Erneut diskutiert man in Schierstein über eine eventuelle Kanalöffnung zwischen Rhein und Hafen. Wie viel sie bringen würde, dazu gehen die Meinungen auseinander.
WIESBADEN. Im Ziel sind sie sich einig, wie man aber am besten dorthin kommt, dazu gibt es ganz verschiedene Meinungen. Der Schiersteiner Hafen soll eine bessere Wasserqualität und weniger Algen haben. Gerade jetzt, bei Niedrigwasser, hohen Temperaturen und jede Menge grüner Stellen im Hafen, flammt die Diskussion über einen Durchstich vom Rhein wieder auf.
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Während sowohl die Interessengemeinschaft „Sauberer und schöner Schiersteiner Hafen“ als auch „Zukunft Schierstein“ sich für einen Durchstich starkmachen, erinnert Walter Richters von den Grünen an die langjährige Diskussion und die Einschätzung der Stadt, dass ein solcher Durchstich alleine nicht viel bringen würde. Nur wenn der Hafen zuerst ausgebaggert würde, könnte er zu einer dauerhaft verbesserten Wasserqualität und letztlich vielleicht auch zu weniger Algen führen. Aber das Ausbaggern ist Sache des Bundes. Und der scheint daran, vor allem aus Kostengründen, kein Interesse zu haben. Das gilt seit Jahrzehnten.
Vor 20 Jahren „mittelfristiger Handlungsbedarf“
Richters, seit Jahrzehnten im Ortsbeirat, erinnert an eine Magistratsvorlage von 2002, an Untersuchungen des Taunussteiner Fresenius-Instituts, die damals zu dem Schluss kamen, dass die Kanalöffnung alleine nichts bringt, vielleicht sogar gegenteilige Effekte hat. Es wurden Sedimentproben entnommen. Ergebnis: In den Proben „mittels Greifer (oberflächennahe Beprobung) wurden zum Teil deutlich erhöhte Schwermetallgehalte“ gefunden, „die nach Auswertung der tiefenorientierten Beprobung zur Tiefe hin deutlich abnehmen.“
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Zusammenfassend hat man vor 20 Jahren festgestellt: „Die Untersuchungen … zeigen relevante Belastungen mit Schwermetallen, Organozinn-Verbindungen und PAK (Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe), die für einen Sporthafen typisch sind.“ Da die Richtwerte überschritten wurden, sah man Anfang des Jahrtausends einen „mittelfristiger Handlungsbedarf aus wasserbehördlicher Sicht im Sinne einer Sanierung durch Aushub.“ Fresenius hielt ein Bade- und Angelverbot für angebracht. Offiziell verboten ist bis heute nur das Angeln.
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Zum Öffnen des Verbindungskanals heißt es: Sie bringe eine deutliche Steigerung des Wasserumschlags im Hafenbecken mit sich, allerdings würden, weil das Wasser im Hafen viel langsamer fließt, als das im Rhein, „vom Rhein eingetragenen Schwebstoffe sedimentieren, was ein unerwünschter Effekt ist. Das biochemische Milieu von Rhein- und Hafenwasser sei annähernd gleich, „sodass die Wasserqualität durch den Rheinwasserzustrom nicht signifikant verbessert würde.“
Der Kanal hatte einen Durchmesser von anderthalb Metern und eine Länge von etwa 110 Metern, schildern seine Befürworter. Etwa 9000 Kubikmeter Wasser seien damals in einer Stunde vom Rhein in den Hafen geflossen. Das Rohr, so beschrieben sie es 2019, sei durch das Betonwerk in der Mitte der Bismarksaue eingedrückt worden.
Zustand des Hafens wird Regel sein
Der „mittelfristige Handlungsbedarf“ ist jetzt 20 Jahre alt, getan hat sich nichts. Walter Richters: „Viele Vorstöße des Ortsbeirats (Verkehrsministerium, Bundestags- und Europaabgeordnete) sind ohne Resonanz geblieben. Wiesbaden würde beim Ausbaggern seinen Anteil tragen, … der Bund will nicht.“ Der Bund ist für gut drei Viertel der Hafenfläche zuständig.
Angesichts der zu erwartenden heißeren und trockeneren Sommer sind aber Forderungen wie die der beiden Initiativen nachvollziehbar. Christina Kahlen-Pappas, stellvertretende Ortsvorsteherin, schreibt auf der Facebook-Seite von „Zukunft Schierstein“: „Kopf in den Sand (oder Hafenschlamm) stecken und abwarten, geht spätestens in 20 Jahren auch nicht mehr. Der Zustand des Hafens, wie wir ihn aktuell mit Niedrigwasser und Hitze haben, wird künftig nicht die Ausnahme, sondern die Regel sein im Sommer.“ Sie verweist auf einen Satz in der Kooperationsvereinbarung zwischen den Wiesbadener Grünen, SPD, Linke und Volt. Dort heißt es, man wolle von der Sicht auf den Hafen als „Industriehafen“ wegkommen. Was es genau damit auf sich hat, wird aber nicht näher ausgeführt.