Orgelbauermeister: „Das Schönste ist das Klangerlebnis“

aus Altes und seltenes Handwerk

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Markus und Wolfgang Oberlinger Foto: Linus Lankers / Simon Rauh

Vom Architekten zum Orgelbauermeister. Wir haben Wolfgang Oberlinger über die Schulter geschaut und mit ihm über seine Arbeitsphilosophie gesprochen.

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WINDESHEIM. Hier ist Platz Großes zu bauen. Markus Oberlinger justiert die Tastatur für ein neues Orgelinstrument. Vor ihm liegt ein Holzkonstrukt, das später einmal die Verbindung zwischen Luftstrom, Klappen und Pfeifen steuern soll, um das Instrument zum Klingen zu bringen. Wenn der Orgelbauersohn an der Mechanik der neuen Truhenorgel werkelt, beobachtet ihn sein Vater mit wachsamen Augen. Dieses Gefühl kennt Wolfgang Oberlinger sehr gut – schon sein Vater war seinerzeit Lehrmeister und Geschäftsführer des Familienbetriebes. In der Familie Oberlinger ist es Tradition, das Handwerk von Generation zu Generation weiterzugeben.

Orgel Art Museum
Wolfgang Oberlinger und Mitarbeiter in der Forschungswerkstatt
Markus Oberlinger mit Orgelpfeife
Orgelbauer stanzen Dichtungen aus
Wolfgang und Markus Oberlinger studieren den Konstruktionsplan
Werkzeug schärfen
Schnitzarbeiten an der Orgel-Seitenwand
Markus und Wolfgang Oberlinger
Orgel Tastatur
Dichtung der Ventile einer Truhen-Orgel
Bohrarbeiten
Oberlingers am Schreibtisch

Video-Reportage Orgelbaumeister

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Viel Tageslicht und sehr sauber ist das geräumige Areal, das Architekt und Orgelbauermeister Wolfgang Oberlinger seinen Forschungsbereich nennt. Mehrere Hallen sind mit großen Maschinen, Paletten voller Holzbauteile und Rollwägen mit Orgelpfeifen, Schräubchen und Scharnieren bestückt. Hier wird geplant, berechnet, getüftelt, gemessen, immer wieder geprüft und weiterentwickelt. Neue Technologien und immer komplexere Anforderungen werden hier zu Prototypen. Schon einmal ist es den Windesheimern gelungen, die kleinste Truhenorgel der Welt zu bauen. Truhenorgeln sind kleine, transportierbare Orgeln mit wenigen Registern.

Räume und Klangräume

Anders als seine Vorfahren, wollte Wolfgang Oberlinger lieber Räume gestalten und hat daher Architektur studiert. Während des Studiums hat er die Entwürfe für große Orgelprojekte seines Vaters gestaltet. „Wir haben alle Ausschreibungen gewonnen und irgendwann war für mich klar, dass sich Architektur und Orgelbau sehr gut ergänzen. Natürlich habe ich später auch noch die Ausbildung zum Orgelbauer beim Vater gemacht und bin auf die Meisterschule gegangen.“ Deshalb soll auch sein Sohn Markus nach der Ausbildung zum Orgelbauer noch Architektur studieren. Heute schon unterstützt seine ältere Tochter beim Entwurf neuer Orgeln und fertigt die Skizzen und Pläne am Computer. Der Wechsel in die achte Generation ist gut vorbereitet und scheint gesichert zu sein.

In unmittelbarer Nachbarschaft zu den Werkstätten und dem Planungs- und Architekturbüro Oberlinger steht das Orgel Art Museum. Wie unterschiedlich Tasteninstrumente und Orgelsysteme sind, kann man sich in den Museumsräumen anschauen. 2001 wurde das Museum eröffnet. Das Gebäude hat Wolfgang Oberlinger selbst entworfen und als Architekt begleitet. Aus der Luft sieht das Bauwerk wie eine riesige Orgelpfeife aus. Immer wieder finden dort Nachwuchsorganisten einen Ort, sich auf Konzerte vorzubereiten und zu proben. Auch Wolfgang Oberlinger spielt dort gerne an der großen Jubiläumsorgel, die er mit seinem Bruder im Stil der französischen Orgelbaukunst des 19. Jahrhunderts eigens für das Museum gebaut hat.

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Entwurf, Konstruktion und Forschung

Windströmungen und Akustik, Konstruktion und Verfahren: Wolfgang Oberlinger investiert viel Zeit in Forschung. Dabei steht immer der schöne, satte Klang im Vordergrund: ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Obertönen und Grundtönen. Insbesondere der Bassbereich ist bei der Truhenorgel kritisch, weil sie weniger Resonanzraum hat als eine große Orgel. Genau in diesem Bereich hat Wolfgang Oberlinger eine große Expertise und Forschungsverdienste. „Eine Orgel muss im Raum eine gewisse Eigenständigkeit haben. Sie muss sich aber auch mit ihrem Raum verbinden. Und wenn man eine Orgel von außen sieht, dann muss der Beschauer schon ungefähr eine Klangvorstellung haben.“ Der Orgelbauer vertraut auf seine langjährige Erfahrung und nutzt sie, um Neues zu entwickeln. Die Balance zwischen Klang, Technik und der Verbindung des Organisten mit dem Ton muss stimmen. Der Organist soll die Luft durch die Pfeifen strömen fühlen, wenn er die Taste anspielt. Er soll die Dynamik des Instruments in den Fingern spüren und sich so musikalisch artikulieren können.

360-Grad-Rundgang Orgelbauer Oberlinger

Wolfgang Oberlinger spricht gerne über seine Forschungen, die er in Kooperation mit Universitäten und Institutionen vorantreibt. Seine Begeisterung zum Fachgebiet spiegelt sich nicht nur in mehreren renommierten Forschungspreisen, sondern auch an der Werkbank. Der Orgelbaumeister tüftelt gerne an der Mechanik und seine Euphorie für das Handwerk motivieren sein Team zu außergewöhnlichen Leistungen. Ganz exakt muss der Luftweg durchdacht, berechnet und konstruiert werden, dicht und plan müssen Luftklappen abdecken, Dichtungen anliegen, Wellen ziehen oder schieben. Und das bei unterschiedlicher Temperatur und Luftfeuchtigkeit.

Über die Zukunft des Orgelbaus und seines Unternehmens macht sich Wolfgang Oberlinger keine Sorgen. Denn obwohl es nicht mehr viele seiner Zunft gibt, so sind doch ein Großteil seiner Werke maßgefertigte Einzelstücke. Ein Zukunftsmarkt liegt in China, aus dem das Unternehmen derzeit sehr viele Anfragen erhält. Und immer öfter werden auch kompakte und bewegliche Truhenorgeln nachgefragt, die der Orgelbaumeister und die nachwachsende Generation gerne weiterentwickeln.

Orgel Quiz