Am Donnerstag sollte eine Ariane-5-Rakete gleich zwei Satelliten in die Umlaufbahn in 36.000 Kilometer Höhe bringen. Etwa neun Minuten nach dem Start brach jedoch der Kontakt ab. Es dauerte mehrere Stunden, bis Arianespace kundtat, was Sache ist: Die Rakete war von ihrer Route abgewichen und brachte somit die beiden Satelliten in die falsche Umlaufbahn. Nach Angaben von Arianespace sind die Satelliten trotzdem wohl nicht verloren.
Von Sabine Schiner
Lokalredakteurin Darmstadt
Raketen wie die Ariane 5 oder die neue Ariane 6 (Bild) müssen, um in die Erdumlaufbahn zu kommen, eine Geschwindigkeit von acht Kilometer pro Sekunde erreichen. Bild: ESA
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KOUROU - 14 Raketen will Arianespace in diesem Jahr ins All schicken - das sind so viele Starts wie nie zuvor. Die europäische Ariane 5 gilt im Vergleich zu privaten Konkurrenten wie Space X als zuverlässig. Die Panne beim Raketenstart am vergangenen Donnerstag hat die Serie von 82 erfolgreichen Missionen unterbrochen: Die Rakete verließ die geplante Flugbahn, kurz nach der Zündung der Oberstufe. Die Kontrollzentren am Boden sind in solchen Fällen machtlos. Wenn die Booster gezündet sind, kann die Flugbahn nicht mehr verändert werden. Letztlich bleibt dann nur noch die Sprengung. So weit kam es zum Glück nicht: Die Rakete setzte ihre Satelliten an Bord zwar nicht in die richtige Umlaufbahn, sie sollen laut Arianespace aber nun mit Hilfe ihrer eigenen Antriebe die geplante Position erreichen.
Raketen wie die Ariane 5 bringen Satelliten auf die geostationäre Transferbahn. Von Kourou aus, dem europäischen Weltraumbahnhof in Französisch-Guyana in Südamerika, geht dies besonders gut: Die Startrampe ins All liegt nahe am Äquator. Die Raketen starten von dort aus mit der Erdrotation in Richtung Osten, das gibt ihnen zusätzlichen Schwung. Denn: Am Äquator dreht sich die Erde schneller als an anderen Orten um ihre eigene Achse, Kourou ist deshalb ein idealer Startplatz.
Am Donnerstag sollte eine Ariane-5-Rakete gleich zwei Satelliten in die Umlaufbahn in 36.000 Kilometer Höhe bringen: Den Telekommunikationssatelliten "Al Yah3" eines Betreibers aus Abu Dhabi und "SES-14", ein vollelektrisch angetriebener Satellit mit einer Nasa-Forschungssonde an Bord, die unter anderem die Dichte und Temperaturen der Ionosphäre und Thermosphäre der Erde misst. Etwa neun Minuten nach dem Start brach jedoch der Kontakt ab. Es dauerte mehrere Stunden, bis Arianespace kundtat, was Sache ist: Die Rakete war von ihrer Route abgewichen und brachte somit die beiden Satelliten in die falsche Umlaufbahn. Nach Angaben von Arianespace sind die Satelliten trotzdem wohl nicht verloren. Sie sollen mit ihren eigenen Antrieben in die richtige Position gebracht werden. Der Betreiber hat zudem angekündigt, dass eine unabhängige Kommission unter der Führung des Generalinspektors der ESA klären soll, wie es zu der Panne kommen konnte.
MIT DEM RÜCKSTOSS-PRINZIP IN DEN ORBIT
Raketen, die ins Weltall wollen, müssen die Erdanziehungskraft überwinden. Die Ariane 5 muss dazu auf eine Geschwindigkeit von acht Kilometer pro Sekunde kommen. Das geht mit dem Rückstoß-Prinzip: Das am unteren Ende der Rakete schnell austretende Gas sorgt dafür, dass sich die Rakete nach oben bewegt.
Die Ariane 5 hat mehrere Antriebe: Dazu zählen Hilfsraketen, Booster, die mit explosiven Chemikalien gefüllt sind und der Rakete direkt von der Startrampe weg ein paar Minuten Schub lang geben, um abzuheben. Wenn sie ihre Arbeit getan haben, werden sie abgesprengt. Im Laufe des Fluges wird auch die Hauptstufe abgesprengt, wenn sie leer ist. Es ist die Raketen-Oberstufe, die die Satelliten in ihre Umlaufbahn bringt.
