Unternehmer Manfred Bruer will die Ehe abschaffen. Stattdessen setzt er auf Zweckbeziehungen. Zwei Frauen teilen sich den 71-Jährigen. Für eine ist es Liebe, für die andere ein Mischmasch aus Freundschaft und mehr. Geht das gut?
Ein reicher alter Mann aus Taunusstein will die Liebe revolutionieren. Manfred Bruer (71) ist ein erfolgreicher Unternehmer. Er erfand ein Bausystem für Passivhäuser. Damit ist er international im Geschäft. Sein neuster Clou: Er entwickelt einen Businessplan für die Liebe. Bruer glaubt, er habe die Lösung für die Sache zwischen Mann und Frau gefunden. Ist er irre? Bei einem Hausbesuch erklärt er seine Konstruktion.
Ein Paar gehe oft am Alltag zugrunde, gemeinsames Wohnen zerstöre die Lust aufeinander, sagt Bruer. Der Vater mehrerer Kinder will es anders machen, nach gescheiterten Beziehungen und einer geschiedenen Ehe. Bruer ist mit zwei Frauen zusammen. Linh Thy, 36, und Eva Danila, 44. Beide heißen in Wirklichkeit anders. Sie wohnen getrennt. Bruer trifft jede separat. Nur für schöne Dinge. Eine Sexfantasie vieler Männer. Doch Bruer will mehr. Er bekommt mit seinen Frauen Kinder. Polygamie in der deutschen Provinz.
Er nennt es Projektbeziehung.
Nur wenige Treffen pro Woche sind erlaubt. Zusätzlich: Ausflüge, Reisen, Essen gehen. Abende vor dem Fernseher mit Bier und Chips sind tabu.
Eva Danila stellt er ein Haus im Taunus zur Verfügung, Linh Thy zieht bald in eine separate Wohnung auf seinem weitläufigen Firmensitz ein. Doch was fasziniert die Frauen an dem 71 Jahre alten Mann? Die Lebenserfahrung? Das Geld? Und wie regeln die Projektpartner die Kinderbetreuung?
Auf dieser Seite erzählt Bruer seine Geschichte, auf der nächsten berichten die Frauen vom Projekt zu dritt. Der Tabubruch sorgt für neue Probleme. Bruers Modell – der Himmel auf Erden oder die Hölle?
Manfred Bruer, 71:
„Die polygame Projektbeziehung ist eine attraktive Alternative zur monogamen Ehe. Das mit der Ehe ist wie mit dem Champagner. Trinkt man zwei oder drei Glas davon, kommt man auf den Geschmack. Irgendwann folgt aber der Breakpoint. Trinkt man jetzt weiter, nimmt die Begeisterung ab und es kommt zur Übersättigung.
Um Frauen kennenzulernen, habe ich Kontaktanzeigen inseriert. Die Überschrift: Suche Engel, biete Himmel. Doch mittlerweile finde ich das Internet effektiver. Über eine Kontaktbörse lernte ich Eva kennen. Sie war 39 Jahre alt und ich genoss ihre charmante Art, aber wir hatten eine grundlegende Differenz: Ich bin 184 Zentimeter groß und wiege 72 Kilogramm. Aber Eva wog 84 Kilogramm, bei einer Größe von 172 Zentimeter. Das ging für mich nicht. Ich liebe schlanke Frauen, das ist in meiner DNA. Eva versprach mir, innerhalb der nächsten vier Wochen eklatant abzunehmen. Aber es gab dann nur Ausreden statt Gewichtsverlust. Deshalb konnte ich mit ihr keine richtige Beziehung führen. So entwickelte ich das Modell der Projektbeziehung mit folgenden Regeln: Man betrachtet in einer Projektbeziehung ausschließlich die verbindenden Elemente. Getrennte Wohnsitze sind Bedingung. So kann sich jeder bei Einschränkungen zurückziehen. Man trifft sich ein- bis zwei Mal in der Woche. Es gibt keinen Besitzanspruch.
Was Projektbeziehung für mich bedeutet? Das Projekt ist der Nachwuchs! Ich möchte noch viele Kinder haben.
Mit Eva pflege ich eine freundschaftliche Beziehung, die über Küssen nicht hinausgeht. Zur Produktion des Nachwuchses haben wir ein Kinderwunschzentrum in Anspruch genommen. Heute haben wir zwei wunderbare Söhne. Einer ist zwei Jahre alt, der andere wurde am 1. Juni geboren. Eine Beziehung mit Note 1 plus.
