Rheinhessische Auswanderer begründeten in den USA die...

Adolphus Busch errichtete in St. Louis ein riesiges Bier-Imperium. Foto: picture alliance / Curt Teich Postcard Archives  Foto: picture alliance / Curt Teich Postcard Archives
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Rheinhessen, ausgerechnet Rheinhessen: Von diesem winzigen Flecken Erde aus, der heute vor allem für seinen Wein gerühmt wird, startete dereinst das Bier seinen Siegeszug in...

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. Rheinhessen, ausgerechnet Rheinhessen: Von diesem winzigen Flecken Erde aus, der heute vor allem für seinen Wein gerühmt wird, startete dereinst das Bier seinen Siegeszug in die Welt.

Adolphus Busch errichtete in St. Louis ein riesiges Bier-Imperium. Foto: picture alliance / Curt Teich Postcard Archives  Foto: picture alliance / Curt Teich Postcard Archives
Marketing as it’s „Best“: 1958 veranstaltete die Pabst-Brauerei in Mettenheim, Heimatort ihres Gründers Jakob Best, ein amerikanisches Bierfest. Foto: Sammlung Helmut Schmahl  Foto: Sammlung Helmut Schmahl
Um 1900 setzte die Schlitz Brewing Company an Getreidesilos in Illinois auf weithin sichtbare Werbung. Foto: picture alliance / akg-images  Foto: picture alliance / akg-images

Zum Anfang dieser erstaunlichen Geschichte deutete allerdings rein gar nichts auf Glanz und Gloria hin: Mitte des 19. Jahrhunderts herrschte in Rheinhessen Tristesse. Binnen kürzester Zeit hatte es dort eine wahre Bevölkerungsexplosion – von 160 000 Einwohner 1816 auf 250 000 im Jahr 1850 gegeben. Für die strukturschwache Region hatte diese Entwicklung fatale Folgen: Viele Handwerke waren überbesetzt, die Arbeitslosigkeit stieg. Da zudem im Zuge der napoleonischen Reformen Landbesitz zwischen den Erben aufgeteilt wurde und folglich stetig schrumpfte, rutschten selbst gut situierte Familien sozial ab. „Seit etwa den 1830er Jahren reifte die Erkenntnis, dass es die bessere Zukunftsstrategie sei, das Land hier zu veräußern und für das Geld in Amerika große Ländereien zu erwerben“, erklärt der Alzeyer Historiker Dr. Helmut Schmahl. „Insbesondere der mittlere Westen der USA war ein begehrtes Siedlungsgebiet, weil die Regierung dort günstig Land verkaufte, das sie zuvor den Indianern abgenommen hatte.“

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Einer der ersten Neuankömmlinge dort war der Guntersblumer Förster Franz Neukirch, der sich 1839 in der Gegend von Milwaukee, Wisconsin, niederließ. In seinen zahlreichen Briefen in die Heimat schwärmte er alsbald von den zahlreichen Vorzügen Amerikas – und sollte damit eine riesige Kettenwanderung auslösen.

Rheinhessen stellten Bevölkerungsmehrheit

Innerhalb weniger Jahre folgten ihm etwa 4000 (Rhein-)Hessen nach Milwaukee und in das Umland. „In einem Gebiet, das halb so groß ist wie der Landkreis Mainz-Bingen stellten Rheinhessen damit die Mehrheit der Bevölkerung“, sagt Schmahl. Nun wollten die Migranten zwar von den Vorzügen der Neuen Welt profitieren, dabei aber auch nicht auf die Annehmlichkeiten aus ihrer Heimat verzichten. Und für die geselligen Rheinhessen zählte dazu vor allem eines: gutes Bier. Das in den USA damals verfügbare Gesöff – wie das im Stile starker englischer Ales und Porters gebraute „Common beer“ – konnte dieses Bedürfnis nicht befriedigen, sehnten sich die Deutschen doch nach hellem, kohlensäurehaltigen Lagerbier aus Gerste und Hopfen.

„Wenn man nach einer Geldquelle sucht und da sitzen lauter Leute, die sich Bier wünschen, liegt die Idee nahe, dass man es selbst braut“, erklärt der rheinhessische Bierexperte Jürgen Birk. Das galt sowohl für jene, die sich als gelernte Brauer oder Küfer ohnehin auf das Handwerk verstanden, als auch für jene – wie den erwähnten Förster Neukirch –, die im Land der unbegrenzten Möglichkeiten einen neuen Weg einschlugen. „In Milwaukee, damals die Stadt mit der stärksten deutschen Bevölkerung, kristallisierte sich bald eine bierselige deutsch-amerikanische Kultur heraus“, sagt Schmahl. 1847 waren unter den deutschen Brauern des aufblühenden Milwaukees Neukirch und die aus Mettenheim stammende Familie Best die dominierenden Kräfte auf einem florierenden Markt. „Zehn Jahre später zählte alleine Milwaukee bereits 25 Brauereien, deren Umsätze nur von der Eisenindustrie übertroffen wurden“, bekräftigt Schmahl, der an der Universität Mainz als Privatdozent lehrt.

