Lassen sich Depressionen mit gesunden Lebensmitteln heilen?

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Lassen sich Depressionen mit gesunden Lebensmitteln heilen? Drücken Snacks auf die Stimmung? Forscher versuchen, den Einfluss der Ernährung auf das Gehirn zu ergründen.

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. Nudeln machen glücklich. Schokolade auch. Warme Milch beruhigt. Die vermeintlichen Weisheiten belegen einen uralten Glauben: Was wir essen, wirkt sich nicht nur auf den Körper aus, sondern auch aufs Gemüt. Mittlerweile befassen sich auch Wissenschaftler mit der Frage, welchen Einfluss die Ernährung auf die Stimmung hat. Kann gesundes Essen Depressionen vorbeugen oder lindern? Und wenn ja, auf welche Weise?

Unabhängig davon, wie man an die Untersuchung des Ernährungsstils herangeht, erhärtet sich vor allem ein Verdacht: Der Genuss von Snacks, Frittiertem, gesüßten Getränken und Backwaren ist mit einem höheren Depressionsrisiko verbunden. Klar ist auch: „Depressive haben einen stärkeren Hang zu ungesundem Essen“, sagt Undine Lang, Klinikdirektorin der Erwachsenenpsychiatrie der Universität Basel. Doch es lässt sich nicht nachweisen, ob das eine zum anderen geführt hat. „Damit bleibt die Frage: Ernähren sich Depressive schlecht, weil sie eine Depression haben – oder haben sie eine Depression, weil sie sich schlecht ernähren?“, so die Wissenschaftlerin.

Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO leiden weltweit etwa 350 Millionen Menschen an Depressionen. Besonders häufig betroffen sind Übergewichtige. Zusätzlich zu ihrer psychischen Krankheit haben Depressive oft Herzkreislauferkrankungen, Diabetes und Epilepsie. Umgekehrt leiden aber auch Menschen mit diesen körperlichen Krankheiten öfter an Depressionen. „Man weiß nicht, was Henne und was Ei ist“, sagt Lang. In jedem Fall sei es sinnvoll, die Ernährung als einen Therapiebaustein einzubeziehen.

Abwegig ist der Gedanke nicht: Viele Nahrungsmittel enthalten Substanzen, die über das Verdauungssystem auf das Gehirn wirken. Man vermutet, dass Depressive eher zu Pommes, Nudeln und Süßem greifen, weil sie stärker nach Kohlenhydraten gieren. Eine Erklärung dafür könnten stimmungsaufhellende Hormone sein, die nach dem Verzehr von Kohlenhydraten vermehrt im Darm gebildet werden. Denn der Magen-Darm-Trakt verdaut nicht nur Nahrungsmittel, sondern schüttet auch Hormone wie Leptin, Ghrelin, Cortisol, Cholzystokinin oder das Insulin Growth Hormon aus, die auf die Psyche wirken; über ein weites Nervennetz sendet er so Signale direkt ins Gehirn. Auch das Immunsystem reagiert auf das, was wir essen, und kann das Gemüt durch bestimmte Botenstoffe beeinflussen. Und das Mikrobiom, die individuelle Bakteriengemeinschaft, die in und auf unserem Körper lebt, hat offenbar ebenfalls einen Einfluss auf die Gemütslage.

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Noch viel Forschungsbedarf

So fanden Forscher im Stuhl depressiver Patienten bestimmte Bakterien besonders häufig, andere kaum. Die Wiederherstellung eines vielfältigen gesunden Mikrobioms könnte eine Therapieoption sein. In einer Studie zeigte sich etwa, dass sich Depressive schneller erholten, wenn sie Probiotika erhielten. Auch in Studien an Gesunden schien sich durch die Einnahme eines probiotischen Getränks die Stimmung zu verbessern. Hier sei noch viel Forschungsbedarf, sagt Undine Lang. „Wenn man zeigen könnte, dass eine gesunde Ernährung das Risiko für eine Depression verringert, wären die Leute stärker motiviert, ihre Gewohnheiten zu ändern.“

An der Erwachsenen-Psychiatrischen Klinik in Basel werden Patienten deshalb auf Nährstoffmängel untersucht und bei Bedarf mit entsprechenden Tabletten versorgt. „Einigen Studien zufolge“, so Lang, „können ausreichend Folsäure, Vitamin D und Vitamin B12 oder B1 sowie Magnesium und Zink die Stimmung etwas bessern.“ Demnächst wollen sie und ihre Kollegen mithilfe von bildgebenden Verfahren untersuchen, welche Auswirkung die Umstellung auf eine Ernährung mit vielen Vitaminen und glutenfreier Kost auf das Gehirn der Patienten hat.