Dann lernte ich Linh im Internet kennen: 34 Jahre alt, 160 Zentimeter groß und 45 Kilogramm leicht. Rohkost-Veganerin, Lehrerin. Sie entspricht meinen Vorstellungen vom schlanken Körper und der kargen Ernährung ohne tierische Produkte. Sie ist tolerant und ohne Besitzansprüche.
Sie hat bereits einen dreijährigen Sohn und möchte auch mit mir noch weitere Kinder haben. Auch sie ist inzwischen schwanger. Ein kleines Problem gibt es aber doch. Eva war eifersüchtig. Gemeinsame Aktionen zusammen mit Linh kamen für sie nicht in Frage. So haben wir uns auf einen Kompromiss geeinigt. Besuche der beiden finden stets zu getrennten Zeiten statt. Kommt Eva zu mir, werden die Fotos von Linh vorher abgehängt.
Ob ich auch Windeln wechsele? Selbstverständlich! Das wäre für mich eine erhabene Aufgabe und würde mir Freude machen. Allerdings: Bis auf eine Ausnahme hat sich das noch nicht angeboten, da Eva in einem separaten Haus lebt.“
Linh Thy, 36:
„Vor einem Jahr habe ich Manfred kennengelernt. Im Sommer. Das erste Date war gleich in meiner Wohnung. Er hat so ein schönes Lächeln. Ich finde ihn attraktiv. Ich wusste sofort: Der ist es. Wir haben uns geküsst.
Ich finde es toll, dass er Kinder will. Manfred ist ein Familienmensch, das berührt mich.
Ob Manfreds Alter ein Problem ist? Nein, daran denke ich überhaupt nicht. In unserer Kultur spielt das Alter des Partners keine Rolle.
Er hat so ein großes Herz. Nur die Liebe spielt eine Rolle. Er ist der Mann meines Lebens, ich habe ihn an unserem ersten Treffen sofort meinen Eltern vorgestellt, per Videotelefonie.
Ein paar Tage danach hat er mir von seinen Projektbeziehungen erzählt. Das war kein Problem für mich. Ich will, dass er glücklich ist. Ich nehme Rücksicht auf den Partner. Ich selbst habe keinen Kontakt zu anderen Männern. Ich glaube, Manfred fände das nicht so gut.
Wir verbringen die Urlaube zusammen. Ich habe die wunderbare Zeit zusammen mit ihm genossen. Ich bin jetzt schwanger. Es ist von Manfred. Er freut sich riesig darüber. Ich bin von seinem Lebensstil begeistert. Er ernährt sich so gesund. Wir essen gemeinsam Obst und Rohkost. Er ist schlank und sportlich. Für mich ist er perfekt.
Ich werde bei ihm einziehen. Er will das Kind mitbetreuen. Wir wollen noch drei bis vier weitere Kinder bekommen. Manfred will mich mit 500 Euro pro Monat unterstützen, bis das Kind 18 ist.“
Eva Danila, 44:
„Wir haben zwei Kinder, sie sind 2,5 Jahre und zwei Monate alt. Manfred ist ein Gentleman, und so positiv. Aber diese Projektbeziehung. Eigentlich war am Anfang nicht die Rede davon. Ich bin Rumänin, denke da traditionell. Ich habe Manfred gesagt: Ich will nicht ihren Namen hören, will nicht ihre Fotos sehen und sie auch niemals treffen. Ich blende sie aus. Aber wenn ich dran denke, nagt es an mir. Wahrscheinlich ist es Eifersucht. Trotzdem ist die Freundschaft mit Manfred mittlerweile sehr tief gehend, sehr intensiv geworden. Irgendwie akzeptiere ich die Sache, sonst müsste ich ja einen Schlussstrich ziehen.
Als wir die künstliche Befruchtung eingeleitet haben, erzählte er mir von seinem neuen Projekt. Er wollte ein Kind mit einer anderen Frau. Ich war erst mal schockiert und wütend, habe an Trennung gedacht. Dann hab ich mich hingesetzt und aufgeschrieben, was für ihn spricht und was dagegen.
Ich kann mich so um meine Kinder kümmern, muss nicht arbeiten und die Zukunft meiner Kinder ist abgesichert. Außerdem genieße ich die Treffen mit Manfred und schätze seine Ehrlichkeit und weiss genau, dass ich mich zu 100 Prozent auf ihn verlassen kann. Uns verbinden ja nicht nur die Kinder, sondern auch andere Sachen wie zum Beispiel die Affinität zum Bauen und Renovieren, wir sind beide sehr positive, ausgeglichene Menschen und vermeiden Stress in jeder Lage. Er hat uns ein Haus im Taunus gekauft, ganz in der Nähe meiner Familie. Unsere Jungs erben das einmal. Bis dahin zahle ich Miete. Seit zweieinhalb Jahren bin ich Vollzeitmutti. Das ist schön und ich kann mich so voll und ganz auf meine Kinder konzentrieren und für sie da sein.