Das Problem bei Raketenstarts: Wenn die Booster gezündet werden, können die Mitarbeiter in den Kontrollzentren die Rakete nicht mehr aufhalten. Im Notfall, wenn Menschenleben in Gefahr sind, muss das Team, das für die Flugsicherheit zuständig ist, die Rakete sprengen. Dazu gibt es spezielle Pyro-Einrichtungen an Bord. Der missglückte Start der ersten Ariane 5 ist so ein Beispiel. Damals, am 4. Juni 1996, war die Rakete aufgrund eines Softwarefehlers aus der vorberechneten Flugbahn ausgeschert. Noch bevor die Bodenkontrolle eingreifen konnte, löste die Bordelektronik die Selbstzerstörung aus.
Raketentechnik kann schwer nach hinten losgehen. Die Sicherheitsstandards sind deshalb hoch. Während der Starts sichern Fremdenlegionäre und die Gendarmerie die Anlagen des Raumfahrtbahnhofs ab. Schnellboote der Marine überwachen die Küste, die Luftwaffe den Flugraum. Die 84 Männer der Feuerwehr-Brigade des Sapeurs Pompiers de Paris - sie werden auch die "Glücksengel" genannt - bekämpfen bei weitem nicht nur Buschfeuer: Sie sind Experten, was explosive Stoffe angeht, sie bieten selbst Brandschutz-Sicherheitsausbildungskurse an und sind auch als Rettungssanitäter im Einsatz.
"Im Flugkorridor der Rakete darf sich niemand aufhalten. Die Sperrzonen werden auch per Helikopter überwacht und zur Not auch evakuiert", erzählt Julia Wembacher (27) im Gespräch mit dem ECHO. Sie hat Physik und Materialwissenschaften studiert, kommt aus Berchtesgaden - und arbeitet seit sechs Monaten in Kourou bei der französischen Weltraumagentur CNES-(Centre national d'études spatiales). Die Ingenieurin ist mit ihren Kollegen für die Bodensicherheit rund um den Weltraumbahnhof zuständig. Die Teams berechnen vorab die Sicherheitszonen und spielen unterschiedliche Szenarien durch. Etwa, welche Maßnahmen greifen müssen, wenn ein Treibstofftank kurz vor oder nach dem Start explodiert. "Wir machen die Berechnungen und geben Empfehlungen", erläutert Julia Wembacher. Noch am Starttag selbst steigen Wetterballons in bis zu 30 Kilometer Höhe auf, um dort Temperatur, Luftfeuchte und Windgeschwindigkeit zu messen. Ihr Team wertet die Daten bis kurz vor dem Start aus und gibt sie an den Range Operations Director weiter. Er entscheidet letztlich, ob der Countdown stattfindet oder nicht.
Das Bodensicherheitsteam hat aber auch zwischen den Raketenstarts viel zu tun: Die Fläche des Centre Spatial Guyanais, des Weltraumbahnhofs, erstreckt sich über 750 Quadratkilometer und ist damit etwa so groß wie der Stadtstaat Hamburg. Ein Großteil des Gelände ist Wildnis, durchzogen von einigen schnurgeraden Betonpisten und Schienen, auf denen die Raketen zur Startrampe tranportiert werden.
Ansonsten gibt es dort sehr viel Natur - Wald, Gebüsch, Savanne, Sümpfe und Seen - die von den Sicherheitsteams überwacht wird. Unter anderem werden regelmäßig Wasser- und Luftproben genommen: Raketen sind hochgiftig, die Verbrennungsprodukte dürfen nicht über bewohntes Gebiet ziehen. Auch die Auswirkungen des Startlärms auf Tiere wird untersucht: Unter anderem werden die Aktionsradien von einem Puma und zwei Jaguaren mit Telemetriesendern überwacht. Großkatzen sind besonders empfindlich, was Lärm angeht. Vögel übrigens auch.
Der Start am Donnerstag war nur eine "Anomalie", wie Arianespace mitteilt. Der "SES-14"-Satellit soll nach Angaben des luxemburgischen Betreibers seinen Orbit vier Wochen später erreichen als geplant. Der Betreiber Yahsat aus Abu Dhabi kündigte ebenfalls einen neuen Flugplan an, um die Mission doch noch erfüllen zu können. Arianespace selbst erklärte, dass die Vorbereitungen für die nächsten Starts in Kourou wie geplant weiterliefen. Im Juli sollen etwa mit der Ariane5-Rakete vier Galileo-Satelliten hochgebracht werden. Einer der häufigsten Sätze, die man von Mitarbeitern der Raumfahrtagenturen in Kourou hört, lautet schließlich nicht von ungefähr "nach dem Start ist vor dem Start."