Die Gesellschaft für deutsche Sprache in Wiesbaden hat das „Wort des Jahres“ 2018 gekürt: „Heißzeit“ steht für die Sprachforscher für die Erderwärmung und den Klimawandel.
Von Birgitta Lamparth
Redakteurin Kultur/Politik/Wirtschaft Wiesbaden
(Grafik: VRM/Stefan Vieten)
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WIESBADEN - Gerade erst wurde eine Studie mit einer furchterregenden Prognose veröffentlicht: US-Forscher gehen davon aus, dass es 2030 in Europa so heiß wird wie vor drei Millionen Jahren. Damals gab es hier Giraffen und einen hohen Meeresspiegel. Auf dem Weg dahin wird der Begriff, den die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) in Wiesbaden zum „Wort des Jahres“ 2018 gekürt hat, in aller Munde sein: „Heißzeit“.
Es ist das 42. „Wort des Jahres“, das die Gesellschaft mit 100 internationalen Zweigstellen nun ermittelt hat. Eine neunköpfige Jury aus Mitgliedern des Hauptvorstandes und weiteren Wissenschaftlern wählen dabei Begriffe aus, die das zur Neige gehende Jahr charakterisieren. „Das sind nicht die am häufigsten verwendeten Worte“, räumt der GfdS-Vorsitzende Peter Schlobinski mit einem Vorurteil auf. Aus 1000 Ausdrücken, die von den wissenschaftlichen Mitarbeitern gesammelt wurden – darunter 300 Einsendungen – habe man 130 Begriffe kondensiert. Beim Ranking der zehn ersten sei man sich sehr schnell einig gewesen. Aus seiner Sicht gab es „noch nie eine so kurze Sitzung“.
„Das betrifft die ganze Menschheit“
Bei „Heißzeit“ gehe es aber „nicht nur um den extrem warmen und langen Sommer dieses Jahres, sondern um das Thema rasante Erderwärmung und Klimawandel – das betrifft die gesamte Menschheit“, so GfdS-Geschäftsführerin Andrea-Eva Ewels bei der Bekanntgabe im Wiesbadener Rathaus.
Die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) hat ihre Zentrale in Wiesbaden und jetzt zum 42. Mal das „Wort des Jahres“ bekanntgegeben. Die Listen umfassen jeweils zehn Begriffe, die ein Jahr charakterisieren.
In den vergangenen Jahren kamen auf Platz eins der Liste: Jamaika-Aus (2017), postfaktisch (2016), Flüchtlinge (2015), Lichtgrenze (2014), GroKo (2013), Rettungsroutine (2012), Stresstest (2011), Wutbürger (2010), Abwrackprämie (2009), Finanzkrise (2008).
Sprachlich sei der Begriff schön, so Peter Schlobinski, „mit dem Reim auf Eiszeit“. Das Wort sei 1992 in einem Beitrag des Journalisten Franz Alt erstmals aufgetaucht, habe aber in diesem Sommer dann „eine steile Karriere” erlebt. Dafür haben die Sprachforscher 130 000 Belege in allen Medien gefunden.
Auch Hans-Georg Maaßen schafft es in die Liste
Im Ranking der Wiesbadener Sprachforscher sind wieder zahlreiche linguistische Finessen enthalten. Auch auf Platz zwei kommt ein zusammengesetztes Substantiv: Die „Funklochrepublik“ kennt jeder, der mal versucht hat, vom Zug aus zu telefonieren. Platz drei belegt ebenfalls eine Wortverbindung: Mit „Ankerzentren“ wollte die Große Koalition unkontrollierte Migration in den Griff bekommen. „Was viele nicht wissen: Es geht hier nicht um eine Verankerung wie bei einem Schiff, sondern um eine Art Akronym: Anker steht für die Anfangsbuchstaben von Ankunft, Entscheidung, Rückführung“, erläutert Peter Schlobinski.
Die GfdS wählt unter den signifikanten Begriffen eines Jahres oft auch auf den letzten Plätzen eine Redewendung aus. Diesmal kommt sie schon auf Platz vier: „Wir sind mehr“ lautete in Chemnitz der Titel eines Konzerts „gegen Rechts“. „Strafbelobigt“ – auf Platz fünf – oder auch strafbefördert wurde Hans-Georg Maaßen, der Präsident des Bundesverfassungsschutzes, nach umstrittenen politischen Stellungnahmen. Das Wort ist im Ranking der GfdS eines der seltenen Beispiele für ein Partizip – und ein „interessanter semantischer Gegensatz“, so der GfdS-Vorsitzende.
„Pflegeroboter“ und „Dieselfahrverbot“
Der „Pflegeroboter“ landet auf Platz sechs der Liste. Das Wort stehe stellvertretend für die Diskussion um die Zukunft in der Pflege, auch angesichts der demografischen Entwicklung, erläutert Andrea-Eva Ewels. 2018 wurde der Roboter „Pepper“ als Prototyp vorgestellt.
Sehr aktuell auch vor dem Hintergrund der Debatte nicht nur in Wiesbaden derzeit: Das „Dieselfahrverbot“, eine Maßnahme, um die EU-Richtlinie zu Stickstoffdioxid-Grenzwerten einzuhalten, landet auf Platz sieben.
Ein globales Thema hat die GfdS auf Rang acht gesetzt: Den „Handelskrieg“, der von US-Präsident Trump als politisches Mittel sowohl der EU, als auch China mehrfach angedroht wurde.
Seehofer und die „Mutter der Probleme“
Ebenfalls ein aktuelles politisches Thema berücksichtigt das Ranking mit dem „Brexit-Chaos“. Brexit ist bereits eine Wortkreuzung aus Britain und Exit, gemeint ist der Austritt aus der EU. Das Thema hat in Großbritannien kreative neue Wortschöpfungen hervorgebracht – wie die „Brexeteers“ (Brexit-Befürworter) und die „Bregretter“, eine Kombination aus Brexit und regret (bedauern).
Auf den zehnten und letzten Platz des Rankings kommt wieder eine Redewendung: Als „Mutter der Probleme“ bezeichnete Bundesinnenminister Horst Seehofer die Migration. Die GfdS sieht darin ein sprachliches Muster, bei dem die „Mutter“ zum Platzhalter für den Beginn oder das größte Exemplar einer Kategorie wird.