Aber wenn ich daran denke, wie er mit der Anderen eine schöne Zeit verbringt, krieg ich noch Bauchschmerzen. Von meiner Seite ist ein bisschen mehr Gefühl drin, glaube ich. Es ist irgendwie mehr als Freundschaft, so ein Mischmasch. Er ist ein wichtiger Teil meines Lebens geworden.
Beim dritten Versuch hat die künstliche Befruchtung geklappt. Ein Versuch kostet 5000 Euro. Manfred hat bezahlt.
Wir wollen jetzt noch ein Kind über das Kinderwunschzentrum bekommen. Im Frühjahr gehts wieder los.
Wenn die Kinder in die Kita kommen, will Manfred sie dort ein- bis zweimal pro Woche abholen und anschließend unternehmen wir was zusammen.
Wir unternehmen viel. Gehen auf Gartenschauen, essen gemeinsam, machen Spaziergänge, erledigen Einkäufe, fliegen zweimal im Jahr in den Urlaub. Zypern, Lanzarote, Gardasee. Wir besuchen Spielplätze, den Wildpark oder auch Messen.
Wir haben uns vor etwa vier Jahren über das Internet kennengelernt. Wir haben uns mehrfach getroffen, es hat einfach gepasst, dachte ich. Drei Monate waren wir zusammen. Aber ich war ihm zu mollig. Er wollte nicht. Dann machte er mir das Angebot mit der Projektbeziehung. Andere Männer? Wenn was kommt, ist gut, wenn nicht, auch nicht schlimm. Wenn mich ein Mann anzieht, wäre ich schon offen. Aber das ist schwierig. Als alleinerziehende Mama. Bitte ohne Kinder, steht bei vielen Männern im Flirt-Profil. Sobald ich mich als Mutter outete, brachen Männer den Kontakt ab.
Ich bin mollig, das ist ein Problem. Ich verstehe Manfred, ich habe mich schlanker auch wohler gefühlt. Aber gerade nehme ich ab. 15 Kilogramm sind schon runter. Ich esse nur noch Suppe, Obst und Gemüse. 69 Kilogramm sind mein Wunschgewicht. Eine richtige Liebesbeziehung kann ich leider nicht erzwingen.
Die Namen der Frauen wurden auf deren Wunsch geändert.“
Das sagt Psychologe Oskar Holzberg dazu:
„Oh ja, die Liebe braucht Hilfe. Monogamie und Monotonie in der Ehe machen ihr zu schaffen. Paare ringen deshalb um mehr Intimität und Offenheit. Und besonders die jüngeren Generationen versuchen, ihre Sexualität ehrlich mit mehr als einem Partner zu leben, statt geheime Affären zu haben. Da ist es sympathisch, wenn drei Menschen ein neues Modell versuchen. Wenn es denn ein neues Modell wäre! Wenn die Liebenden der Zukunft in Herrn Bruers Projektmodell leben würden, dann wäre etwas ganz entsetzlich schief gegangen. Und man würde sich augenblicklich zurück in die Zukunft wünschen. Das Patriarchat hätte wieder zugeschlagen. Die wohlhabenden Männer hielten sich in ihren hübschen Immobilien einen kleinen Harem, um sich großzügig fortzupflanzen. Die Frauen wären wieder am Herd, passten sich an und versuchten, die Bauchschmerzen der Unterordnung auf hübschen Reisen zu vergessen. Die „Projektbeziehung“ ist ein untauglicher Versuch, allem, was keinen Spaß macht, allen schwierigen Gefühlen, aus dem Weg zu gehen. Wohl weil in dieser Beziehungswelt alles den narzisstischen Bedürfnissen ihres Schöpfers untergeordnet wird. Doch schwierige Gefühle können wir nicht vermeiden. Sie bleiben bestehen und wirken sich aus, auch und gerade, wenn wir sie unterdrücken. Das ist bewiesenes psychologisches Grundwissen. Und nur wenn wir uns auf Augenhöhe begegnen und aus unserer Unterschiedlichkeit ein gemeinsames Leben formen, kann die Liebe für uns befriedigend werden. Sonst müssen wir uns von Partnerschaftlichkeit und Gleichberechtigung verabschieden. Aber wer will das? Einem Bild ohne Schatten fehlt jede Tiefe. Der angeblich nur angenehmen „Projektbeziehung“ auch.“