Sonntag,
10.11.2019 - 07:50
4 min
Rauschfreies Cannabis: Produkte mit CBD erobern den Markt
Von Von Irene Habich

Produkte mit CBD fallen in Deutschland nicht unter das Betäubungsmittelgesetz. (Foto: airindizain – adobe.stock/Bearbeitung: vrm/si)
Haschisch und Marihuana sind in Deutschland nach wie vor verboten, doch ein anderes Produkt erobert den Markt: Cannabidiol (CBD), auch rauschfreies Cannabis genannt. Einige Tropfen CBD-Öl täglich sollen Angstzustände, Nervosität und Schmerzen lindern und beim Einschlafen helfen. In Internetforen und Blogs werden CBD noch etliche weitere Wunderwirkungen zugeschrieben, die bis hin zur Heilung von Krebs reichen sollen.
Der Wirkstoff THC ist nur minimal enthalten
In den USA ist CBD längst ein Life-Style-Produkt, es gibt dort Cheeseburger mit CBD-Zusatz und Reality-Star Kim Kardashian wirbt für den Wirkstoff. CBD wird auch in Deutschland rezeptfrei verkauft, in speziellen Läden, Drogerien, Apotheken und natürlich über das Internet.
Aber was genau ist Cannabidiol und hilft es wirklich bei Gesundheitsproblemen – oder kann es vielleicht sogar schaden? CBD ist genau wie das bekanntere, rauscherzeugende THC (Tetrahydrocannabinol) ein Wirkstoff der Cannabispflanze. Es wird jedoch nur aus weiblichen Pflanzen gewonnen und vor allem aus Nutzhanfarten, die kaum THC enthalten. Berauschend wirkt CBD daher nicht. Und weil ihr THC-Gehalt unter 0,2 Prozent liegt, fallen CBD-haltige Produkte auch nicht unter das Betäubungsmittelgesetz. Dafür habe die Substanz Cannabidiol eine ganze Reihe anderer Wirkungen, sagt Franjo Grotenhermen. Der Arzt ist Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin und setzt sich seit Jahren für einen besseren Zugang zu Cannabis-Medikamenten ein. CBD wirke antiepileptisch, angstlösend, anti-entzündlich und lindernd bei Krämpfen. Es könne auch bei Depressionen und Psychosen helfen – anders als THC, das Psychosen und Ängste auslösen kann. Cannabidiol könne vielfältig eingesetzt werden, unter anderem zur Behandlung von Epilepsie, Schizophrenie und chronischen Schmerzen, Krebs, Diabetes, Alzheimer oder Parkinson.
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„Allerdings enthalten die frei verkäuflichen Präparate nur eine geringe Menge des Wirkstoffs,” sagt Grotenhermen. Eine medizinisch wirksame Tagesdosis CBD liege zwischen 200 und 1000 Milligramm, die empfohlene Tagesdosis der frei verkäuflichen Mittel liegt meist nur bei um die 20. „Für eine echte therapeutische Wirkung reicht das nicht aus. Ein leichter Effekt kann aber natürlich trotzdem eintreten”, sagt Grotenhermen.
Patienten reagierten zudem unterschiedlich stark auf CBD. „Wenn aber behauptet wird, man könne mit dreimal drei Tropfen täglich seine chronischen Schmerzen lindern, ist das unseriöse Geschäftemacherei.”
In Deutschland zugelassen sind derzeit zwei verschreibungspflichtige Medikamente, die CBD enthalten: Sativex zur Behandlung von Krämpfen bei multipler Sklerose, das neben CBD auch das psychoaktive THC enthält, und Epidyolex mit purem CBD. Epidyolex wird bisher bei schweren Formen der Epilepsie im Kindesalter eingesetzt, in den USA auch zur Behandlung von Hirntumoren, Schizophrenie und Psychosen. Die empfohlene Dosis beträgt etwa 600 mg pro Tag für ein 30 Kilogramm schweres Kind.
Bei den zugelassenen Medikamenten ist eine Wirksamkeit nachgewiesen, nicht aber bei den freiverkäuflichen, schwach dosierten Produkten. Sie gelten deshalb in der Regel als Nahrungsergänzungsmittel und es ist sogar verboten, sie mit Heilsversprechen zu bewerben. Eine Wirkung ist aber in jedem Fall zu erwarten, wenn Patienten deutlich größere Mengen als empfohlen einnehmen. Gesundheitlich sei das nicht bedenklich, sagt Grotenhermen, die toxische Dosis von CBD liege erst bei 6000 mg, man müsse nur auf Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten achten. Es wird aber schnell teuer, wenn man eine medizinische Wirkung erreichen will: So kostet ein Fläschchen mit zehn Milliliter CBD-Öl rund 150 Euro.
Timm Gros ist Geschäftsführer von Grünes Gold, einer Ladenkette mit Filialen in Frankfurt, Darmstadt, Wiesbaden und Bensheim, die CBD-haltige Produkte verkauft. „Dass CBD erst ab einer bestimmten Dosis wirkt, ist uns bewusst” sagt Gros. Präparate mit besonders niedrigem CBD-Gehalt hat er deshalb auch nicht im Sortiment.
Ohnehin gebe er keine Dosierungsempfehlung: „Die richtige Dosis muss jeder für sich selbst herausfinden.” Nur Erfahrungswerte anderer Kunden würden weitergegeben. Auch die Produkte von Grünes Gold haben ihren Preis. Daran lasse sich aber nichts ändern, weil das Extraktionsverfahren zur CBD-Gewinnung so aufwendig sei, sagt Gros. Tatsächlich sind auch verschreibungsfähige Cannabis-Medikamente teuer – und werden oft nicht von der Krankenkasse bezahlt. Und weil es lange Zeit starke gesetzliche Hürden gab, haben kaum Ärzte Erfahrung mit der Verschreibung von Cannabis als Medizin. Wer größere Mengen frei verkäuflichen CBDs einnimmt, gibt pro Monat schnell 300 Euro aus. „Aber das ist es den Kunden wert, wenn sie damit zum Beispiel ohne Nebenwirkungen ihre chronischen Schmerzen lindern können,” sagt Gros. Zutritt zu den Grünes-Gold-Filialen gibt es laut Gros erst ab 18, das Personal sei in der Beratung geschult und aus dem Ausland importierte CBD-Blüten würden in einem Uni-Labor auf ihren THC-Gehalt und Verunreinigungen getestet. Das mache die Anwendung sicherer als beim Kauf in einem Online-Shop.
Seine Kunden kämen aus ganz unterschiedlichen Gründen, sagt Gros: „Frauen nehmen CBD bei Regelschmerzen, Kriegsveteranen sagen uns, dass es bei posttraumatischen Belastungsstörungen hilft. Manche schätzen auch einfach nur die entspannende Wirkung.”
Aber ist die Selbstmedikation mit CBD nicht gefährlich, wenn Patienten mit echten Beschwerden deshalb ganz auf den Arztbesuch verzichten? „Den Arzt können wir nicht ersetzen”, sagt Gros. Die meisten Kunden kämen allerdings ohnehin erst dann, wenn sie bereits beim Arzt waren, aber ihre Medikamente nicht wirken würden oder zu starke Nebenwirkungen hätten. „CBD ist kein Wundermittel und das behaupten wir auch gar nicht”, sagt Gros. Vielen seiner Kunden helfe es aber ganz offensichtlich, denn sie kommen immer wieder. Bald sollen deshalb neue Filialen in Mainz, Köln, Düsseldorf und Hamburg eröffnen „Die Nachfrage gibt uns Recht,” sagt Gros.