Samstag,
02.11.2019 - 03:00
5 min
Licht gegen das Herbstdunkel in Wiesbadens Stadtteilen

Eine Bienenwachskerze verströmt als Naturprodukt ein ganz spezielles Aroma. (Foto: Julia Anderton)
SONNENBERG - Von Julia Anderton
Es ist kein Zufall, dass der Herbstblues meist im November auftritt: Das Tageslicht verringert sich, der Körper schüttet vermehrt das Schlafhormon Melatonin aus und drosselt zugleich die Produktion des Glückshormons Serotonin. Wie wichtig das Licht für das körperliche, emotionale und geistige Wohlbefinden ist, wusste man bereits in der Antike. Nicht umsonst wurde es in früheren Religionen als göttlich verehrt.
„Im christlichen Glauben ist Jesus Christus selbst das Licht der Welt, das jede Finsternis bis in den Tod hinein erhellt. Wir fürchten Finsternis und Dunkelheit, weil wir in ihr keine Orientierung haben und deswegen das Licht umso nötiger brauchen“, schildert Pfarrer Thomas Hartmann von der Sonnenberger Thalkirche. „Auch medizinisch ist es ja so, dass Licht gegen Traurigkeit und Depressionen helfen kann. Zwischenmenschlich zünden wir uns sozusagen gegenseitig ein Licht an, wenn wir uns mit Liebe und Nähe begegnen und füreinander Verständnis zeigen. Das spielt erst recht in der Gemeinde mit der ständigen Erinnerung an Jesus Christus und der gemeinsamen Feier im Gottesdienst eine entscheidende Rolle.“
Die dunklen Monate besäßen indes auch etwas durchaus Anheimelndes, sagt Hartmann. „Aber nur, wenn uns in dieser Dunkelheit auch zumindest ein kleines Licht scheint, wie von Kerzen. Schon das kleine Feuer eines Streichholzes kann einen an sich völlig dunklen Raum so hell machen, dass wir uns orientieren können. Das erinnert uns daran, dass wir auch in düsteren Zeiten nicht verloren sind, sondern immer noch ein Weg, eine Hilfe möglich ist, die uns leitet“, ist sich Hartmann sicher.
Im Aktivspielplatz Biberbau in Biebrich brennen keine Kerzen, aber an jedem Freitag ein Lagerfeuer, das laut Biberbau-Chef Jens Joehnke gleich mehrere Lernfelder transportiert. „Ein Feuer steht als Angebot, vermittelt Wärme, Schutz, es kann Nahrung bereiten, Getränke erwärmen und die Geselligkeit fördern.“ Zugleich vermittle es die von ihm ausgehende Gefahr deutlich, lasse jedoch an einem regnerischen und kalten Nachmittag auch alle näher zusammenrücken.
Das Lernpaket eines Lagerfeuers beinhalte für Kinder Nachhaltigkeit und Ganzheitlichkeit, Teamwork und Körpereinsatz, Feinmotorik, Ernährung, Gefahrenverhütung und Survival. „Ein Füllhorn an pädagogischen Möglichkeiten!“, nennt es Joehnke. Als Leckerbissen wird stets Stockbrot gebacken, es gibt sogar ein eigenes Buch mit 33 Rezepten vom Biberbau-Team.
TERMINE
Winterfeuerfeier im Biberbau, am Freitag, 20. Dezember, 15 bis 18 Uhr.
Fest zur Wintersonnenwende, Schloss Freudenberg, am Freitag, 20. Dezember, 16 Uhr. (14 Uhr gemeinsames Holzsammeln für eine Feuerskulptur)
Fest zur Wintersonnenwende, Schloss Freudenberg, am Freitag, 20. Dezember, 16 Uhr. (14 Uhr gemeinsames Holzsammeln für eine Feuerskulptur)
Jens Joehnkes persönlicher Favorit in der kalten Jahreszeit ist das karamellisierte Apfel-Zimt-Stockbrot. Welche Sorten bei der Winterfeuerfeier am Freitag, 20. Dezember (15 bis 18 Uhr), bei der traditionell ein zwölf Monate lang eingelagerter Tannenbaum verbrannt wird, um den Stock gewickelt werde, wird noch nicht verraten.