„Lager“ made by Rheinhessen

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Als mitentscheidend für die überregionale Verbreitung sollte sich der Amerikanische Bürgerkrieg (1861 bis 1865) erweisen, in dem auch deutsche Einwanderer kämpften. Nach geschlagener Schlacht kreiste so manches Bier um das abendliche Lagerfeuer und leistete damit Mundpropaganda im besten Wortsinne. Die Menschen wollten Bier – und sie bekamen es. Dank der verbesserten Infrastruktur und der Verbreitung des Pasteurisierungsverfahrens konnte Bier bald auf Straßen, Schienen und Schiffen in alle Winkel der USA (und darüber hinaus) transportiert werden. Überall trank man „Lager“ made by Rheinhessen. „Um 1900 war die amerikanische Brauindustrie fest in deutscher Hand – und das bedeutete weitestgehend: in rheinhessischer Hand“, konstatiert Schmahl.

Neben den zahlreichen kleinen, mittleren und größeren Brauereien begründeten einige besonders gewitzte und bestens vernetzte Unternehmer wahre Bierdynastien. Dazu zählt der Mainzer Joseph Schlitz, der nach seiner Migration 1855 in Milwaukee zunächst als Buchhalter in einer Brauerei arbeitete, bevor er dort überaus erfolgreich selbst das Ruder übernahm. Zwar kam er 1875 bei einem Schiffsunglück ums Leben, doch seine Neffen führten den Betrieb erfolgreich weiter: Allein 1880 produzierte die „Schlitz Brewing Company“ 250 000 Hektoliter Bier. Eine unglaubliche Menge.

In dieser Liga spielte auch der Thüringer Schiffskapitän Frederick Pabst, der 1862 in Milwaukee Maria Best, Tochter des gebürtigen Mettenheimers Philipp Best, ehelichte. Dieser leitete damals mit großem Erfolg die von seinem Vater gegründete Best-Brauerei. Nach Bests Tod baute Pabst das Unternehmen binnen weniger Jahre zur zweitgrößten Brauerei der USA aus – mit einem jährlichen Bier-Produktionsvolumen von 150 000 Hektolitern.

Die Schaumkrone unter den Bierkönigen des 19. Jahrhunderts gebührt aber Adolphus Busch aus Mainz-Kastel. Er war nach St. Louis, Missouri, ausgewandert, wo er 1861 Lilly Anheuser, Tochter des aus Bad Kreuznach stammenden Brauereibesitzers Eberhard Anheuser, heiratete. Bald darauf installierte sein Schwiegervater ihn als Teilhaber, bevor der findige Busch Präsident des Unternehmens wurde.

Niedergang erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts

Als besonders genialer Coup erwies sich sein „Budweiser“, das sich als das meistverkaufte Bier der USA etablieren sollte. „Dieses Pils nach böhmischer Brauart galt damals als Creme de la Creme des Bieres“, sagt Schmahl. Zudem wendete er als erster Brauer die Pasteurisierung in den USA an – ein Quantensprung. „Er hat auch einen Manager reingeholt, den Vertrieb stramm organisiert, eine eigene Bahnlinie gegründet und unheimlich viel in die Werbung investiert“, berichtet Birk. Zudem erweiterte er das Unternehmen um immer neue Geschäftszweige. Eine Taktik, die auch andere Großbrauereien verfolgten und die ihnen Anfang des 20. Jahrhunderts sogar das Überleben sichern sollte. Denn während die Prohibition den meisten der bis dato so erfolgreichen Brauereien in den USA den Garaus machen sollte, konnten sich die Marktführer auf andere Produkte konzentrieren: Busch verkaufte beispielsweise das Malzbier Bevo, Schlitz setzte auf Limonade und Pabst hielt sich mit Käse über Wasser. „Nach 1933 haben sich die Großen den amerikanischen Markt aufgeteilt“, sagt Schmahl. „Im Wesentlichen waren das Anheuser-Busch, Schlitz und Pabst.“

Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ereilte Pabst und Schlitz der wirtschaftliche Niedergang. Die Produktionen wurden geschlossen beziehungsweise ausgelagert, sodass von beiden Brauereien heute nur noch die Biermarken existieren.

Der Erfolg von Anheuser-Busch indes ist ungebrochen. Als weltweit größtes Bierimperium rangiert es noch heute vor der Miller Brewing Company. Die hatte 1850 der Württemberger Frederick Miller in Milwaukee aus der Taufe gehoben, indem er Charles und Lorenz Best deren „Plank Road Brewery“ abkaufte. Best? Ja, genau – Charles und Lorenz waren Brüder von Philipp Best und stammten wie er aus Mettenheim, Rheinhessen.