Mit klaren Regeln, aber auch mit kreativen Spielen und natürlich Vorbildcharakter können Eltern Kinder an gutes Benehmen bei Tisch heranführen. Denn: Was Hänschen nicht...
. Der vier Jahre alte Paul drückt mit seinem Daumen Erbsen in den Kartoffelbrei. Seine zweijährige Schwester Ida schnappt sich ein Fischstäbchen von seinem Teller, über und über verschmiert mit Ketchup. Daneben sitzen die Eltern und blicken sich an: Ist es nun an der Zeit für Tischmanieren? Gerade sitzen, die Ellenbogen nicht auf den Tisch legen und nicht mit vollem Munde sprechen.
Mit klaren Regeln, aber auch mit kreativen Spielen und natürlich Vorbildcharakter können Eltern Kinder an gutes Benehmen bei Tisch heranführen. Denn: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr. Aber wie hoch soll die Dosis Tischregeln sein? Wie viel Knigge braucht das Kind?
Speisen bei Tisch immer gerecht verteilen
„Tischmanieren spielen bei uns, wie in anderen Kitas auch, sozusagen täglich eine Rolle, zumal wir viele Ganztagskinder im Alter von zwei bis sechs Jahren haben und uns an einer ruhigen Tischatmosphäre beim Essen sehr gelegen ist“, erklärt Cornelia Schäfer, Leiterin der Lutherkindertagesstätte in Mainz. So achten die Erzieherinnen etwa darauf, dass die Speisen bei Tisch immer gerecht verteilt werden und es ein gutes Miteinander, also kein Herumalbern oder Beschimpfen gibt.
Außerdem legt man Wert auf den altersentsprechenden Einsatz von Besteck und deckt zusammen den Tisch. Es gibt Servietten und auch die Zauberwörter „bitte“ und „danke“ werden großgeschrieben. „Genauso wird bei uns erst aufgestanden und abgeräumt, wenn alle fertig sind, das gilt für alle, ist also die Regel“, betont die Leiterin weiter. „Werte wie Tischkultur und Manieren werden insgesamt wieder zunehmend mehr beachtet und sind nicht zuletzt wichtig, um in der Arbeitswelt und im Leben zu bestehen“, weiß auch Malgorzata Diebel nicht nur als Vorstandsmitglied der Deutschen Knigge-Gesellschaft. Der Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht, zur Verbesserung des persönlichen Auftretens in der Gesellschaft beizutragen.
Mit Tischmanieren kann man nie früh genug anfangen
Die alleinerziehende Mutter eines Sohnes bietet hessenweit spezielle Kinder-Knigge-Kurse an, die sie nicht nur offen, sondern auch in Kitas oder Grundschulen gibt und in denen die Kinder spielerisch lernen können, dass gutes Benehmen einfach Spaß macht. Sie findet, dass man mit Tischmanieren nie früh genug anfangen kann.
„Gemeinsam machen wir einen spielerischen Ausflug ins Märchenland und entdecken, dass ein respektvoller Umgang miteinander den Alltag schöner macht“, erklärt die Darmstädterin eine Methode aus ihren 30- bis 60-minütigen, altersgerechten Kursen. „Wir sitzen zusammen am königlich gedeckten Tisch und erlernen, wie eine Prinzessin und ein kleiner König richtig mit Messer und Gabel umgeht, auch wie man um Nachschlag bittet und warum mit vollem Mund reden so gar nicht königlich ist“, sagt sie und lacht, wenn sie an all die Erlebnisse mit ihren Knigge-Schützlingen denkt.
„Die Kinder sind so stolz, haben ein stärkeres Selbstwertgefühl und zeigen ihren Eltern zuhause, was sie im Kurs gelernt haben“, schildert Diebel weiter und merkt an, dass so mitunter auch schon mal bei Eltern „Vergessenes“ wieder kultiviert wird.
