeitrag von Necla Kelek: Islampolitik in Corona-Zeiten

Necla Kelek Foto: Kelek
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Im Schatten der Pandemie soll offenbar der Weg bereitet werden, um die Islamverbände anzuerkennen. Schreibt unsere Gastautorin Necla Kelek.

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. Die Corona-Pandemie wirft lange Schatten. In diesem Schatten versuchen einige, Politik zu machen, die vorher so nicht möglich gewesen wäre. Da melden sich Stimmen, die hoffen, dass „die dekadente Integrationsdebatte“– gemeint ist wohl die Kritik an Kinderkopftuch, Geschlechterapartheid, Gegengesellschaften etc. – endlich zu Ende sein müsse und der Hijab wie der Mundschutz akzeptiert werden möge. Schließlich würden Migrantinnen mit Kopftuch in der Krise auch im Gesundheitswesen arbeiten. Der Beweis, dass sie „längst unsere Gesellschaft zusammenhalten“.

In der Neuköllner Begegnungsstätte der Dar Assalam Moschee, die wegen islamistischer Aktivitäten in die Kritik geraten war, ruft nun täglich um 18 Uhr und freitags um 13.30 Uhr der Muezzin per Lautsprecher zum Gebet. Die benachbarte evangelische Genezareth-Gemeinde lässt zu denselben Zeiten die Glocken läuten. Die Aktion läuft unter dem Motto „Ich höre Deinen Ruf“ als interreligiöse Aktion in Krisenzeiten. Dass der Gebetsruf freitags etwa 300 Moscheegänger anlockte, die die Aktion vor der geschlossenen Moschee mit Allah-Akbar-Rufen begrüßten, verstieß zwar gegen alle zurzeit geltenden Versammlungsverbote, störte die Berliner Polizei erst, als sich dies wiederholte.

Im Schatten der Corona-Berichterstattung wurde öffentlich auch nicht besonders wahrgenommen, dass die Landesregierung Rheinland-Pfalz eine „Zielvereinbarung“ mit vier Islamverbänden über eine weitgehende Zusammenarbeit, etwa über die Veranstaltung von bekenntnisorientierten Islamunterricht mit Beteiligung der Verbände, getroffen hat. Zudem wird den Verbänden ein Lehrstuhl für Islamische Theologie und die Anerkennung als Religionsgemeinschaften in Aussicht gestellt. Die Zusammenarbeit war bislang infrage gestellt worden, weil u.a. die von der türkischen Regierung angeleitete und finanzierte Moscheevereinigung Ditib unter Verdacht steht, die Interessen der türkischen Religionsbehörde zu vertreten.

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Die von der Landesregierung in Auftrag gegebenen Gutachten hatten die Abhängigkeiten der Verbände zum Beispiel von der Türkei zwar bemängelt. Nun hat aber SPD-Bildungsminister Konrad Wolf diese Bedenken wegverhandelt. Er bestätigt den Verbänden der Ditib, der Schura, dem LVIKZ und der Ahmadiyya (AMJ) keine strukturellen Mängel, das heißt keine Abhängigkeit von Dritten und „dass sie bereits wichtige Beiträge zum muslimischen und gesamtgesellschaftlichen Leben in Rheinland-Pfalz leisten.“ Eine Art religionspolitische Unbedenklichkeitsbescheinigung.

Nur der Ditib wird auferlegt, demokratische Vereinsstrukturen zu installieren und keine türkischen Staatsbeamten oder Personen, die der Weisungsbefugnis des Ditib- Bundesverbandes unterstehen, als Mitglieder der Kommission für den Religionsunterricht zu benennen. Statt Kontrollen wurde eine „Selbstverpflichtung“ vereinbart. Es heißt nun, die Ditib „müsse ihre rechtlichen und tatsächlichen Strukturen so gestalten, dass ein Einfluss Dritter ausgeschlossen ist“. Die Ditib-Funktionäre werden sich wegen des „saf Almanlar“ des naiven deutschen Ministers lachend auf den Teppich der „Fatih (Eroberer) Moschee“ in Speyer geschmissen haben. Noch immer kommen die bundesweit fast 1000 Imame der Ditib-Moscheen als türkische Beamte nach Deutschland, erhalten ihre Freitagspredigten aus Ankara von der Religionsbehörde Diyanet. Noch immer kontrollieren zwei Dutzend türkische Religionsattachés die Arbeit in den Moscheen, gilt der Verband laut Verfassungsschutz als „nationalistisch“. Die Zielvereinbarung liest sich wie ein Staatsvertrag – gleichberechtigte Partner haben „auf Augenhöhe“ einen Vertrag geschlossen: „Die Landesregierung und die Islamische Religionsgemeinschaft Ditib Rheinland- Pfalz e. V. bekräftigen die freiheitlich-demokratische Grundordnung … als gemeinsame Wertegrundlage und Basis ihrer Zusammenarbeit.“

Das mutet an, als sei das Grundgesetz verhandelbar oder der SPD-Minister habe durchgesetzt, dass in Mainz nicht die Scharia gelte. Im Schatten der Corona-Pandemie soll offenbar der Weg bereitet werden, um still und leise die Islamverbände anzuerkennen und ihnen den bekenntnisorientierten Islamunterricht zu überlassen. Ist das Absicht oder nur saf (naiv)?

Von Necla Kelek