Im Schloss Freudenberg in Dotzheim stellt das Fest zur Wintersonnenwende (ebenfalls am 20. Dezember) einen Höhepunkt dar, bei dem um 14 Uhr gemeinsam Holz für eine Feuerskulptur gesammelt wird und um 16 Uhr die Feierlichkeiten beginnen. „Das Feuer zur Wintersonnwende ist eine gemeinsame Besinnung auf das Enden und den Neuanfang eines Jahres. Im Feuer brennt zweierlei: der Dank dem Vergangenen und die Vorfreude auf das Kommende“, berichtet Christina Hermainski. Aus der Küche gibt es dazu einen wärmenden Eintopf und ein heißes Getränk mit Gewürzen, Früchten und Kräutern.
Doch auch im Inneren des Schlosses kann man sich dem Licht widmen, denn die Kerzenziehstation bereichert in diesem Jahr erneut das Angebot. „Sie ist wie eine kleine Schule: Alle Wissenschaften, Philosophien und Geistesforschungen kommen an diesem Wachstopf zusammen. Kinder fühlen sich magisch angezogen, denn die Lehrerinnen sind die Bienen“, unterstreicht Christina Hermainski. „Wenn eine Biene zwölf Tage alt ist, kann sie kleine Wachsplättchen aus den Drüsen schwitzen. Die Bienen geben sich diese hauchdünnen Wachsplättchen von Mund zu Mund weiter und speicheln sie ein.“ Dadurch werde das Wachs geschmeidig und formbar. „Wenn man dann eine brennende Kerze beobachtet, staunt man über die Genialität. Das flüssige Wachs steigt im Bindfaden empor, genau in der richtigen Menge. Die Kerzenflamme leuchtet, heizt und bewegt sich. Ein Wunderwerk.“
Eine Bienenwachskerze verströme ein ganz anderes Aroma als jede aromatisierte Paraffinkerze, bekräftigt Ilona Kleinsimlinghaus von der gleichnamigen Auringer Imkerei. „Sie ist ein Naturprodukt und weist einen wesentlich höheren Heizwert auf als das Paraffin, was ein Abfallprodukt bei der Herstellung der Mineralöle ist. Somit ist die Verwendung von Bienenwachskerzen wesentlich nachhaltiger als die Nutzung von industriell gefertigten Kerzen.“ Ihre Bienenwachskerzen werden alle selbst in Handarbeit hergestellt. „Da Kerzen Saisonprodukte sind, läuft die Fertigung nicht kontinuierlich. Viele verbinden vor allem die Vorweihnachtszeit mit dem Duft von Bienenwachskerzen. Somit läuft vor allem im Herbst die Produktion der Kerzen auf Hochtouren.“
Viele Familien mit kleinen Kindern verwenden vor allem in der Adventszeit Kerzen, was Brandpräventionsmaßnahmen besonders wichtig macht: Zu allererst sei darauf zu achten, dass Kerzen auf einer nicht brennbaren Unterlage stehen. Werden Streichhölzer benutzt, sollten sie zunächst ebenso auf einer nichtbrennbaren Unterlage abgelegt werden. Keinesfalls dürften die Zündhölzer unmittelbar nach dem Auspusten in den Mülleimer geworfen werden, warnt Maximilian Abel von der Feuerwehr Sonnenberg. Elementar sei die Grundregel, Kerzen niemals unbeaufsichtigt brennen zu lassen, sie also auch bei nur kurzem Verlassen des Zimmers unbedingt zu löschen.
Und dann gibt es ja noch das Licht per Schalter. Eine sichere Bank? Mitnichten: Das richtige Licht sei entscheidend, da es die Atmosphäre in Wohnräumen gestaltet und die Art des Lichts und Lichtfarbe für das Wohlbefinden verantwortlich sei, bekräftigt Marten Stockhausen von dem Sonnenberger Leuchtenstudio „Stockhausen Licht“. Zur dunkleren Jahreszeit brauche der Mensch länger und mehr Licht in den Räumen, da es früher dunkel werde und die Tage deutlich grauer seien. „So spielt die Lichtfarbe eine wichtige Rolle und wegen des Lichtmangels im Winter wird auch mehr Licht benötigt. Eine gute Beleuchtung in Wohnräumen wird immer von mehreren Lichtquellen erzeugt. Licht ist aber auch ein persönliches Empfinden und so unterscheidet auch der Geschmack über die Art des Lichtes.“ Werden in der kalten Jahreszeit andere Designs bevorzugt? Nein: „Die Deutschen mögen sowieso lieber warmes Licht. Zu dieser Jahreszeit fällt eben nur schneller auf, wo tatsächlich die ganze Zeit Licht gefehlt hat oder ein Leuchtmittel defekt ist.“