Auch das europäische Forschungsprojekt „MooDFOOD“ untersucht die Rolle der Ernährung auf die Psyche. Die Studie ist auf fünf Jahre angelegt und umfasst insgesamt 1000 Teilnehmer in vier Ländern. Das ehrgeizige Ziel: „Wirksame Ernährungsstrategien zur Vorbeugung zu entwickeln“, sagt Elisabeth Kohls. Die Psychologin koordiniert die Studie am deutschen Standort an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Leipzig. „Ich hoffe, dass wir nach Abschluss des Projekts besser verstehen, wie Ernährung, Übergewicht und Depression zusammenhängen.“

Die Projektleiter legen ihr Augenmerk auf Übergewichtige. Ihr höheres Risiko, an einer Depression zu erkranken, ist offenbar nicht nur darauf zurückzuführen, dass sie unglücklich über ihr Aussehen sind. Die Forscher interessiert die Frage, ob der Hang zu Fast Food und industriell verarbeiteten Lebensmitteln nicht nur Übergewicht fördert, sondern auch einen Mangel an lebenswichtigen Nährstoffen verursacht, der den Gemütszustand in Mitleidenschaft zieht. „Wir wollen wissen, ob und mit welchen Nahrungsergänzungsmitteln man das Depressionsrisiko senken kann“, sagt Kohls.

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Kontrollgruppe erhält Placebos

Die Teilnehmer der Studie bekommen daher neben einer Ernährungsberatung gezielt Nahrungsergänzungsmittel in Tablettenform. Eine Kontrollgruppe erhält Placebos. In den Tabletten stecken Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente – darunter Omega-3-Fettsäuren, Folsäure, Kalzium, Selen und Vitamin D3. Der Körper bildet aus ihnen Botenstoffe oder reguliert mit ihrer Hilfe die Weiterleitung von Informationen über die Nervenbahnen ins Gehirn. Sie sind damit mitverantwortlich für unsere Stimmung.

Laut Kohls ist zu diesen Nahrungsergänzungsmitteln die Studienlage am überzeugendsten. Folsäure etwa hilft bei der Bildung von Neurotransmittern, den Botenstoffen an den Nerven. Kalzium verändert im Gehirn die Erregbarkeit der neuronalen Verbindungen, die an der Emotionsregulation beteiligt sind. Selen wiederum könnte freie Radikale und Peroxide binden und beseitigen. Für Magnesium zeigte sich eine Wirkung auf depressive Symptome. Und zu Vitamin D diskutieren Forscher gleich eine ganze Reihe von Hypothesen zur Wirkung: Es soll beim Zusammenspiel der Nervenzellen im Gehirn eine wichtige Rolle spielen, die Botenstoffe beeinflussen und die Kalziumregulation steuern.

Besonders gut untersucht sind Omega-3-Fettsäuren. Sie stecken vor allem in Fisch und Meeresfrüchten und sollen die Ausschüttung von Serotonin aus den Nervenzellen erhöhen. Ein Mangel dieses Botenstoffs im Gehirn könnte bei der Entstehung von Depressionen eine Rolle spielen. Hinweise darauf fanden Forscher bereits in einer spanischen Studie mit mehr als 10 000 Teilnehmern, die seit 1999 läuft: Eine Kost, die reich an Omega-3-Fettsäuren ist, schien demnach das Risiko für eine Depression um 30 Prozent zu senken.

Noch ist es zu früh, um aus den Vermutungen konkrete Ernährungsempfehlungen zu stricken. Aber die Projektleiter der „MooDFOOD“-Studie sind optimistisch: Ende diesen Jahres sollen erste Auswertungen vorliegen.

Von Kristin Hüttmann