Das beste Alter für Tischmanieren: Rund um das sechste Lebensjahr
Auch sonst hat die Knigge-Trainerin viele Tipps parat, etwa, dass Kinder den richtigen Abstand zum Tisch mit ihrem Lieblingsstofftier lernen können, das auf ihrem Schoß sitzt und nicht zerquetscht werden darf. Das beste Alter, um Tischmanieren weiter zu trainieren, sieht Malgorzata Diebel rund um das sechste Lebensjahr, die „Wackelzahnzeit“, wenn die Kinder schon aufmerksamer und interessierter sind. Eines, was allerdings in jedem Alter wichtig sei, ist, Kindern am Tisch stets das Gefühl zu geben, dass Essen nicht Stress bedeutet. „Der Fernseher bleibt aus, vielleicht läuft im Hintergrund eine angenehme Musik und man nimmt sich bewusst Zeit füreinander“, nennt die Knigge-Trainerin effektive Regeln, die Atmosphäre schaffen.
Dass Regeln und Rituale in puncto Tischmanieren bei Kindern wesentlich sind, markiert auch Corinna Wiß aus Mainz. In ihren Knigge-Kursen für Kinder empfiehlt sie mit dem Benimm bei Tisch anzufangen, wenn das Kind beginnt, Brei zu essen und im Hochstuhl sitzt. Was ab circa sechs oder acht Monaten schon der Fall sein kann.
Auch sollte es die Regel sein, dass man dem Kleinkind etwa Kekse nicht zwischendurch in die Hand gibt und diese beim Spielen gegessen werden, sondern ebenso im Hochstuhl am Tisch. „Dadurch lernt das Kind, das Essen kein Spielzeug ist, sondern ein Tagespunkt. Es verbindet den Vorgang ‚essen‘ mit ‚am Tisch sitzen‘“, so die Expertin. Für ältere Kinder empfiehlt sie kreative Methoden wie das Eindecken des gemeinsamen Tisches zu einem bestimmten Thema, etwa ein größeres Sonntagsmenü, verbunden mit dem Raten, welches Besteck für welche Speise verwendet wird.
Ruhig und gelassen bleiben
„Es gibt hier auch tolle Tischvorlagen zum Ausmalen“, hat dann Katja Di Carlo einen weiteren, kreativen Tipp. Sie ist IHK-zertifizierte Knigge-Trainerin aus Heppenheim und hat unter anderem im Jagdschloss-Kranichstein in Darmstadt Knigge-Kurse für Kinder im Alter ab sieben Jahren ausgerichtet. Darüber hinaus ist sie immer wieder mit Kursen in ganztagsbetreuten Grundschulen, wo die Kinder von zu Hause häufig nicht mehr gewohnt sind, gemeinsam Mahlzeiten zu haben.
Was letztlich die Erwartungshaltung der Eltern betrifft, deren Nachwuchs Knigge-Kurse besucht, so ist diese verschieden. „Es gibt Eltern, die wollen, dass ihr Kind nach so einem Kurs top essen kann oder für einen besonderen Anlass in der Familie vorbereitet ist“, sagt Malgorzata Diebel.
Corinna Wiß und Katja Di Carlo haben erlebt, dass Eltern wollen, dass ihr Kind einfach mal von einer außenstehenden Person hört, welche Manieren wichtig sind, um dann im Anschluss gemeinsam mit dem Kind an diesem Thema weiterzuarbeiten.
Und wenn das Kind dann doch wieder mit den Fingern ins Essen greift, obwohl es schon mit Löffel oder Gabel essen kann, empfehlen die drei Knigge-Damen: Ruhig und gelassen bleiben und das Kind immer wieder ermuntern, das Besteck zu nehmen. Vorbild sein, ohne Kritik und Ermahnungs-Gewitter, denn das schadet. Auch gerne mal zusammen ganz bewusst an einem Tag Pizza oder Burger mit den Händen essen, wodurch das zu etwas Besonderem wird. Malgorzata Diebel: „Das darf man dem Kind auch einfach mal gönnen.“