Energieberater Matthias Unnath sieht sich eine Mietwohnung in Mainz an. Dort verbrauchen die Bewohner ungewöhnlich viel Strom. Der Übeltäter ist schnell identifiziert.
Mainz. „Ich glaube, ich bin gar nicht so schlecht unterwegs im Energiesparen“, sagt Olaf Boldt. Weil er aber wissen will, ob seine Einschätzung stimmt und wo er und seine Frau noch etwas tun können, hat sich der Mainzer für eine Energieberatung beworben, die diese Zeitung kürzlich verlost hat. Boldt hat gewonnen – und Energieberater Matthias Unnath schaut sich nun die Mietwohnung in der Mainzer Oberstadt an.
Das Haus, in dem sich die Wohnung befindet, ist zwischen 1948 und 1952 erbaut worden. Seit 1996 leben Olaf und Silvia Boldt darin. 1999 haben die Vermieter das Gebäude sanieren lassen. Unter anderem wurde es außen gedämmt.
Hoher Stromverbrauch fällt auf
Als Erstes lässt sich Unnath, der als freier Energieberater für die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz arbeitet, die letzten Abrechnungen zeigen. Beim Warmwasser, das die Heizung erwärmt, ist der Verbrauch des Paares in Ordnung. Beim Strom fällt Unnath nach einiger Rechnerei aber auf: „Das ist sehr hoch.“ 4500 Kilowattstunden benötigen die Boldts pro Jahr. Die Entega gibt für einen Zwei-Personen-Haushalt einen Durchschnittswert von 2400 Kilowattstunden ohne Warmwasser an. „Ich weiß nicht, wo das weggeht“, sagt Olaf Boldt.
Der Energieberater sieht sich die Jahresabrechnungen und Boldts Messungen der vergangenen Tage genau an, trägt Zahlen in sein Computerprogramm ein und rechnet. Er kommt auf einen Nachtenergieverbrauch von 2200 Kilowattstunden pro Jahr. Der Experte tippt auf den mannshohen Kühlschrank mit großem Gefrierfach und Eiswürfelmaschine in der Küche. Ein Side-by-Side-Modell nach amerikanischem Vorbild, 2010 gekauft. Das könnte der Übeltäter sein. „Der verbraucht sehr viel“, weiß Unnath – auch wenn die Boldts das Kombigerät auf die üblichen Temperaturen von minus 18 und plus 7 Grad eingestellt haben. Zudem hat das Paar im Keller noch Zweitgeräte in Betrieb.
Stromverbrauch mit smarten Steckdosen messen
Um den exakten Stromverbrauch herauszufinden, rät Unnath, jedes Gerät eine Weile an eine schaltbare smarte Steckdose zu hängen, von denen Olaf Boldt bereits einige hat. Diese Steckdose wird ans W-Lan angeschlossen und schickt Boldt die Daten aufs Handy oder den PC. Der Berater schätzt, dass alleine das Gerät in der Küche einen Verbrauch von 800 Kilowattstunden pro Jahr hat. Die meisten Leuchtmittel hat Boldt schon getauscht. Nur über dem Esstisch wird es noch dank Halogenbirnen hell. Aber diese Lampe sei nur einmal die Woche für eine Stunde an. „Wenn die Brenndauer so gering ist, bringt ein Tausch nicht viel“, sagt Unnath.
Dann geht es um den Föhn. Silvia Boldt hat lange Haare. Ist es besser, mit kühlerer Temperatur, dafür aber länger zu föhnen, fragt sie. Unnath steckt das Gerät an eine smarte Steckdose und lässt es in den verschiedenen Stufen laufen. Wieder rechnet er – die Einsparung wäre gering. „In einem Friseursalon würde es etwas ausmachen, aber Sie haben ganz andere Stromverbraucher, die so richtig reinknallen.“ Immer wieder kommt Unnath auf den Kühlschrank zu sprechen. Am Ende sagt Olaf Boldt: „Wenn er wirklich so viel verbraucht, fliegt er raus.“ Das Paar interessieren sich für ein Balkonkraftwerk. Mit einem 600-Watt-Modul könnten sie 350 bis 450 Kilowattstunden pro Jahr einsparen, schätzt Unnath. Was das Solarpanel an Strom erzeugt, würde das Paar wohl komplett aufbrauchen. In wenigen Jahren würde sich die Anlage amortisieren.
Intelligente Thermostate an der Heizung
Die Heizwerte sieht sich Unnath ebenfalls an. An den Heizkörpern sind intelligente Thermostate angebracht, das Paar stellt jedes separat ein. Die Absenktemperatur liegt bei 16, die Komforttemperatur bei 19 Grad. „Das haben wir dieses Jahr zum ersten Mal. Wir schauen, wie wir damit zurechtkommen“, sagt Boldt. Arbeitszimmer und Bad heizen sie nach Bedarf, die Küche bleibt kalt. „Das ist absolut richtig, was Sie machen“, lobt der Experte. Und schlägt vor, nachts auf 14 Grad runter zu gehen.
Um zu schauen, wie gut das Haus gedämmt ist, klopft Unnath aufs Mauerwerk rund um die Fenster. Wegen der Dämmung von außen braucht Olaf Boldt die Heizkörper-Nieschen von innen nicht isolieren. Als Schwachpunkte identifiziert der Energieberater Fenster und Rollladenkästen. Wäre die Wohnung Eigentum, könnte man hier etwas ändern – „und viel rausholen“.
Unnath rät langjährigen Mietern, den Vermieter darum zu bitten, den Energieausweis für das Haus vorzulegen, falls man ihn nicht kennt. Damit könne man zum Beispiel seinen Heizverbrauch besser einschätzen. Sie sollten allerdings vorsichtig anfragen, um nicht einen neuen und teuren Mietvertrag zu riskieren, so Unnath. Ein Einsichtsrecht in den Ausweis gibt es nur bei Neuvermietung und Verkauf.